Eindrücke erlebt, die man nie wieder vergisst

Der Leistungskurs Geschichte der Bischöflichen Maria-Montessori-Gesamtschule Krefeld besuchte Auschwitz

(c) Maurice Steffens
Datum:
4. Feb. 2025
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 06/2025 | Chrismie Fehrmann

Der Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz wirkt bei den Oberstufenschülerinnen und -schülern der Bischöflichen Maria-Montessori-Gesamtschule in Krefeld nach. In der vergangenen Woche haben sich die 21 jungen Leute des Leistungskurses Geschichte drei Tage dort umgesehen. Obwohl sie von den Lehrern auf die Begebenheiten vorbereitet wurden, waren sie von den entwürdigenden Zuständen, wie sie dort immer noch nachempfunden werden können, erschüttert.

Der Besuch des Konzentrationslagers Auschwitz wirkt bei den Schülerinnen und Schülern noch nach. (c) Dirk Jochmann
Der Besuch des Konzentrationslagers Auschwitz wirkt bei den Schülerinnen und Schülern noch nach.

Philipp erklärt: „Wir haben uns darauf eingelassen, zu sehen, wo die Menschenmassen durchgelaufen sind, wo die SS-Offiziere gestanden haben – unter dem Schild „Arbeit macht frei“. Dort befanden sich auch noch Utensilien wie Koffer, die den Menschen gehört haben. Das sollte jeder Deutsche gesehen haben, auch fern von historischem Interesse, mit der Frage: ,Wie konnte das passieren?`. Wir sind aus dem Elfenbeinturm des Klassenraums hinaus in die Weite Birkenaus gekommen. Wir erlebten pure Fassungslosigkeit, waren wie erschlagen und haben um Worte gerungen.“

Ein anderer Schüler habe gesagt: „Man kann alles im Unterricht durchnehmen, vor Ort erlebt man Eindrücke, die unter die Haut gehen und die man nie wieder vergisst.“ Anna ergänzt: „Wir haben Holzbretter gesehen von zwei Metern Breite. Darauf mussten fünf Menschen schlafen. Die Unterbringung glich insgesamt eher einem Stall. Er war dunkel, verwahrlost, unvorstellbar wie kaum eine Tierhaltung heute. Als Toilette dienten Tröge.“
Noel erzählt von Maximilian Kolbe, einem polnischen Priester, der die Strafe eines Häftlings übernommen hatte. Für ihn brennt stets eine Kerze vor Ort. „Maximilian Kolbe wurde trotzdem unschuldig umgebracht. Wir haben einen Raum gesehen, weniger als einen Quadratmeter groß. Dort mussten vier Menschen nachts stehen.“

Janus berichtet: „Zur Vorbereitung des Besuches haben wir ein halbes Jahr zuvor mit einer französischen Partnerschule Kontakt aufgenommen und uns in Projekten mit zehn verschiedenen Themen online auf Englisch ausgetauscht. So auch über die ,Aktion Reinhardt’. Im Zuge dieser Aktion wurden fast zwei Millionen Menschen, Juden, in den drei Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka ermordet. Wir haben untersucht, wie sich die Nazi-Ideologie auf die Menschen ausgewirkt hat.“

Ein anderes Thema seien die Lebensbedingungen von Erwachsenen und Kindern im KZ gewesen, weiß Anna. „Wir haben erfahren, dass es Unterschiede gab, die Mädchen und Jungen im Kinderblock besseres Essen bekamen und Spielzeug hatten, aus Kleiderresten gefertigt. Auch hier interessierten uns die Nachwirkungen, was das mit den Kleinen gemacht hat.“

 

Die Schülerinnen und Schüler besuchten auch die Dauerausstellung
Die Schülerinnen und Schüler besuchten auch die Dauerausstellung "Birkenau" auf dem KZ-Gelände. Hier ist der gleichnamige Bilderzyklus des Künstlers Gerhard Richter ausgestellt. Für seine vier großformatigen Bilder verwendete er vier Originalfotos, die KZ-Insassen unter Lebensgefahr aus Auschwitz herausgeschmuggelt hatten.

Marritt findet, dass viele Leute auch heute noch nicht begreifen können, was damals passiert ist. Noah ergänzt, dass eine aktuelle Befragung zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau ergeben hat, dass nur 48 Prozent der Schüler den Begriff Holocaust erklären können.

„Auch wenn es sehr emotional ist, diese Bilder anzusehen. Es ist gleichzeitig berührend und belastend“, erklärt Julia. Zoe sagt, dass sie eine besondere Verantwortung haben, die Erfahrungen ihrer Reise weiterzugeben. Denn: 80 Jahre später sind von den Zeitzeugen nur noch wenige am Leben. Kaum noch jemand kann Schulklassen aus erster Hand vom Holocaust und dem Schrecken des Nazi-Regimes erzählen.

Diese Tatsache spricht Janus an: „Die Erinnerungskultur ändert sich. Wie geht man mit der Shoa, dem Völkermord der Nationalsozialisten um, wenn man ihn nicht erlebt hat? Manche Menschen haben nur noch unvollständige Bilder. Auch wir haben Gaskammer-Reste und fast verschwundenen Baracken gesehen.“

Noel thematisiert die Judenfrage nach der Wannseekonferenz und die Geschehnisse der heutigen Zeit. „Wenn die AfD von Remigration spricht, zieht man Parallelen. Und zwei Tage nach den Gedenkfeiern wird von der Union ein Entwurf für ein „Zustrombegrenzungsgesetz“ in den Bundestag eingebracht – und abgelehnt. Wir müssen achtsam sein, wir haben eine starke Verantwortung.“

Vermitteln, was Auschwitz bedeutet

Maurice Steffens, Lehrer für katholische Religion und Geschichte, und Carolin Arntz, Lehrerin für Französisch und Sport, haben die jungen Leute begleitet. „Wir sind bereits öfter mit Schulklassen in das ehemalige Konzentrationslager in Bergen-Belsen gefahren. Auschwitz war das erste Mal“, berichtet Steffens. „Wir werden versuchen, durch Projektkurse auch nachfolgenden Klassen die Möglichkeit zu geben, diese Erfahrungen zu machen.“
Es habe vor Ort bereits Gespräche mit den jetzigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern im jüdischen Café geben, um das Gesehene und Erlebte zu verarbeiten. „Wir haben den Gesprächen einfach ihren Lauf gelassen.“

Weiterhin berichtet der Pädagoge, dass die Bischöfliche Maria-Montessori-Gesamtschule darauf bedacht sei, dass kein Kind die Schule verlasse, ohne über den Holocaust informiert worden zu sein. Im ersten Schritt geschehe dies auf der früheren NS-Ordensburg Vogelsang in der Eifel. Dann sei „Ausgrenzung“ das Thema. Danach folge „Herrenmenschen“ und dann in der Oberstufe die Gedenkstättenfahrt.