Ein sakrales Juwel

Dem heiligen Arnold auf der Spur

Die Arnolduskapelle ist von farbigen Fresken überspannt. (c) Andreas Drouve
Die Arnolduskapelle ist von farbigen Fresken überspannt.
Datum:
14. Juli 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 29/2020 | Andreas Drouve

Stolz und erhaben steigt der Backsteinturm der neoromanischen Kirche Sankt Arnold aus der Ortsmitte von Arnoldsweiler. Bereits aus der Ferne setzt er eine Landmarke, während im Hintergrund der Braunkohletagebau wie eine Großwunde klafft. Im Schatten des großen, von 1899 bis 1902 errichteten Kirchbaus liegt ein kleinerer und älterer, der es hinter seiner Bruchsteinfassade buchstäblich in sich hat: die Arnolduskapelle, auch Klein Sankt Arnold genannt, die ursprüngliche Pfarrkirche. 

Schwester Theresia Margareta kümmert sich um das Heiligtum. (c) Andreas Drouve
Schwester Theresia Margareta kümmert sich um das Heiligtum.

Hier gilt einmal mehr: Warum in die Ferne schweifen, wenn die Neu- oder Wiederentdeckung eines sakralen Juwels so nah liegt? Denn das Kirchlein zählt im Dürener Kreisgebiet und darüber hinaus zu den schönsten und ungewöhnlichsten. Aufhänger ist die Verehrung des heiligen Arnold, der um 843 verstorben sein soll. Den Schlüssel zum Allerheiligsten verwahrt die Küsterin: Schwester Theresia Margareta (60), die aus dem Eifelort Fleringen stammt und sich seit Langem hier heimisch fühlt. Sie wohnt in einer Vierer-Gemeinschaft der Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus im vormaligen Arnoldsweiler Pfarrhaus. 


Ein Herz für die Armen

Über den heiligen Arnold haben Flechtwerke aus Geschichte und Sage nur wenige unvollständige Lebenssplitter zusammengetragen. Er stammt aus schlichten Verhältnissen, so besagt es die Überlieferung, und schafft es als Sänger und Harfenspieler an den Hof Karls des Großen. Doch entfremdet er sich nicht vom einfachen Volk. Sein Herz schlägt für die Notleidenden, für die er sich bei seinem legendären Ritt um den Bürgewald beson-
ders einsetzt. Die Story beginnt so: Arnold erbittet von Kaiser Karl, künftig so viel Forstland nutzen zu dürfen, wie er während eines Gastmahls im Dorf Genetsweiler – dem späteren Arnoldsweiler – umreiten kann. Der Herrscher willigt ein. Arnolds Pferd fliegt regelrecht davon. Unterwegs kerbt der einsame Reiter mit dem Schwert Markierungen in die Bäume.

Das Ergebnis: Arnold schafft es um ein riesiges Waldgebiet, das er den ärmlichen 
Gemeinden im Umland überlässt, um dort von nun an das so wichtige Brennmaterial zu schlagen. „Die Bewohner der nutznießenden Ortschaften sind dafür verpflichtet, anstelle der sonst gebräuchlichen Abgaben an den Inhaber der Forsthoheit Kerzen für den Altar Arnolds zu liefern, den sogenannten Wachszins“, schreibt Ruth Schlotterhose in einem kleinen Kirchenführer.

Das Volk machte Arnold zum Heiligen. Seine letzte Ruhe fand er in der Arnolduskapelle. Ob der später vielfach beschädigte und veränderte Sakralbau von ihm selbst begründet wurde, ist ebenso ungewiss wie eine Pilgerschaft Arnolds nach Santiago de Compostela in Nordwestspanien. Seither sind weit über tausend Jahre vergangen. Arnolds traditioneller Gedenktag ist der 18. Juli, zu dem die Arnoldus-Oktav ansteht, in diesem Jahr wegen Corona allerdings sehr eingeschränkt. 


Fantastische Freskenpracht

Die Vorhalle und die Gedächtniskapelle von Klein Sankt Arnold bescheren erste Überraschungen: mit eindringlichen Fresken des Malers Peter Hecker (1884-1971), darunter ein Sensenmann hoch zu Ross und ein überhöhter Christus, der sich symbolisch der Weltkriegsopfer annimmt. Daneben steht: „Wir bitten: Nimm auf, o Herr, die toten Krieger und des ganzen Krieges Opfer in deinen Frieden.“ Hecker hatte 1913 die Kirche schon einmal mit Fresken geschmückt; bei der Wiederherstellung nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg trat er aufs Neue in Aktion.

Hinter einem Bogendurchgang und der Taufkapelle öffnet sich das Herzstück: die eigentliche Arnolduskapelle, der Höhepunkt für Wallfahrer und Besucher. Der Boden ist symmetrisch blaugrau-hell gemustert, über die Gewölbe zieht sich Heckers farbige Freskenpracht. Unter den Motiven findet sich Arnold mit der Harfe in Händen, wie er auch im Ortswappen Arnoldsweilers und als Skulptur in der großen Pfarrkirche nebenan dargestellt ist. Im Gewölbe über dem spätgotischen Steinsarkophag, der den Reliquienschrein enthält, musizieren Engel in einem türkisfarbenen Sternenhimmel. Die Liegendfigur auf dem Hochgrab zeigt den bärtigen Heiligen in höfischer Tracht. Zu seinen Füßen ruht ein Löwe, ein Symbol der Stärke, aber auch ein „Sinnbild ritterlicher Gesinnung und Kraft“, erklärt Ruth Schlotterhose. Blickfänge in der Kapelle sind überdies die Barockkanzel und die Buntglasfenster.  


Zum Abschied ein Gebet

Obgleich sie schon unzählige Male hier gewesen ist, kann sich auch Schwester Theresia Margareta der Faszination der Arnolduskapelle und ihrer Raumwirkung nicht entziehen. „Es gibt nichts Schöneres, als in diesem Heiligtum Dienst zu tun“, sagt sie. Knapp vier Jahrzehnte sind es her, als sie nach einer hauswirtschaftlichen Lehre in den Orden eintrat, weil „ich mich dazu berufen fühlte und eine starke Sehnsucht spürte, diesen Weg in der Nachfolge Jesu zu gehen“.

Den Heiligen bewundert die Ordensfrau für „die Vehemenz“, mit der er sich für die Armen einsetzte. „Das lässt die Bevölkerung des Dürener Landes immer wieder nach hier kommen“, betont sie. Zudem sei Arnold der Patron „für eine gute Sterbestunde“, setzt Sr. Theresia Margareta hinzu und händigt zum Abschied ein Gebetskärtchen aus, auf dem zu lesen ist: „Allmächtiger und barmherziger Gott, du hast dem heiligen Arnold die Gnade geschenkt, dein Lob zu singen und in den Armen Christus zu erkennen und zu verehren. Mach uns auf seine Fürbitte treu im Glauben und beharrlich in der Liebe, damit wir an der Herrlichkeit Anteil erhalten, die er erlangt hat.“