Das Nikolauskloster ist das „bedeutendste Kloster der Franziskaner-Terziarier am
Niederrhein“. Dieses Urteil haben die Oblatenmissionare, die das Kloster führen, seit einigen Wochen schriftlich und wissenschaftlich belegt. In seiner 600-jährigen Geschichte hat es Kriege und Besitzerwechsel fast unbeschadet überstanden. Nun erzählt es selbst Geschichte.
An einem normalen Wochentag, der Himmel ist von Wolken verhangen, ist es still um das Nikolauskloster. Die Türen zu Kirche und Haupthaus sind wie immer offen, vor einem erstreckt sich ein langer Gang mit mehreren Türen aus schwerem dunklem Holz. Man tritt in eine andere Zeit ein und bleibt doch in der Gegenwart.
Hierher kommen Menschen, um ein paar Tage Ruhe zu finden, Familien besuchen Gottesdienste oder die Kinderbibelstunden. Im Sommer ist das Nikolauskloster ein beliebtes Ziel für Ausflügler und Pausenstation während mancher Radtour. Auch wenn es in diesem langen Gang still ist: Es ist viel Leben in dem alten Gemäuer, das sich aber im Alltag vor allem hinter den Kulissen abspielt.
Seit 600 Jahren ist das Nikolauskloster eine Konstante, deren Wirkung weit über die Region Jüchen hinausreicht. Das haben die Gottesdienste unter freiem Himmel während der Hochzeit der Coronapandemie gezeigt, zu denen Gläubige bei Wind und Wetter kamen und auf der Wiese neben dem Klostergebäude zusammen beteten. Das zeigt auch die große Anzahl Ehrenamtlicher, die sich um die verschiedenen Bereiche im Kloster kümmern. Sie putzen, kochen und backen für die Gäste, sie pflegen den Park, reparieren und kümmern sich um den Klosterladen.
Wer heute die Verbindungswege zwischen dem benachbarten Schloss Dyck und dem Nikolauskloster nimmt, geht auf Wegen, die schon in Karten aus der Zeit von 1801 bis 1828 eingezeichnet wurden. „Es bestehen noch Wegeverbindungen, die noch unverändert erhalten sind und erlebbar wie in der Vergangenheit“, sagt Nadja Fröhlich. Die Referentin Inventarisation beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat zusammen mit ihrer Kollegin Kerstin Walter die Bedeutung des Klosters als Denkmal untersucht.
Das Ergebnis der Historikerinnen ist eindeutig: „Die Klostergebäude wurden im Wesentlichen zwischen 1627 und 1730 neu gebaut und sind in ihrem baulichen Bestand bis in die Gegenwart weitgehend unverändert überliefert, da das Nikolauskloster sowohl die Säkularisation als auch den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hat“, sagt Fröhlich. Die Geschichte des Klosters aber reicht noch weiter zurück.
Im späten 14. Jahrhundert gründete der Eremit Heinrich von der Blume im Auftrag von Johannes von Reifferscheidt ein Kloster. Die Ordensgemeinschaft der Franziskaner-Tertiarier führte das Kloster und machte daraus einen blühenden Ort. Durch Schenkungen und Geschäftssinn expandierte das Kloster. Der Grundbesitz vergrößerte sich stetig. Das änderte auch die Säkularisierung 1802 nicht, die die klösterliche Nutzung der Anlage vorübergehend beendete. 1806 erwarb Joseph Franz Maria Anton Hubert Ignaz zu Salm-Dyck, der 1816 zu Fürst von Salm-Reifferscheidt-Dyck wurde, das Kloster mit allen Gebäuden, Zubehör und Ländereien. Der leidenschaftliche Botaniker führte dort von 1852 bis 1864 die erste rheinische Ackerbauschule.
Erst der Nachfolger von Fürst Joseph, Fürst Alfred, beschließt, die Anlage wieder als Kloster zu nutzen. Die Oblaten der makellosen Jungfrau Maria ziehen 1905 ein, nachdem sie einige bauliche Veränderungen vorgenommen haben.
Die sind genauso bedeutungsvoll für das Denkmal wie die ursprünglichen Bauten, denn sie spiegeln den Wandel der Zeit und die Geschichte des Ortes wider. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde die Lourdes-Grotte im hinteren Teil des Parks gebaut. Im Zweiten Weltkrieg diente das Kloster als Lazarett, im Februar 1945 wurde der Soldatenfriedhof angelegt, nach Ende des Zweiten Weltkriegs besetzten kurzzeitig amerikanische Soldaten das Klostergebäude, danach kehrte wieder etwas Ruhe in das Klosterleben ein. 1953 gründeten die Oblaten ein Studienheim für junge Männer, die über den zweiten Bildungsweg das Abitur nachholen und Priester werden wollten. Der letzte Schüler verließ das Nikolauskloster 2014.
Baulich zeugen Details wie die barocke Treppe, die Stuckdecke in der Bibliothek, das Deckengemälde im Petrussaal oder die „Kölner Decke“ in der ersten Etage von der bewegten Geschichte. Die spezielle Deckenbalken-Konstruktion ist die längste ihrer Art im gesamten Rheinland und allein dadurch schon etwas Besonderes.
Am 22. August, 18 Uhr, hält Nadja Fröhlich im Haus Katz, Rektor-Thoma-Straße 8 in Jüchen,
in der Reihe „Geschichte vor Ort“ einen Vortrag über das Nikolauskloster. Informationen unter https://archiv-im-rhein-kreis-neuss.de.