Ein Ticken mehr für alle

Die Steyler Missionsschwester Bettina Rupp findet über Pommes zu den Menschen

Genießen, plappern oder schwätzen: Sr. Bettina Rupp (M.) und ihre Mitstreiter schaffen mit Pommes eine Verbindung zwischen ihren Gästen. (c) Steyler Missionsschwestern
Genießen, plappern oder schwätzen: Sr. Bettina Rupp (M.) und ihre Mitstreiter schaffen mit Pommes eine Verbindung zwischen ihren Gästen.
Datum:
4. Dez. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 49/2024 | Garnet Manecke

   ****Starke Frauen im Bistum Aachen ***

Sie engagieren sich für Menschen, die Hilfe brauchen, hier oder in anderen Teilen der Welt. Sie gründen Vereine oder Unternehmen, bilden Netzwerke, engagieren sich ehrenamtlich und wuppen nebenbei noch Familie und Beruf. Ohne starke Frauen würde im öffentlichen und gerade auch im Gemeindeleben so einiges nicht mehr funktionieren. Darum möchten wir, die KirchenZeitung für das Bistum Aachen, einige dieser starken Frauen in einer neuen Reihe vorstellen. Die einzelnen Porträts werden in loser Reihenfolge in der KirchenZeitung abgedruckt. Sr. Bettina schafft Orte für Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens stehen.

Die Steyler Missionsschwester Bettina Rupp hat Ende November den Maria-Grönefeld-Preis erhalten. Angefangen hat die Ordensschwester mit einer Banklehre, bevor sie neue Wege suchte, ein Studium zur Sozialarbeiterin absolvierte und in den Orden eintrat. Heute arbeitet sie mit Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben. Dort, wo es richtig weh tut.

In Mönchengladbach hat Sr. Bettina (3.v.r.) den Treff am Kapellchen aufgebaut. (c) Garnet Manecke
In Mönchengladbach hat Sr. Bettina (3.v.r.) den Treff am Kapellchen aufgebaut.

Als Schwester Bettina Rupp nach Frankfurt am Main kam, erlebte sie einen Kulturschock. Schon aus ihrer Arbeit in Mönchengladbach war sie täglich mit Schicksalen konfrontiert, die manchmal schwer auszuhalten waren. Menschen, die alles verloren hatten und auf der Straße lebten; Menschen, die an Körper und Psyche krank waren und für die der Alltag ein täglicher Kampf war. „Aber diese Brutalität auf der Straße hier habe ich so in Mönchengladbach nicht gekannt“, erinnert sich Sr. Bettina an ihre Anfänge in Frankfurt. Sie machte sich an die Arbeit, diesen Menschen zu helfen.

Seit 2015 arbeitet die Steyler Missionsschwester in Frankfurt am Main. Die Stadt, die vor allem als Finanzmetropole mit den hohen Türmen der Banken bekannt ist, hat auch eine weniger gut situierte Seite. Obdachlosigkeit, Drogenabhängigkeit und Prostitution finden inmitten des Glamours des großen Geldes statt. „Wenn ich im Bahnhofsviertel Menschen mit Spritzen auf der Straße sehe, tut mir das in der Seele und im Körper richtig weh“, sagt Sr. Bettina. Dass sie die Verhältnisse nicht ändern würde, war ihr von Anfang an klar. Aber sie war angetreten, den Menschen zu helfen, einen Ausweg zu finden, wenn sie das wollten – oder ihnen ihr Leben zumindest für ein paar Stunden leichter zu machen.

Die Basis für ihre Arbeit ist St. Andreas in Frankfurt-Sachsenhausen. Hier ist in den vergangenen Jahren ein Netzwerk mit verschiedenen Angeboten entstanden. Begonnen hatte alles mit einer Pommesbude, die noch heute das Herzstück der Arbeit ist. „Wir haben uns überlegt, wie wir den Zugang zu den Menschen finden, die oft ja nicht in die Kirche gehen“, sagt Sr. Bettina. Eine Imbissbude ist ein niedrigschwelliges Angebot, das jedem vertraut ist. Dazu gibt es noch etwas zu essen und das direkt vor der Kirche.
Aber sind Pommes wirklich das geeignete Mittel, um Obdachlosen, Langzeitarbeitslosen und Frauen in der Prostitution zu helfen? Brauchen die nicht eigentlich etwas anderes?

 

„Wir haben anfangs oft gehört, dass das doch kein Mensch braucht“, sagt Sr. Bettina. „Deshalb sind die Pommes so wichtig. Diesen Ticken mehr braucht es für alle, nicht nur für die Wohlhabenden.“ Unter dem Titel „Meet’n’Frites – Schwesternpommes“ (Treffen und Fritten) sind die frittierten Kartoffelstäbchen ein kleiner Luxus im Alltag, der neben Ketchup und Mayo noch ein Gespräch mit seinem Gegenüber bietet. So entsteht über die Pommesschale hinweg Gemeinschaft. Heute gibt es neben der Pommesbude auch ein Kleidercafé mit einer Secondhandboutique, einen offenen Kühlschrank 
gegen Lebensmittelverschwendung, den Bücherschrank und das offene Klavier sowie das Kirchenkino.

Eines der wichtigsten Angebote aber ist das Nachtcafé. Hier finden akut in Not geratene Frauen Aufnahme. „Alle diese Frauen haben traumatische Erlebnisse und sie finden hier einen Schutzraum“, sagt Sr. Bettina Rupp. „Das sind Frauen, die durch alle Hilfsnetze fallen.“ Häufig ist ihr Aufenthaltsstatus ungeklärt, sie kommen aus der Prostitution oder aus gewalttätigen Beziehungen.

Bevor sie nach Frankfurt ging, hat Sr. Bettina in Mönchengladbach gearbeitet. Zusammen mit Edmund Erlemann hat sie den Treff am Kappellchen (TaK) aufgebaut. Das Motto des 2015 gestorbenen Erlemann „Die Kleinen in die Mitte holen“ lebt Sr. Bettina auch in Frankfurt. Die Erfahrungen aus Mönchengladbach hat sie hier eingesetzt und weiter entwickelt. Für ihre Arbeit wurde die Steyler Missionsschwester am 29. November mit dem Maria-Grönefeld-Preis ausgezeichnet.

Als sie den Anruf erhielt, habe sie sich „sehr, sehr“ gefreut, sagt Sr. Bettina. „Ich empfinde es als Ehre. Das Anliegen, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt entsteht, ist wichtig.“ Sie bekomme den Maria-Grönefeld-Preis nicht alleine, sondern auch die vielen Menschen, die sich in den Projekten einbringen, werden geehrt. Das ist Schwester Bettina wichtig. „Es gibt nicht nur die, die nehmen, und die, die geben. Durch die Gemeinschaft, die entsteht, und die Begegnungen gewinnen eigentlich alle.“

Soziale Gerechtigkeit

Schwester Bettina Rupp wurde 1966 in eine Unternehmerfamilie geboren. Sie selbst machte zunächst in einer Bank Karriere. „Damals habe ich gelernt, dass genug Geld da ist“, sagt sie.

Maria Grönefeld (*1941, †1993) engagierte sich für eine menschenwürdige Arbeitswelt, ein christliches Zeugnis, das gesellschaftspolitisch wirkt sowie soziale Gerechtigkeit.