Auffallend: Die Männer sitzen in den Kirchenbänken auf der rechten Seite, die Frauen alle links. Sie beten gemeinsam in Arabisch, ihrer Muttersprache.
Einmal im Monat wird in St. Lambertus Hückelhoven der Gottesdienst in zwei Sprachen gefeiert. „Viele von uns haben noch Familie in Syrien, viele von uns aber haben auch Familie verloren“, erklärt ein Mitglied der syrischen Gemeinde, warum der Gottesdienst für die Menschen wichtig ist. Hier finden sie Halt, sie können sich gegenseitig stützen. Und mit ihrer Muttersprache finden sie hier auch das Gefühl von Heimat, das ihnen Trost gibt. Der zweisprachige Gottesdienst solle den syrischen Christen die Integration erleichtern, sagt Georg Kaufmann, leitender Pfarrer der GdG Hückelhoven. Vor der eigentlichen Messe trifft sich die syrische Gemeinde, um gemeinsam zu beten. Während des deutsch-arabischen Gottesdienstes wird nicht die komplette Liturgie zweisprachig gestaltet, sondern die Lesung und die Fürbitten. Den Anstoß für diese Gottesdienstform gab die Geschichte Hückelhovens. Die Zechenstadt blickt mit dem Bergbau auf eine lange Tradition der Einwanderung zurück. Schon früh haben sich hier Gastarbeiter angesiedelt, die dann blieben und deren Nachkommen hier bereits in der dritten Generation leben – auch Syrer. „Weil hier Syrer seit 30 Jahren leben, sind viele hierhin zu ihren Verwandten geflüchtet, als die Situation in Syrien eskalierte“, sagt Kaufmann.
Der Besuch eines syrischen Geistlichen aus Damaskus und dessen Frage nach einem Gottesdienst in der Tradition des syrisch-malabarischen Ritus gab den Anstoß für den zweisprachigen Gottesdienst. „Ich möchte keine Sondergottesdienste, die einen nicht“, sagt Kaufmann bestimmt.
Weil die syrisch-malabarische Kirche mit Rom uniert ist, sei es kein Problem, den Gottesdienst gemeinsam zu feiern. Zur Vorbereitung hat die GdG 200 Hefte mit Gebeten in Deutsch und Arabisch gekauft. Das Angebot wird gut angenommen: Die syrischen Christen kommen nicht nur aus Hückelhoven, sondern auch aus dem Umland, um an dem Gottesdienst teilzunehmen. Selbst aus den benachbarten Niederlanden machen sich Gläubige nach Hückelhoven auf. Rund 200 syrische Gottesdienstbesucher werden bei den Messen gezählt. Nach den Messen wird noch zu einer Begegnung eingeladen. Mit dem integrativen Charakter zweisprachiger Gottesdienste hat die GdG Hückelhoven schon gute Erfahrungen gemacht: In St. Lambertus wird regelmäßig ein Gottesdienst in Spanisch angeboten, in St. Johannes der Täufer Ratheim findet einmal im Monat ein Gottesdienst in polnischer Sprache statt. Auch die Beichte können Gläubige hier regelmäßig in Polnisch ablegen. Das Angebot wird von vielen Pflegekräften angenommen, die in der Region Heinsberg in Privathaushalten arbeiten. Der Besuch der Messe und das damit verbundene Treffen mit Frauen aus ihrem Heimatland holt sie aus ihrer Isolation. So bekommen sie soziale Kontakte und Zugang zu einem Netzwerk, das ihnen in Krisensituationen helfen kann.
Die zweisprachigen Gottesdienste geben zudem den Einheimischen Gelegenheit, ihre neuen Nachbarn kennen zu lernen. Auch die GdG Giesenkirchen in der Region Mönchengladbach hat damit gute Erfahrungen gemacht. In der Kirche St. Gereon findet regelmäßig ein Gottesdienst der philippinischen Gemeinde statt, den auch die Giesenkirchener gerne besuchen. Bei Gemeindefesten ist die philippinische Gemeinde mit ihren Tänzen und Speisen dabei. Es gibt viele familiäre Verbindungen zwischen den Nationen.
In St. Paul Mülfort hat die Chaldäische Gemeinde im Jahr 2009 eine neue Heimat gefunden. Die Kirche mit den Nebenräumen ist für sie ein Gemeindezentrum geworden. Etwa 1200 Mitglieder zählt die chaldäische Gemeinde in Mönchengladbach, die meisten sind aus dem Irak geflohen. Für die Flüchtlinge in Hückelhoven ist der Gottesdienst auch eine Hilfe, hier anzukommen. Pfarrer Kaufmann beobachtet derzeit, dass viele Syrer nicht mehr damit rechnen, in absehbarer Zeit in ihre Heimat zurückkehren zu können. Der deutsch-arabische Gottesdienst könne auch Motivation sein, sich hier ein neues Leben aufzubauen.