Ein Pumpspeicherkraftwerk im alten Braunkohletagebau?

Fachdiskussion des Diözesanrats der Katholik*innen in der Dürener Marienkirche lotet Perspektiven für das Rheinische Revier aus. Bundesweite Fastenaktion für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit.

Professor Dr. Horst Schmidt-Böcking (Mitte, im Bild mit Horst Lambertz, links, und Moderator Linus Platzer) hält die Braunkohletagebaue für die „letzte Chance“, Pumpspeicherkraftwerke mit nennenswerter Kapazität in Deutschland zu bauen. (c) Stephan Johnen
Professor Dr. Horst Schmidt-Böcking (Mitte, im Bild mit Horst Lambertz, links, und Moderator Linus Platzer) hält die Braunkohletagebaue für die „letzte Chance“, Pumpspeicherkraftwerke mit nennenswerter Kapazität in Deutschland zu bauen.
Datum:
1. Apr. 2025
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 14/2025 | Stephan Johnen

Kann die Energiewende in Deutschland gelingen? „Energie haben wir im Überfluss“, macht sich Professor Dr. Horst Schmidt-Böcking von der Goethe Universität Frankfurt am Main mit Blick auf die Erzeugung mittels Windkraftanlagen, Photovoltaik und Biomasse jedenfalls keine Sorgen. Doch großen Überschüssen tagsüber stehen große Defizite in der Nacht gegenüber. Neben diesen Schwankungen gibt es auch windstille oder wolkenverhangene Tage. „Die Energiewende kann nur gelingen, wenn es große Speicher für elektrische Energie gibt“, bilanzierte der Physiker. Sein Lösungsvorschlag: Die großen Tagebaulöcher mit ihren starken Höhendifferenzen nutzen, um dort Pumpspeicherkraftwerke zu installieren. „Die Restlöcher sind die letzte Chance in Deutschland, diese ebenso bewährte wie preiswerte Technologie zu nutzen“, lud der Wissenschaftler in der Marienkirche zu einer Beschäftigung mit dieser Idee ein.

Der Diözesanrat der Katholik*innen im Bistum Aachen hatte im Rahmen einer bundesweiten Fastenaktion für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit zu einer Fachdiskussion eingeladen, die von Linus Platzer (NABU NRW) moderiert wurde. Auf dem Podium saßen neben Horst Schmidt-Böcking auch Hendrik Stemann, Leiter Tagebauplanung RWE, Horst Lambertz (Grüne), stellvertretender Landrat des Rhein-Erft-Kreises und Madeleine Wörner, Referentin für Politik und Globale Zukunftsfragen/Energie beim Bischöfliches Hilfswerk Misereor. Die zentrale Frage des Abends: Bieten sich Pumpspeicherkraftwerke als Perspektive für das Rheinische Revier an?

Pumpspeicherkraftwerke speichern Energie, wenn sie nicht abgerufen wird, und geben Energie ab, wenn sie gebraucht wird. Dafür wird Wasser in einen „Obersee“ gepumpt, bei Bedarf kann das Wasser unter Ausnutzung des Höhenunterschieds von 400 Metern wieder in den Untersee zurückfluten, wobei in Wasserturbinen elektrische Energie erzeugt wird. Aktuell gebe es in Deutschland Speicherkapazitäten von rund 38 Gigawattstunden. Ins Netz integrierte chemische Batterien machten einen Anteil unter einem Gigawatt aus. Diese Kapazitäten müssten auf 200 bis 400 Gigawattstunden ausgebaut werden. „Wir müssen uns darüber klar sein, dass das Land viel Geld wird aufbringen müssen. Solche Investitionen kann kein privater Investor in Angriff nehmen, weder die Leitungen, noch den Bau der Speicher“, fügte der Wissenschaftler hinzu.

Sein Lösungsvorschlag: Im Tagebau Hambach ein Pumpspeicherkraftwerk errichten, bei dem ein Teil der Manheimer Bucht als Oberbecken genutzt wird und Betonkavernen als Unterbecken. Diese bis zu 150 Meter hohen Betonbauwerke würden nach einer Befüllung des Sees unterhalb der Wasserlinie liegen, der vollkommen geschlossene Wasserkreislauf des Kraftwerks hätte keine Auswirkungen auf den Füllstand des Sees und die dort vorgesehene Freizeitnutzung. Eine Inbetriebnahme könne auch schon vor der Flutung stattfinden. Ganz NRW könne „bis zu 16 Stunden“ aus dem Speicher mit Strom versorgt werden.

Weitere Vorteile aus Sicht des Wissenschaftlers: Die Lebensdauer der Turbinen liegt bei 80 bis 100 Jahren, während Lithium-Ionen-Speicher alle 15 Jahre ausgetauscht werden müssten. Die Technik sei ausgereift und energieeffizient. „Der verwendete römische Beton hätte eine Lebensdauer von 1000 Jahren, nicht wie unsere Autobahnbrücken, die nur 50 Jahre halten“, sagte  Horst Schmidt-Böcking augenzwinkernd. Die Kavernen könnten „fast ausschließlich mit lokal verfügbaren und unkritischen Rohstoffen“ gebaut werden, 95 Prozent der Wertschöpfung fände in Deutschland statt.

„Das ist bergbaulich nur schwer umsetzbar“, bilanzierte Hendrik Stemann, Leiter Tagebauplanung RWE. (c) Stephan Johnen
„Das ist bergbaulich nur schwer umsetzbar“, bilanzierte Hendrik Stemann, Leiter Tagebauplanung RWE.

„Pumpspeicherkraftwerke sind ein interessantes Konzept, das einen Großteil der Speicherproblematik lösen könnte, aber im Tagebau nicht realisierbar“, brachte Hendrik Stemann die Position des Tagebaubetreibers auf den Punkt. Die über 100 Meter hohen Kavernen könnten auf Sand, Kies und Lockergestein nicht vernünftig gegründet werden. Jedenfalls nicht ohne sehr großen technischen Aufwand. „Das ist bergbaulich nur schwer umsetzbar“, sagte Stemann. Hinzu komme, dass das gesamte Planungsverfahren neu aufgerollte werden müsste, um den Bau solcher Pumpspeicherkraftwerke mit dem Bergrecht zu vereinbaren.

 

Ab 2030 sollen die Tagebaue geflutet werden, Stemann rechnet jedoch allein mit „10 bis 15 Jahren“ für die Umplanung – zuzüglich Bauzeit. „Die ganze Region wartet darauf, dass es eine Nachfolgelandschaft geben wird“, sagte er. Der Tagebaubetreiber habe aber bis Ende 2024 bereits Windkraftanlagen mit 200 Megawatt Leistung und 140 Megawatt Photovoltaik installiert. Diese Kapazitäten sollen deutlich ausgebaut werden. Geprüft werde auch, ob mehrere hintereinander platzierte Laufwasserkraftwerke an der Einleitungstrasse nicht schon beim Befüllen des Sees die Wasserenergie nutzen können.

Madeleine Wörner gab in der Diskussion zur Speichertechnik zu bedenken, dass die dafür benötigten Rohstoffe „zum Teil unter katastrophalen Umständen in fragilen Staaten gewonnen werden“ und es häufig zu Menschenrechtsverletzungen komme. Sie forderte in Deutschland eine bessere Einbindung und Beteiligung der Menschen vor Ort. „Politische und unternehmerische Verantwortung müssen ins Gleichgewicht gebracht werden“, sagte sie.

Kein Verständnis für die ablehnende Haltung des Tagebaubetreibers hatte Horst Lambertz. „Endlich ist es soweit, dass man eine gangbare Lösung gefunden hat, um die Überschüsse in den Mittagsstunden auffangen zu können.“ Er forderte ein Gutachten zur Machbarkeit ein. „In Dubai wurde mit dem Burj Khalifa ein 828 Meter hohes Gebäude in den Sand gestellt. Da werden wir auch auf Schluff und Ton bauen können“, ist er überzeugt. Zum Thema Genehmigungsverfahren rief er in Erinnerung, „wie schnell die Anlandung von Flüssiggas möglich war“.

„Das Thema Speicher wird uns in Deutschland beschäftigen. Es ist das große Geschäft der Zukunft und eine große Aufgabe für die Landesenergieversorgung“, war Hendrik Stemann einer Meinung mit den Befürwortern von Pumpspeicherkraftwerken. RWE werde die Pläne aber nicht verfolgen. „Ein Scheich mag sich ein Denkmal setzen, aber es ist für uns nicht wirtschaftlich. Und ich habe technische Bedenken für die Umsetzung.“