Ein Ort, wo Kinder „wohnen“

Mit „Mobisatt“ hat die Aktion Mobifant in Krefeld eine feste Anlaufstelle. Im Sommer wird diese mobil

Das Team des Sattmobils „Rübe“, v. l.: Reno Müller, Lydia Müller, Tanja Kirsch-Boy (Leitung Kindertafel der Tafel Krefeld e.V.), Thomas Jansen (Leiter der Spielaktion Mobifant). (c) Dirk Jochmann
Das Team des Sattmobils „Rübe“, v. l.: Reno Müller, Lydia Müller, Tanja Kirsch-Boy (Leitung Kindertafel der Tafel Krefeld e.V.), Thomas Jansen (Leiter der Spielaktion Mobifant).
Datum:
10. Apr. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 15/2024 | Chrismie Fehrmann

Viele Kinder haben nach der Schule keine Möglichkeit, nach Hause zu gehen, Mittag zu essen und Hilfe bei den Hausaufgaben zu bekommen. Sie sitzen buchstäblich auf der Straße und haben Hunger. In Krefelds Innenstadt sorgt „Mobisatt“ für Abhilfe. Hierfür schlossen sich die Kindertafel und die Aktion Mobifant, die zum Trägerwerk für kirchliche Jugendarbeit im Bistum Aachen in der Region Krefeld gehört, zusammen.

Der Raum für dieses Angebot liegt im früheren CVJM-Haus am Westwall 37–39, mitten in der Stadt, wo der Bedarf groß ist. Die Vereinigung hat das Gebäude vor einiger Zeit satzungsgemäß an einen Verein mit sozialer Arbeit weitergeben. Die Tafel samt Kindertafel zogen ein.

Im Hinterhaus führt eine Treppe ins erste Stockwerk. Da liegt der Bereich, der ganz den Kindern gehört. Es ist ein riesiger heller, 200 Quadratmeter großer Raum mit Parkettboden und schönen alten Fenstern. Er war ziemlich ramponiert und musste hergerichtet werden.
Im hinteren Bereich bietet er Platz für die Einbauküche, in der täglich frisch und international gekocht wird. An diesem Tag gibt es Gemüseeintopf. Die Köchin der Kindertafel steht am Herd. Beatrice hat nicht nur einen sicheren und aufmerksamen Blick in die Töpfe, sondern auch auf die Kinder.

„Anfänglich nahmen etwa zehn Mädchen und Jungen das Angebot an, dann waren es 30, und nun freuen sich täglich über 60 kleine Besucher darüber, nach der Schule eine feste Anlaufstelle zu haben“, berichten Tanja Kirsch-Boy, die Leiterin der Kindertafel ,und Thomas Jansen von der Aktion Mobifant.

Beide wissen: „Der Bedarf wächst, die feste Heimstatt ist wichtig, um dort einige Stunden ,zu wohnen‘.“ Es geht also nicht nur um die regelmäßige gesunde Mahlzeit.
„Wenn die Kinder gegen Mittag kommen, erhalten sie zuerst einen Snack in Form von Obst oder Rohkost“, berichtet Kirsch-Boy. „Dann heißt es für sie Silentium, oder türkisch: Sessizlik, Zeit um runter- und anzukommen. Um 14. 30 Uhr steht ein warmes Essen auf dem Tisch.“

Jansen: „Danach folgt die verlässliche Hausaufgabenbetreuung. Sind Mathe und Deutsch erledigt, können die Kinder dort im Winter ein Angebot wählen.“ Alles erfolgt nach den Richtlinien der pädagogischen Jugendarbeit. Jansen: „Die Kinder können drucken oder malen, für den Zirkus Poverello üben, tanzen oder turnen. Außerdem haben wir es geschafft, die größte Lego-Ecke Krefelds zu haben.“

Thomas Jansen und Tanja Kirsch-Boy in der Küche von Mobisatt am Westwall. (c) Andreas Drabben/samla.de
Thomas Jansen und Tanja Kirsch-Boy in der Küche von Mobisatt am Westwall.

Die engagierten Verantwortlichen – drei pädagogische Mitarbeiter plus Beatrice im Haus – haben stets einen wachsamen Blick auf ihre Gäste. „Da war beispielsweise Greta, sieben Jahre alt, ein aufgewecktes, fröhliches Mädchen. Es war plötzlich ruhig, wollte weder essen noch spielen. Wir nahmen die Kleine in den Arm, fragten sie, wo es hakt, und sie berichtete, dass sie in der Schule von einem Jungen geärgert wird. Er habe sie geschubst und den Tornister versteckt“, berichtet Jansen. „Wir führten ein Gespräch mit dem Schulsozialarbeiter. Danach war Ruhe und Greta wieder fröhlich.“

Zwar ist Mobisatt für Kinder zwischen drei und 14 Jahren gedacht, doch die Türe steht auch Älteren offen. „Uns erreichte beispielsweise die Anfrage eines 27-jährigen Syrers, der Hilfe beim Sprachkurs und beim Übersetzen von Schriftstücken brauchte. Klar, dass wir ihm halfen. Wir haben auch öfter Jugendliche  im Haus, die arbeiten wollen.“
Mobisatt würde gerne Kontakt zu Handwerkskammern und Innungen aufbauen. „Wenn sie uns Stellen mit einfachen Aufgaben für junge Leute anbieten könnten, wäre das toll.“ Bei all diesen Aufgaben sei klar: Das Haus habe zwar eine Kernzeit für die Betreuung, die werde aber oftmals ausgedehnt.

Dass so viele Kinder kommen, hat einen weiteren Grund: „Wir haben mit Mobifant einen großen Bekanntheitsgrad, da wir im Sommer wöchentlich in einem Stadtteil mit Förderbedarf um die Häuser ziehen“, erklärt Jansen. „Wir kümmern uns und helfen hier auch bei Hausaufgaben, Defiziten und Problemen, bieten aber keine Offene Ganztagsschule (OGS) an und sind kein Jugendzentrum.“ Natürlich stehen auch Spiele auf dem Programm.

Jetzt gibt es für die Sommeraktionen ein tolles weiteres Angebot: Mobisatt wird mit dem neuen Sattmobil, Zweitname „Rübe“, an besondere Einsatzpunkte fahren. „Mit Hilfe dieses alten Feuerwehrautos werden keine Brände mehr bekämpft. Mit seiner Ladung werden jetzt Hunger und Durst von Kindern gelöscht“ sagen die Verantwortlichen.
Der Oldtimer von 1952 ist ein wahrer feuerroter Hingucker und trägt das Kennzeichen KR-SM 112H. SM steht natürlich für „Sattmobil“. Es hat 80 PS unter der Haube, ist ein Benziner und hat 30000 Kilometer auf dem Tacho. Sein Telefon mit Hörer auf dem Armaturenbrett ist rot.

Lydia und Reno Müller, die Organisatoren der Messe „Krefelder Gartenwelt“, haben diesen Oldtimer an Tanja Kirsch-Boy übergeben. „Wir freuen uns sehr, wenn wir den Wagen noch künftig in der Stadt sehen, unterwegs für den guten Zweck“, erklärt das Paar.
In der warmen Jahreszeit wird das „Sattmobil“ also zu bestimmten Punkten in der Stadt fahren. „Wir bemerken oft, dass die Kinder, schlecht gelaunt und aggressiv sind, wenn sie zu uns kommen Ein leerer Bauch spielt nicht gerne. Hier schafft nun das ,Sattmobil‘ Abhilfe, das Essen vom Westwall an Bord hat.“

Es fährt nicht nur zu den Standpunkten von Mobifant, sondern auch zum Spiel ohne Ranzen oder in der dritten Ferienwoche in die Ferienstadt Crefeldia 2024 auf dem Gelände des Freizeitzentrums Süd. „Wir werden mit der Kindertafel mobil“, freuen sich die Verantwortlichen.

Bei seinen Einsätzen wird es am Feuerwehrauto, das zuletzt als Streetfood-Wagen gedient hat, stets eine warme Mahlzeit, frisches Obst, gesunde Snacks oder leckere Stullen geben. Während im hinteren Bereich des Wagens noch Platz zum Basteln und Kinderschminken besteht, geht es vorne lustig zu. Es erklingen nicht nur die alte Sirene, sondern auf Knopfdruck auch die Geräusche von Tieren, wie Krähen, Bellen oder Wiehern.
Tanja Kirsch-Boy, die Leiterin der Kindertafel weiß, wie wichtig die Arbeit mit den Kindern ist, um ihrer Tagesobdachlosigkeit und dem Hunger zu begegnen. „Wir freuen uns immer, wenn Besucher vorbeikommen und gute Lebensmittel vorbeibringen“, sagt sie.  

www.tafel-krefeld.de
Ansprechpartner für weitere Info: jansen@traegerwerk-krefeld.de