Ein Licht für andere sein

Aachener „Friedensmahl der Religionen“: Was können Religionen in diesen Zeiten zur Hoffnung beitragen?

Gott ist Licht und entzündet in denen, die an  ihn glauben, ein Licht, um es in die Welt zu tragen. (c) Rebecca Peterson Hall/unsplash.com
Gott ist Licht und entzündet in denen, die an ihn glauben, ein Licht, um es in die Welt zu tragen.
Datum:
28. Feb. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 09/2024 | Andrea Thomas

Die Tage werden wieder etwas länger, die Nächte kürzer. Und doch braucht es dieser Tage zusätzliches Licht, so düster erscheinen sie uns mit all den Kriegen und Konflikten. Konflikte, in denen auch die Religionen eine oft unrühmliche Rolle spielen. Dabei ist Friede eine Kernbotschaft aller großen Religionen.

Die Tische beim Friedensmahl im Alten Kurhaus waren vollbesetzt, sogar zusätzliche Stühle waren  nötig. (c) Andrea Thomas
Die Tische beim Friedensmahl im Alten Kurhaus waren vollbesetzt, sogar zusätzliche Stühle waren nötig.

Trennendes überwinden und Verbindendes sehen und stärken, das ist seit vielen Jahren Ziel des „Dialogs der Religionen“ in der Stadt Aachen. Einen wichtigen Beitrag leistet dazu jedes Jahr das „Friedensmahl der Religionen“ im Ballsaal des Alten Kurhaus. Hier kommen Menschen aus allen in der Stadt vertretenen Religionsgemeinschaften – katholisch, evangelisch, freikirchlich, jüdisch, muslimisch, buddhistisch – zusammen, um zu essen, zu reden und einander und den Glauben des anderen besser kennenzulernen.

„Wer zusammen an einem Tisch sitzt und isst, der führt keinen Krieg gegeneinander“, beschreibt es ein Teilnehmer. Außerdem spricht man nicht mit vollem Mund, muss also auch mal dem anderen zuhören. Was beim „Friedensmahl“ mit seinem reichhaltigen und abwechslungsreichen Buffet – zubereitet von den Mitgliedern des Arbeitskreises „Dialog der Religionen“ – zu mehrfachem Erkenntnisgewinn führt. Wenn man offen ist, lernt man neue Geschmacksrichtungen kennen und bekommt Einblicke in die Traditionen, Schriften und Glaubensauslegungen der anderen Religionsgemeinschaften.

Mit Blick auf die Zeiten, in denen wir leben und in denen solche Begegnungen wichtiger sind denn je, stand das zwölfte „Friedensmahl“ unter dem Gedanken „Immer brennt ein Licht – was können Religionen in schwierigen Zeiten zur Hoffnung beitragen?“. Zum Beispiel zusammenkommen und genau darüber gemeinsam nachdenken, reden und überlegen, wo Menschen aus ihrem Glauben heraus zu einem Licht für andere werden. „Friede“ sei ein Wort, das uns so wertvoll sei und das doch aktuell so wenig genannt werde, sagte Aachens stellvertretende Bürgermeisterin Hilde Scheidt in ihrer Begrüßung. „Wir haben alle solche Sehnsucht nach Frieden, nichts ist Menschen wichtiger. Friede ist so wertvoll und so wenig selbstverständlich.“ Vor fast 25 Jahren seien Menschen zusammengekommen, um darüber miteinander zu reden und zu schauen, was sie gemeinsam haben. Ein Dialog, der bis heute besteht und Hoffnung gibt. „Hoffnung“, auch das, erklärt Hilde Scheidt, sei ein Wort, das uns wertvoll geworden sei.

Wertschätzender Umgang, Unterschiede akzeptieren

Lichtertüten mit Zitaten aus den Schriften der einzelnen Religionen schmücken die Tische. (c) Andrea Thomas
Lichtertüten mit Zitaten aus den Schriften der einzelnen Religionen schmücken die Tische.

An den zehn Tischen im Saal entstehen schnell intensive Gespräche. „Licht“ spielt in allen Religionen eine große Rolle: Gott ist Licht und gibt sein Licht an uns, damit wir es weitergeben und für andere Licht werden. Licht in sich zu tragen, heiße Freude auszustrahlen in eine zunehmend traurige, gestresste und aggressive Welt. Das gelte für Christen, Juden und Muslime gleichermaßen.

„Es ist viel Unfriede in der Welt, vieles, was trennt, aber wir hier in Aachen versuchen, Brücken zu bauen“, sagt eine Teilnehmerin. Und das sei gut. Es wird durchaus diskutiert an diesem Nachmittag, aber der Umgang miteinander ist wertschätzend. Unterschiedliche Sichtweisen und Ansichten werden nebeneinander stehengelassen und toleriert. Es sind die Glaubensaussagen, die sich ähnlich sind, die im Vordergrund stehen. Im Vorfeld hatte der ausrichtende Arbeitskreis die verschiedenen Gemeinden gebeten, Zitate aus ihren Schriften zum Thema „Licht“ auf Papiertüten zu schreiben, die mit einem (batteriebetriebenen) Teelicht als Tischdeko dienen.

Ins Gespräch kommen, die eigene Blase verlassen

Ihre Gedanken zum Thema haben die einzelnen Tischgruppen auf Karten festgehalten. (c) Andrea Thomas
Ihre Gedanken zum Thema haben die einzelnen Tischgruppen auf Karten festgehalten.

Bewusst ist dabei auf eine Zuordnung verzichtet worden, und es fällt schwer zu sagen, steht der Satz nun im Koran, in der Bibel, in der Thora…? Allen Religionen sei gemeinsam, dass ihre Gläubigen auf der Suche nach Gott seien, nach Sinnstiftung und Frieden. Jeder Mensch sei mit dem anderen verbunden.

Um ganz konkret Licht und Frieden in die Welt zu bringen, so die übereinstimmende Ansicht, ist es wichtig, noch mehr ins Gespräch zu kommen, seine eigene Blase zu verlassen und etwas über den anderen zu lernen. Wir wüssten immer noch zu wenig voneinander. Gemeinsam Gottesdienst zu feiern sei schwierig (hier dominieren noch mehr die Unterschiede), doch gemeinsam zu beten, zum Beispiel für Frieden – das sei möglich, sagt eine muslimische Teilnehmerin. Ein weiterer Vorschlag ist, die Türen der Gotteshäuser und Gemeindezentren für die Menschen anderer Religionen und Konfessionen zu öffnen, ihnen den eigenen Glauben zu erklären. Und auch unverkrampfter damit umzugehen, nicht gleich beleidigt zu sein, wenn der andere etwas nicht versteht oder anders glaubt und denkt, sondern dies so stehen zu lassen. Friede fängt im Kleinen an, um zu wachsen, genauso wie schon ein kleines Licht die Dunkelheit etwas heller macht, bis viele kleine Lichter sie immer mehr zurückdrängen.