Seelsorger und Künstler – für Pfarrer Herbert Falken war dies nie ein Gegensatz. Im Gegenteil: „Je mehr ich religiös wurde, je mehr drängte es mich zu gestalten. Je mehr ich gestaltete, desto religiöser wurde ich“, betonte der „Grenzgänger“ – wie ihn Adam C. Oellers, bis 2014 stellvertretender Museumsdirektor der städtischen Museen in
Aachen, einmal bezeichnete. Im Alter von 91 Jahren ist Herbert Falken am Dienstag, 31. Oktober 2023, verstorben.
Herbert Falken war Grenzgänger in vielerlei Hinsicht: zwischen Kirche und Kunst, zwischen Malerei und Zeichnung, aber auch in allen gesellschaftlichen Bereichen – stets streitbar und mit einem wachen Blick. „Ich will nicht immer das Richtige malen, ich will das zeichnen, was mich bewegt“, betonte der Künstler. Er war dabei immer auf der Suche nach dem Christusbild, „aber ich komme immer wieder aus bei dem Menschenbild“. Und das beginne erst einmal bei ihm selbst. „Ich bin kein Glaubensillustrator – indem ich ich bin, muss etwas von mir herüberkommen.“
Schon früh erkannte der Aachener Kunstsammler Peter Ludwig das Potenzial des Künstlers und erwarb bereits 1960 ein Werk Falkens. Zwischen den beiden Männern entwickelte sich eine enge Freundschaft. Auch die Direktoren des Suermondt-Ludwig-Museums schätzten die Arbeiten von Falken. Wie etwa Ernst Günther Grimme, der das Museum von 1966 bis 1990 leitete und Herbert Falken in seinem Schaffen unterstützte. Heute befinden sich rund 80 Werke des Künstlers in der Sammlung des Suermondt-Ludwig-Museums, darunter so bekannte Zyklen wie „Scandalum crucis“ (1969).
Die Katholische Fakultät der Universität zu Bonn verlieh ihm 1998 die Ehrendoktorwürde. Seit Ende 2010 hängt im Gang der Fakultät ein großformatiges Ölbild von Herbert Falken. Dargestellt ist der harfenspielende David vor König Saul, den man allerdings vergeblich sucht: Sein Thron ist leer. Das aus dem Besitz des früheren Dombaumeisters Leo Hugot stammende Bild von 1970 verstört und ist für manchen vielleicht sogar ein Stein des Anstoßes: Aber genau das soll es auch sein. Kunst soll Debatten und Dialog auslösen. Auch das ist Herbert Falken vielerorts gelungen.
Professor Frank Günter Zehnder, ehemaliger Leiter des Rheinischen Landesmuseums Bonn, würdigte das Œuvre des Künstlers: „Herbert Falken ist der bedeutendste deutsche spirituelle Maler der Gegenwart“, betonte Zehnder bei der Laudatio anlässlich der Verleihung des vom Kreis Düren gestifteten Kunstpreises im Jahr 2007 an Herbert Falken. Seine Werke seien „dialogfähig, herausfordernd und kontemplativ zugleich“. Wer sich auf Falkens Kunst einlasse, begebe sich in einen Kreis vergessener und übersehener Themen, nehme mehr lang wirkende Fragen als schnelle Antworten wahr. Der Künstler sei ein Suchender; Grübeln und Jubeln stünden in seinen Werken nah beieinander. „Seine Bilder machen sinnlich wahrnehmbar, was man in der Realität nicht sehen, ja vielleicht nur erahnen kann. Ohne seine Kunst wäre unsere Sicht auf die Welt und vor allem über diese hinaus wesentlich ärmer“, betonte Frank Günter Zehnder.
Obwohl Autodidakt, ging Falkens Ausstrahlung weit über den rheinischen Raum hinaus. Seine Bildzyklen spiegeln jeweils eine Entwicklung wider, ein Ringen um das Thema, es gibt in ihnen keinen eindeutigen Ausdruck: So ist beim „Jakobskampf“, einem seiner bekanntesten Werke, nicht erkennbar, wer der Engel und wer Jakob ist. In einem Interview mit der KirchenZeitung sagte Herbert Falken einmal: „Meine Bilder müssen durch die Verzweiflung hindurch, dann erst werden sie gut.“ So verschwimmen auch in seinem bekanntesten Werk die Grenzen, die der Grenzgänger Herbert Falken selbst immer gedankenschwer überschritten hat.
Nach seiner Priesterweihe 1964 war Herbert Falken zunächst Kaplan in Uerdingen, dann von 1968 bis 1977 Seelsorger in St. Gregorius Aachen, von 1977 bis zu seiner Pensionierung 2004 war er Pfarrer in Schevenhütte. Bischof Klaus Hemmerle ermöglichte Falken 1975 die Einrichtung seines Ateliers in Langenbroich. Vor wenigen Jahren zog Herbert Falken in eine Senioreneinrichtung nach Düren.
In der Eifel lebte und arbeitete der Künstler in direkter Nachbarschaft zum Schriftsteller Heinrich Böll, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband. Zurückgezogen und nach einer strengen Ordnung habe er sein Leben geführt, erzählte Falken einmal: Von Freitagmittag bis Montagabend kam er seinen Pflichten als Pfarrer in Schevenhütte nach; Montagnacht bis Freitagmittag war er ausschließlich Künstler. „Dann hatte mich keiner zu stören – außer wenn einer starb.“