Die Diskussion um Flucht, Fluchtursachen und Begrenzung der Migration beherrschen derzeit unsere Nachrichten. Auch die immer neuen Nachrichten um die Kriege im Gaza-Streifen und in der Ukraine reißen nicht ab. In Willich-Anrath rückte ein Land in den Mittelpunkt, das aus den Nachrichten weitgehend herausgerückt ist: der Sudan.
Tombe Trille Kuku, Bischof der Diözese El Obeid, und Father Biong Kwol Deng, Sekretär der Bischofskonferenz im Sudan, bereisen derzeit Deutschland, um auf die Situation in ihrem Heimatland aufmerksam zu machen. Auf Einladung der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB), Bezirk mittlerer Niederrhein, und der Christlich-Demonkratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) sprachen die beiden auch in der Josefshalle Willich-Anrath.
Die Diözese El Obeid, für die Bischof Tombe zuständig ist, umfasst 888 939 Quadratkilometer, das sind etwa knapp die Hälfte des gesamten Landes. Etwa 300 000 bis 400 000 Christen leben dort, darunter 140 000 Katholiken verteilt auf 17 Pfarreien und 371 Gebetszentren. Die Diözese teilt sich in drei Verwaltungseinheiten: Die Nubaberge, Darfur und El Obeid. Der Großteil des Pastoralpersonals hat die Diözese aufgrund der Kriegshandlungen verlassen. 42 Priester der Diözese leisten noch Dienst in den Nubabergen, in denen seit 2017 relative Ruhe herrscht. In El Obeid sind nur noch vier Preister mit dem Bischof verblieben.
Bischof Tombe berichtet, dass die Diözese seit 1983 immer auf einem der pastoralen Gebieten Krieg erlebt habe. 1983 bis 2005 betraf es vor allem die Nubaberge, die in den Konflikt mit dem Südsudan verwickelt waren, der sich 2011 unabhängig erklärte. Im Juni 2011 erklärte die sudaneische Regierung den Nubabergen den Krieg und startete mehrere Luftangriffe. Dieser Krieg wurde als „heiliger Krieg“ bezeichnet, denn die muslimische Regierung kämpfte gegen die „ungläubigen“ Christen in der Region.
Der Darfur-Konflikt, der seit 2003 schwelt und im April 2023 wieder voll ausgebrochen ist, ist ein Konflikt zwischen zwei islamistischen Gruppen, die um Wohlstand und Macht kämpfen. Lange war die Region um die Hauptstadt Khartum von den Kriegshandlungen unbehelligt geblieben. Doch seit 2023 ist auch sie massiv von den Kriegshandlungen betroffen. „Alle Kirchen in Darfur sind zerstört und ihres Eigentums beraubt“, erzählt Bischof Tombe. Die Priester wurden in die Nubaberge evakuiert, die Bevölkerung floh zum Teil in den Tschad oder in den Südsudan. Beides sind Länder, die hochgradig politisch instabil sind.
Auch in den Nubabergen leben aktuell über 800 000 Gflüchtete aus anderen Regionen. Ihre Situation ist ernst: „Die Menschen, die dort leben, haben selbst kaum etwas“, sagt Bischof Tombe. Hinzu kommen jetzt Menschen aus Khartum. „Das ist auch ein Problem, denn sie sind Muslime und sprechen kein Englisch“, erklärt Father Biong, der vor kurzem noch die Region besucht hatte. Es fehlt am Nötigsten, Menschen leiden an Hunger und Durst, es fehlen medizinische Versorgung und Bildungsmöglichkeiten für die Kinder. Christen betreffe das noch einmal stärker, denn das Ministerium für Religion unterstütze nur Muslime, erklärt Bischof Tombe: „Es werden Steuern von Muslimen für Muslime erhoben.“
Das pastorale Personal, das noch in der Region geblieben ist, versucht, die Menschen zu unterstützen und ihnen Hoffnung zu geben. Für Kinder öffnen die Einrichtungen, die noch halbwegs intakt sind, ihre Türen, um ihnen tagsüber eine Beschäftigung zu geben. Doch auch das sei in Gefahr. „Seit 19 Monaten haben die Beschäftigten der Verwaltung keinen Lohn mehr erhalten. Mir fehlt das Geld für pastorales Personal in den besetzten Gebieten. Wir können unsere ureigene Arbeit nicht machen“, unterstreicht BiIschof Tombe.
Außerdem gebe es seit 19 Monaten kein fließendes Wasser mehr, die Kommunikation ist zusammengebrochen. Der Kontakt wird, so gut es geht, telefonisch aufrechterhalten. Jetzt, wo Bischof Tombe für zwei Wochen auf Auslandsreise ist, weiß niemand in der Diözese, wo er ist. Kontakt zu ihm zu halten ist unmöglich, denn die Handys funktionieren in einem Netz außerhalb des Sudans nicht. Bischof Tombe hat sich auf den Weg gemacht, um die Menschen im Sudan wieder mehr in die Köpfe der Menschen in der westlichen Hemisphäre zu holen. Denn aus eigenen Kräften lässt sich die Not nicht mehr lindern.
Aus der Region Kempen-Viersen unterstützen das Medikamentenhilfswerk Action Medeor aus Tönisvorst und die Leprahilfe Willich-Schiefbahn Projekte in dem von Krieg und Konflikten geschütteltem Land. Seit 2012 haben diese beiden Organsiationen bereits 352000 Euro Spenden gesammelt. Action Medeor unterstützt außerdem mit Medikamenten und Ausrüstung das Mother of Mercy Hospital, das in den Nubabergen liegt und vom Arzt Tom Catena geleitet wird. Auch KAB und CDA wollen mit Partnern aus der Region das größte Krankenhaus in den Nubabergen unterstützen und die Ausbildung von Personal für die unter Druck stehenden christlichen Gemeinden ermöglichen.
Zu den am häufigsten behandelten Krankheiten zählen Malaria, Lungenentzündungen und Magen-Darm-Infektionen, die unbehandelt oft tödlich enden. Das Krankenhaus verfügt zudem über eine Lepra-Station und eine Prothesen-Werkstatt. Aufgrund der hohen Minenverseuchung im Sudan werden auch viele Menschen behandelt, die Arme oder Beine verloren haben. Doch die Lieferungen gestalten sich schwierig, berichtet Stefan Marx von Action Medeor, der Bischof Tombe und Father Biong auch als Dolmetscher begleitet. Derzeit ist Regenzeit im Sudan und die Landwege sind unpassierbar. Andere Möglichkeiten, wie eine mobile Klinik in Libyen, in der sudanische Geflüchtete behandelt werden können, würden derzeit geprüft.
Zum Abschluss hatte Bischof Tombe eine Bitte an seine rund 40 Zuhörerinnen und Zuhörer: „Setzen Sie sich bei Ihrer Regierung dafür ein, dass alle diplomatischen Bemühungen in Anspruch genommen werden, um die Kriegsparteien davon abzuhalten, Verbrechen zu begehen und ihre Bürgerinnen und Bürger zu töten.“