Seit 4. Juli zieht eine Gruppe Pilgernde von Gorleben durch das Land. Ziel ist Lützerath, das kleine Dorf an der Kante des Tagebaus Garzweiler II. Mit dem „Kreuzweg für die Schöpfung“ wollen die Frauen und Männer auf die Umweltzerstörung und die Folgen für die Menschen aufmerksam machen. Am 1. August wird ihre letzte Etappe durch das Bistum Aachen führen.
Das gelbe Kreuz ist ihr Erkennungszeichen. Schon von weitem ist das 2,30 Meter hohe Kreuz zu sehen. Wie viel es wiegt, weiß keiner so genau. Jonas schätzt, dass es etwa 15 Kilo sein dürften. Er hat es oft auf den Schultern. Eine Last, die nichts ist im Vergleich zu dem, was die Menschen erwartet, wenn es kein Umdenken in der Klimapolitik gibt, findet der 27-Jährige. Mit der Hochwasserkatastrophe sei das Bewusstsein dafür nochmal gestärkt worden. „Von Anfang an sind wir auf großes Verständnis gestoßen“, berichtet Jonas. „Aber jetzt ist die Zustimmung überwältigend, wenn wir erzählen, dass wir zur größten CO2-Quelle Europas gehen.“
In 26 Etappen hat sich die Pilgergruppe den Weg aufgeteilt. Inklusive dreier Ruhetage ist sie 30 Tage unterwegs. Ihre letzte Etappe führt sie durch das Bistum Aachen: vom Nikolauskloster in Jüchen bis zum Tagebau direkt in das Dorf Lützerath bei Erkelenz/Kreis Heinsberg. „Jeden Tag schließen sich Menschen unserer Gruppe an, um einen Teil des Weges mitzugehen“, erzählt Jonas. Die Kerngruppe, die den gesamten Weg geht, bilden sieben Frauen und Männer im Alter von 25 bis 62 Jahren. Besonders an Wochenenden aber bekommen die Pilgerinnen und Pilger zahlreiche Gesellschaft. „Dann kann es sein, dass sich uns über 50 Leute anschließen“, beobachtet der 27-Jährige. Die Angst um die Schöpfung und damit um die Lebensgrundlage der Menschen bewegt die Teilnehmenden generationsübergreifend. 5-jährige Kinder laufen genauso ein Stück mit wie über 80-jährige Senioren.
Mit ihrem „Kreuzweg für die Schöpfung“ stellt sich die Gruppe in die Tradition des zivilen Widerstands. Schon 1988 machten sich Gegnerinnen und Gegner gegen Atomkraft mit einem Kreuz auf den Weg: Damals gingen sie von Wackersdorf, dem geplanten Standort einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage, über 1200 Kilometer nach Gorleben, dem geplanten Standort des Endlagers. Mehr als 6000 Menschen beteiligten sich damals.
Aus diesem Grund wurde Gorleben zum Startpunkt des gegenwärtigen Kreuzwegs gewählt. Wie damals ist auch heute der christliche Glaube der Beweggrund für den Weg. Und wie damals berichten die Pilgernden über viele freundliche Begegnungen mit Menschen in den Orten, in denen sie Station machen. Es wird zusammen gesungen, gebetet und Gottesdienst gefeiert.
Aber wie ihre Vorbilder müssen die Pilgernden auch heute die Erfahrung machen, dass nicht alle die friedlichen Absichten verstehen. In Hamm sei es zu einem Polizeieinsatz gekommen, an dessen Ende es zwei Verletzte gab, berichten sie auf ihrer Website. Es ist nicht die erste, aber die heftigste Begegnung mit der Polizei auf ihrem Weg. Denn nicht immer wird die Gruppe als religiöse Pilgergruppe eingestuft. In Hamm führte das Plakat mit Papst Franziskus’ Worten „Diese Wirtschaft tötet“ dazu, dass die Polizei die Gruppe als unangemeldete politische Demonstration ansah.
Solche Konfrontationen erlebt man auch immer wieder am Rande des Tagebaus. Für die Pilgerinnen und Pilger ist das kein Grund aufzugeben. Vor den Toren der Großschlachterei Tönnies haben sie auf einem schmalen Grünstreifen eine Andacht gehalten. „Es geht uns darum, auf den Umgang mit der Umwelt und den Tieren hinzuweisen“, betont Jonas. „Das Wohlergehen einiger weniger in der Wirtschaft kann ja nicht Sinn und Wille Gottes sein.“ Gerade der christliche Glaube gebiete es, jetzt für den Klimaschutz und damit für den Erhalt der Schöpfung aufzustehen.
Die Pilgergruppe hat daher entschieden, ihre Gottesdienste öffentlich abzuhalten – bevorzugt an öffentlichen Orten wie Marktplätzen und an solchen, an denen Zerstörung stattfindet. Das bringt die Situation nicht nur in das Bewusstsein von Passanten. Es zeigt Kirche auch als offene Gemeinschaft, der man sich anschließen kann.
Am Samstag, 31. Juli, wird die Pilgergruppe kurz vor 18 Uhr im Nikolauskloster Jüchen erwartet, wo sie unter freiem Himmel einen Gottesdienst feiert. In Zelten werden die Pilgernden dort übernachten und sich am Sonntag, 1. August, schon um 8.30 Uhr auf den Weg Richtung Lützerath machen. Um 17 Uhr startet in Keyenberg die Prozession nach Lützerath über Feldwege nahe der Tagebaukante.
Wer sich der Gruppe anschließen möchte, findet alle Informationen zu den Etappen unter
www.kreuzweg-gorleben-garzweiler.de