Ein Juwel strahlt ins Land

Reichlich Lob erhielt die Aachener Domsingschule zu ihrem 50-jährigen Bestehen

Domkantor Marco Fühner macht mit der Klasse 2b Rhythmusübungen nach dem Bildungsprogramm der US-Amerikanerin Justine Ward. (c) Domkapitel Aachen/Carl Brunn
Domkantor Marco Fühner macht mit der Klasse 2b Rhythmusübungen nach dem Bildungsprogramm der US-Amerikanerin Justine Ward.
Datum:
6. Okt. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 40/2021 | Gerd Felder

„Die Domsingschule ist ein Solitär, und solche Solitäre brauchen wir. Sie ist nicht nur für Aachen ein Juwel.“ Sibylle Keupen, Aachens grüne Oberbürgermeisterin, zeigte der Domsingschule deutlich ihre Wertschätzung: „Das ist eine Schule, die Aachen ganz besonders braucht. Sie ist wichtig für die Vielfalt der Schullandschaft.“

Zum goldenen Jubiläum der Domsingschule sind verschiedene Merchandising-Artikel erschienen. (c) Domkapitel Aachen/Andreas Steindl
Zum goldenen Jubiläum der Domsingschule sind verschiedene Merchandising-Artikel erschienen.

Viel Lob gab es für die Domsingschule, als sie kürzlich mit einem Festgottesdienst im Dom und einer Feierstunde im eigenen Haus ihr 50-jähriges Bestehen feierte. Vonseiten des Schülerparlaments wollte man da nicht nachstehen: „Die Domsingschule ist ein ganz besonderer Ort, an dem man Freunde finden, zusammen lernen und spielen kann.“ „Das gemeinsame Singen begleitet uns jeden Tag. Wir finden die Schule schön, kommen gern hierher und fühlen uns hier wohl.“ 

Rektorin Irma Wüller, die seit 2010 als erste Frau die Schule leitet, betonte, das Jubiläum sei nicht nur eine schöne runde Zahl, sondern stehe für viele Menschen, die in der Domsingschule die wichtigste Zeit ihres Lebens verbracht hätten oder dies noch täten. „Wir können uns intensiver musikalischer Ausbildung widmen, die Kindern Praxis im Gesang und instrumental bietet“, freute sich die Schulleiterin. Bei allem, was sich äußerlich und innerlich verändert habe, sei bei vielen die starke Prägung durch die Schulzeit geblieben.

„Es ist eine wunderbare Aufgabe, Jungen und Mädchen auf ihrem Lebensweg zu begleiten, mit ihnen über Werte und Überzeugungen zu sprechen und sie für die Musik zu begeistern.“ Dass in der Corona-Zeit das Singen aus der Mitte der Schule verbannt worden ist, habe ganz besonders geschmerzt. „Hoffen wir, dass es irgendwann wieder ganz unbefangen möglich sein wird“, verlieh Irma Wüller ihrer Zuversicht Ausdruck. 

Mehrere Vorgängerbauten 

Die heutige Domsingschule hatte mehrere Vorgängerbauten. Nach den Zerstörungen im Krieg wurde 1957 die Errichtung des heutigen markanten Gebäudes mit seinen drei gezackten Giebeln in Angriff genommen. Im September 1960 wurde Einweihung gefeiert. Mit dem Neubau wurden zwei Großräume, nämlich ein Probensaal im Erdgeschoss für das morgendliche Einsingen und alle Proben sowie eine Aula im Obergeschoss für Konzerte, Feiern und größere Veranstaltungen geschaffen. 

Die Domsingschule wurde zunächst als städtische Volksschule für katholische Schüler mit jeweils einer Klasse für den dritten und vierten Jahrgang eingerichtet, die der städtischen katholischen Volksschule St. Michael (Jesuitenstraße) angeschlossen war. Zum kommissarischen Leiter wurde Domvikar Rudolf Pohl bestellt. Die erste Einschulung erfolgte am 1. April 1961 mit Herbert Havertz als erstem Klassenlehrer. Ab 1969 erfolgte die Erweiterung um eine erste und zweite Klasse, sodass die Schule ab 1971 als eigenständige Grundschule geführt werden konnte. Für das Schuljahr 1969/70 beantragte das Domkapitel die Erweiterung auf vier Jahrgänge, so dass Jungen schon ab dem ersten Schuljahr in die Domsingschule aufgenommen werden konnten. 

Nachdem die räumlichen Voraussetzungen geschaffen waren, war es ein naheliegender Schritt, auf die Eigenständigkeit der Domsingschule hinzuwirken. Für die Anerkennung als Ersatzschule musste ein besonderes pädagogisches Interesse nachgewiesen werden, was wegen der einzigartigen musikalischen Ausbildung auch gelang. Seit dem 1. August 1971 ist die Domsingschule eine private Grundschule in der Trägerschaft des Aachener Domkapitels. „Die Eigenständigkeit bedeutete, dass die Domsingschule eigene Schwerpunkte setzen und sich dazu bekennen konnte“, kommentierte Irma Wüller diese Entwicklung beim Festakt.

Als ehemaliger Schüler erinnerte sich Michael Karhausen an seine Einschulung 1971, als er, wegen seiner dünnen Beine mit einer Strickhose bekleidet, beim damaligen Domkapellmeister Rudolf Pohl das Lied „Ein Elefant wollt’ bummeln gehen“ vorsingen musste. „Wir waren damals nur Jungs, und da war viel Dampf in der Klasse und auf dem Schulhof“, erinnerte sich Karhausen. „Es wurde viel gerauft und Blödsinn gemacht.“ Das Schönste war für ihn, dass der Dom als eine Art erweitertes Klassenzimmer genutzt wurde. „Mich hat immer fasziniert, dass er voller Mythen und Geschichten ist“, schwärmte er. „Es war toll, dort oft unterwegs zu sein.“  

Kein „Untergang des Abendlandes“

Am 28. Mai 2011 fand im Aachener Dom die Gründungsfeier des Mädchenchores statt: die jungen Sängerinnen inmitten der Mädchenchöre aus Köln, Paderborn, Münster und Mainz. (c) Domkapitel Aachen/Andreas Schmitter
Am 28. Mai 2011 fand im Aachener Dom die Gründungsfeier des Mädchenchores statt: die jungen Sängerinnen inmitten der Mädchenchöre aus Köln, Paderborn, Münster und Mainz.

Von 1988 bis 1991 wurde die Schule mit der Unterstützung des damaligen Dompropstes Hans Müllejans weiter ausgebaut. Nach dem Wegfall des Samstagsunterrichts ergab sich ab 2000 die Einrichtung der Domsingschule als Ganztagsschule, 2002 wurde sie als gebundene Ganztagsschule genehmigt. Mit dem Schuljahr 2008/09 wurden erstmals Mädchen an der Domsingschule aufgenommen, was, wie der frühere Schulleiter Gerhard Dünnwald es formulierte, damals von manchen als „Untergang des Abendlandes“ betrachtet wurde. „Ohne gutes Einvernehmen zwischen Lehrer-, Schüler- und Elternschaft wäre so etwas nie gegangen“, räumte Dünnwald ein. 

Maria Hopmann, 2008 unter den ersten Mädchen, die die Domsingschule aufnahm, und heute dem Mädchenchor angehörend, war in der Feierstunde voll des Lobes über die „sehr familiäre Atmosphäre“, die ihr geholfen habe, schnell in die Gemeinschaft hineinzukommen. „Es gab keine großen Differenzen bei den Interessen, und der Einstieg ist mir sehr leicht gefallen“, erinnerte sie sich. Was sie am meisten schätze, sei die Tatsache, dass die Gemeinschaft von damals bestehen geblieben sei. „Ohne Domsingschule wäre ich nicht so viel am Dom wie jetzt.“ 

Der amtierende Schulpflegschaftsvorsitzende, Marco Polo, zeigte sich voll des Lobes über das „ganz tolle Team in Schulleitung, Verwaltung und bei den Betreuungskräften“. Er schätze besonders, dass es an der Domsingschule mehr Disziplin gebe als anderswo, Persönlichkeiten sich dort ausprägen könnten und man durch die Schule bestens über die Stadt vernetzt sei. „Ich wollte immer mal mit dem Karnevalszug gehen, und das hat die Schule möglich gemacht“, freute sich Polo. Domkapellmeister Berthold Botzet fasziniert an der Domsingschule die vielen unendlich lernfähigen Menschen. „Wir legen eigentlich nur Schokoladenstückchen aus und schaffen Begeisterung für die Musik und musikalische Kontexte.“ Der Knaben- und der von ihm maßgeblich gegründete Mädchenchor sängen beide auf sehr hohem Niveau und könnten gleichermaßen die Menschen berühren. „Aber Jungenstimmen im Alter von 9 bis 13 Jahren sind ein bisschen klarer und deutlicher im Ton, und das macht den besonderen Reiz eines Knabenchors aus“, urteilte Botzet.

Dass auch die Zukunft sorgenfrei ist, bewiesen beim Festakt die originellen Beiträge des Mädchenchors am Aachener Dom (etwa mit der gesungenen Parole „Üben, üben, üben, immer schön üben“) wie auch der Fünftklässler und ehemalige Schüler Matthias Hansen auf der Blockflöte und die Drittklässlerin und „Jugend musiziert“-Gewinnerin Xuerui Huang mit ihrer virtuosen Klavierdarbietung. „Ich denke, der Grund, warum das Domkapitel eine Domsingschule unterhält, und die Gewissheit, dass die Domsingschule eine Zukunft hat, sind heute mehr als deutlich geworden“, stellte ein glücklicher Dompropst Rolf-Peter Cremer am Ende fest.