Friedlich plätschert die Inde durch den Ortskern von Kornelimünster. Kaum vorstellbar, dass sie sich vor einem guten Jahr innerhalb von Stunden in einen reißenden Strom verwandelt hat, der eine Spur der Zerstörung hinterlassen hat. Betroffen war neben vielen Privathäusern und Geschäften auch die Propsteikirche St. Kornelius.
Pfarrer Michael Marx ist erst seit November 2021 in der GdG Himmelsleiter, zu der Kornelimünster gehört. Die Flut und die Tage danach hat er selbst nicht miterlebt, kennt nur die Fotos und Videos. Die längerfristigen Folgen kennt er dafür inzwischen um so genauer. Gemeinsam mit GdG-Leiter Andreas Möhlig begleitet er die Arbeiten in und um die denkmalgeschützte Basilika. „Hier sieht man noch gut, wie hoch das Wasser gestanden hat“, sagt er und zeigt auf die gelbbraunen Spuren an einer Wand der Korneliuskapelle. Die liegt etwas höher als der Rest der Kirche, wo das Wasser zwei Meter hoch gestanden hat, die Bänke geschwommen sind, die Fenster in der Krypta vom Wasser rausgedrückt wurden und alles von Feuchtigkeit durchzogen worden ist: Altäre, Beichtstühle, das historische Chorgestühl, Kirchenbänke…
Zunächst habe alles trocknen müssen, was Zeit gebraucht habe. Nun müsse begutachtet werden, ob und welche Folgeschäden dabei unter anderem am hölzernen Inventar, wie dem Korneliusaltar, den Beichtstühlen oder dem Chorgestühl, entstanden sind. „Da müssen wir mit den Fachleuten ganz genau hinschauen: Was war vorher, was sind Folgen und wie sollte jetzt vorgegangen werden“, erläutert Michael Marx. Das Reinigen und Restaurieren der wertvollen Stücke ist ein vorsichtiges Herantasten. Da steuerten auch die Handwerker wertvolles Wissen bei, da viel von ortsansässigen (Familien-)Betrieben gemacht wurde, die noch wüssten, wie etwas aufgebaut wurde oder was bei einer Restaurierung gemacht worden sei.
Es gibt aber auch schon erste Arbeiten, hinter die ein Häkchen gemacht werden kann: Ein Teil des alten Steinbodens ist wieder instandgesetzt, Platten sind ausgetauscht und gereinigt worden. Auch die kaputten Fenster in der Krypta konnten mit Hilfe der Firma Glasmalerei Oidtmann bereits repariert werden. „Die haben die Fenster wieder toll hinbekommen, aber man sieht, wenn man gut guckt, was neu ist“, erläutert Michael Marx. Die äußeren Bedingungen bei der Glasherstellung lassen sich nie hundertprozentig reproduzieren, weshalb es leichte Abweichungen in der Farbe geben kann. Auch zwei der gut 60 Kirchenbänke sind bereits restauriert worden, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie aufwendig das sein wird und welches Verfahren hier das beste ist. Fest steht bereits, dass sie nicht alle in die Kirche zurückkehren werden.
Ein solches Jahrhundert-Schadensereignis bietet nämlich auch Möglichkeiten. „Wir haben jetzt die Chance zu schauen, was wir verändern können, um die Kirche den heutigen liturgischen Bedürfnissen anzupassen“, sagt Pfarrer Marx. Schließlich soll St. Kornelius nicht als Kunstschatz und historisches Baudenkmal, das die Kirche zweifellos ist, wieder instandgesetzt werden, sondern als Pfarrkirche mit Gemeindeleben. Ein erster Schritt war, das Taufbecken aus dem Eingang ins Seitenschiff zu versetzen. Hier ist dann auch eine Bestuhlung statt Bänken angedacht. Überlegt wird auch, das Chorgestühl nach seiner Restaurierung etwas tiefer aufzubauen und wie die Reliquien der Kirche, die zu einem großen Teil in der Krypta ausgestellt waren, Menschen noch einmal anders zugänglich zu machen – Stichwort Barrierefreiheit. Auch bei der Technik (Beleuchtung, Ton- und Mikrofonanlage) sowie der Heizung bietet sich die Möglichkeit, die Kirche auf einen neuen und klimafreundlicheren Stand zu bringen.
Viel zu tun also, denn in nicht ganz einem weiteren Jahr ist Heiligtumsfahrt in Kornelimünster. „Das ist unser Ziel, bis dahin wieder in die Kirche zu können, auch wenn dann noch nicht alles fertig ist. Aber sie zumindest wieder nutzen zu können, das wäre ein wichtiges Zeichen, das auch den Menschen in der Gemeinde Halt und Stütze gibt“, ist Michael Marx sicher. Einige hätten in den vergangenen Monaten die Bergkirche, die als Gottesdienst-Ausweichquartier dient, neu für sich entdeckt und schätzen gelernt. Doch bei vielen fühle man auch die Sehnsucht, in ihre Pfarrkirche zurückkehren zu können. Zur Korneli-Oktav in diesem Jahr wird das noch nicht gehen, aber vielleicht für den ein oder anderen Gottesdienst im Winter. „Ohne Heizung ist es in der Bergkirche doch arg frisch.“
Die Heiligtumsfahrt hat daher einen symbolischen Wert für die Menschen in der Gemeinde, die die Flut hart getroffen hat. Sie gut zu begleiten, war neben
der Kirche die zweite „Baustelle“.
Ein besonderer Dank gelte da Pfarreirats- und Caritasausschuss-Mitglied Veronika Rütters-Kreiten, die sich als selbst Betroffene um vieles gekümmert habe. „Da ging es um Soforthilfe, wo nötig, um finanzielle und ganz viel um seelische Unterstützung“, sagt Michael Marx. Das Geschehene zu verarbeiten, brauche Zeit. Ein
schönes Zeichen sei, dass langsam das Leben in den Ort zurückkehre, Cafés und Geschäfte wieder öffneten – ein Jahr danach.