Gelegentlich müssen auch schwer zugängliche Dinge mal sauber gemacht und nachgesehen werden. Nützt ja nix, wenn man noch eine Weile Freude dran haben will. Wo im Haushalt dann die Treppenleiter zum Einsatz kommt, braucht es bei Kirchen schon ein Gerüst – und einen Kran. Zumindest wenn man wie jetzt in Kornelimünster eine Figur vom Dach herunterholen will.
Genauer gesagt die Figur des heiligen Kornelius, von März 251 bis Juni 253 Bischof von Rom, Namensgeber für den heutigen Stadtteil von Aachen und Pfarrpatron der dortigen Propsteikirche, in der auch seine Reliquien verehrt werden. In Lebensgröße steht sie auf der Korneliuskapelle der Kirche in geschätzt 20 Metern Höhe. Von hier aus schaut der Heilige golden glänzend mit päpstlicher Tiara, Stab und Korneliushorn den Blick gen Osten gewandt über Kornelimünster und das Umland. Es scheint, als wache er über die Menschen, die zu seinen Füßen leben. Ein zutiefst beruhigendes Gefühl, wie nicht nur Michael Marx, seit Kurzem Pfarrvikar in Kornelimünster, findet. Viele aus der Gemeinde hätten nach der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr gemeint, diese sei schlimm gewesen, aber Kornelius habe sie doch vor noch Schlimmerem bewahrt.
Und nun soll er von seinem angestammten Platz herunter, um ihn zu reinigen und zu sanieren. Eine Aktion, die seit drei Jahren geplant ist. Weil ein Gerüst in der Größenordnung nicht ganz billig ist – rund 500000 Euro soll das gesamte Vorhaben kosten, von denen 150000 Euro der Bund beisteuert – sollen außerdem Schäden an Dach, Fenstereinfassungen und Mauerwerk begutachtet und behoben werden (Bild 1).
Herunterholen wird Kornelius Dachdeckermeister Christian Koenn. Für ihn nicht die erste Aktion dieser Art, aber immer wieder spannend, denn es ist Arbeiten mit diversen Unbekannten. Erst wenn sie vor Ort seien, könnten sie sehen, wie der Zustand der Figur ist, und im Fall von Kornelius, wie sie befestigt ist. So ganz genau weiß das auch Felix Körfer, stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstands von St. Kornelius, nicht, der sich im Vorfeld mit der Geschichte der Figur vertraut gemacht hat.
Seit dem Jahr 1708 thronte der Vorgänger des heutigen Kornelius auf der Kapelle, gefertigt aus Eichenholz und mit Gold überzogen. Der habe1802 seinen Kopf verloren, erzählt Felix Körfer. „Im Jahr zuvor war der letzte Abt des Klosters gestorben...“ 1894 neigte sich die Laterne dann bedenklich. Ein Abriss der Kapelle wurde in Erwägung gezogen – und glücklicherweise nicht umgesetzt. Stattdessen bekam Kornelius einen Blitzableiter durch sein Inneres gezogen und wurde von außen versiegelt. Was ihm nicht gut bekam, weshalb er (vermutlich in den 1970ern) gegen eine originalgetreu nachgebildete Figur aus Gießharz ersetzt wurde.
Der hat sich Christian Koenn mit einer an einem Kran hängenden Gondel inzwischen genähert (Bild 2) und dockt hinter ihr an. Zuerst wird der Bischofsstab entfernt, dann wird vorsichtig die Befestigung, ein metallener Zapfen und Schrauben, gelockert. Damit Kornelius dabei und später beim Transport nach unten nicht runterfallen kann, geht Christian Koenn mit ihm auf Tuchfühlung und legt ihm einen Gurt um die Brust (Bild 3).
„Hat etwas von Höhenrettung“, lautet ein Kommentar in der kleinen Gruppe, die das Spektakel von unten beobachtet und in Bild und Video festhält.
Christian Koenn dreht, wackelt und übt Druck auf die Figur aus, bis die sich schließlich bewegt. Vorsichtig fahren seine Kollegen die Gondel höher (Bild 4), und dann schwebt Kornelius in den blauen Himmel über Kornelimünster (Bild 5). Stets gut festgehalten von seinem „Flugbegleiter“. Auf dem Boden wird die zwischenzeitlich angehaltene Luft wieder ausgeatmet. Ging ja doch besser als befürchtet. Die Kameras klicken hektisch.
Denn schon nähert sich die Gondel dem Boden (Bild 6). Heil angekommen wird sie hier begeistert und neugierig in Empfang genommen. Für Michael Marx, der die Aktion für das Pastoralteam begleitet, ein toller Moment, dem Heiligen auf Augenhöhe zu begegnen. Und auch ein ernüchternder: Einerseits ist die Figur bis auf hier und da ein paar abgestoßene Ecken noch heil. Andererseits ist sie doch auch sehr mitgenommen von Wind, Regen und Dreck. Das Gold ist stumpf, Moos und Schmutz haben sich in Tiara und Mantelfalten gesetzt. Nun ist die Restauratorin gefragt, ihn wieder zum Glänzen zu bringen, ehe es zurückgeht aufs Dach.