Schweigend verfolgen die Zuschauer die gut zweistündige Prozession durch Maastrichts Straßen. Für die Musikgruppen und Chöre brandet ab und zu Applaus auf. Der „Ommegang“, eine prächtige Prozession durch die Straßen Maastrichts, gehört zu den Höhepunkten der Maastrichter Heiligtumsfahrt, die in diesem Jahr zum 55. Mal stattgefunden hat. Die Maastrichter ehren damit ihren Stadtpatron, den heiligen Servatius von Tongeren, der später Bischof von Maastricht wurde und der auch für die Niederlande eine besondere Bedeutung hat. Zum ersten Mal nimmt an dieser Heiligtumsfahrt auch das Bistum Aachen offiziell teil. Eine Delegation des Diözesanverbandes der St.-Sebastianus-Schützenjugend (BDSJ) trägt in der Prozession das Aachener Friedenskreuz, das kurz zuvor noch auf dem Katholikentag in Münster ausgestellt war.
Außerdem wird eine Wallfahrt aus den grenznahen Regionen des Bistums, aus Heinsberg, Aachen-Land und Aachen-Stadt, organisiert. Rund 100 Pilgerinnen und Pilger nehmen dieses Angebot an. Darunter auch Elisabeth Bomble aus Aachen. Sie hat vor vier Jahren die Heiligtumsfahrt in Aachen miterlebt und freut sich jetzt auf viele Eindrücke aus Maastricht. Auch Holger de Lamboy ist mit dabei. In seiner Heimatgemeinde St. Gregor von Burtscheid organisiert er eine Familienwallfahrt nach Trier. Jetzt freut er sich darauf, einfach nur erleben zu dürfen. Zu Beginn feiern alle Pilger gemeinsam mit Bischof Helmut Dieser einen Gottesdienst in der Klosterkirche Hl. Carolus Borromeus. Mit dabei sind noch einmal rund 100 Wallfahrer aus dem Stadtdekanat Bonn.
Dann wird es langsam ernst für die Jungschützen aus den Bezirken Stolberg, Morschenich bei Merzenich und Bogheim bei Kreuzau. Seit dem frühen Morgen sind sie auf den Beinen und unterwegs. Das Friedenskreuz aus Aachen abholen, aufbauen, in den Gottesdienst tragen. Jetzt stärken sie sich noch einmal mit Gulaschsuppe, bevor es auf die gut zweistündige Strecke durch Maastrichts Straßen geht. „Kraft ist kein Problem“, meint Finn Dohmes lächelnd. Er ist einer der Kreuzträger. Aber er hat sich, wie seine Kollegen auch, inhaltlich auf seine Aufgabe vorbereitet und etwas über die Geschichte des Aachener Friedenskreuzes und seine Bedeutung gelesen. „Es war keine Überlegung, als man uns gefragt hat, ob wir das machen“, erzählt Markus Weenen, stellvertretender Vorsitzender der BDSJ. „Der BDSJ hat ein eigenes Verbandskreuz, quasi ein kleines Friedenskreuz, das zu den verschiedenen Veranstaltungen reist. Dass wir jetzt das große Friedenskreuz tragen, ist schon etwas Besonderes.“
Dann heißt es auch schon Aufbruch zum Sammelplatz, um sich für den „Ommegang“ aufzustellen. „Doe goed en zie net om“ (Tue Gutes und blick nicht zurück) lautet das diesjährige Motto der Heiligtumsfahrt, in Anlehnung an das von Papst Franziskus ausgerufene Jahr der Barmherzigkeit. Gleichzeitig erinnern die Organisatoren der Heiligtumsfahrt, der Verein „Het graf van Sint Servaas“, damit an den verstorbenen Maastrichter Dekan Mathieu Hanneman. In sechs Teile gliedert sich die Prozession, Bläser und Chor eröffnen mit dem offiziellen „Servatiuslied“, dann schließt sich ein Teil an, bei dem Laiendarsteller biblische Szenen nachstellen und die sieben Werke der Barmherzigkeit präsentieren. Im dritten Teil, der „Pilger aus der ganzen Welt“ darstellt, sind auch die Jungschützen aus Aachen dabei.
Den Abschluss bilden die letzten beiden Teile, bei denen für Maastricht bedeutende Reliquien aus der Schatzkammer der Sint Servaasbasiliek und natürlich die Servatiusreliquien, Büste und Schrein, im Volksmund „Noodkist“ genannt, weil er auch in Zeiten schwerer Not durch Maastricht getragen wird, zuletzt 1991 während des Irak-Kriegs. Viele Eindrücke – visuell wie akustisch – prasseln auf den Betrachter ein. Gelegenheit, ruhig zu werden, ist bei der anschließenden Gebetszeit in der Basilika, wo der Schrein zur stillen Verehrung ausgestellt ist. Auch die Rückfahrt nach Aachen bietet Gelegenheit zur Reflexion: „Wunderschön“, meint Elisabeth Bomble im Rückblick.