Ein Fachbuch für Kinder

„Das Jahr, in dem es anders war“, erklärt kindgerecht, was zu tun ist, wenn Eltern psychisch erkranken

(V. l.:) Anna Ern, Propst Thomas Eicker, Lena Menden, Andreas Wittrahm, Achim Wolters und Verena Klingen. (c) Kathrin Albrecht
(V. l.:) Anna Ern, Propst Thomas Eicker, Lena Menden, Andreas Wittrahm, Achim Wolters und Verena Klingen.
Datum:
22. Juni 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 25/2022 Kathrin Albrecht

Auch, wenn sich vieles zum Positiven verändert hat – über eine psychische Erkrankung sprechen ist noch immer nicht leicht. Vor allem dann nicht, wenn man als Kind erkennen muss, warum Mama oder Papa plötzlich anders sind als früher. Die Katholische Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Kempen hat jetzt ein Kinderbuch vorgelegt, das erklärt, wie Kinder in so einer Situation gut für sich sorgen können und wo sie Hilfe bekommen. 

(c) Kathrin Albrecht

Das Kinderbuch mit dem Titel „Das Jahr, in dem es anders war“ haben Anna Ern und Lena Menden erarbeitet, die beide als Psychologinnen in der Beratungsstelle tätig waren beziehungsweise sind. Die Idee zum Buch entstand aus internen Beratungen heraus, erzählt Achim Wolters, Leiter der Beratungsstelle, um die Arbeit der Beratungsstelle einmal anders zu präsentieren und dazu beizutragen, psychische Erkrankungen weiter zu enttabuisieren. Rund zwei Jahre dauerten die Arbeiten am Buch. Anna Ern lieferte die Zeichnungen, Lena Menden die Texte.

Das Buch erzählt kindgerecht die Geschichte von Ron und seinen Eltern. Erst ist alles gut. Ron geht mit seinem Papa im Sommer gerne ins Schwimmbad. Doch im Herbst wird Papa krank. Danach ist nichts mehr wie früher. Papa macht sich Sorgen, dass er wieder krank werden könnte, fängt wie verrückt an, die Wohnung zu putzen und hat für Ron keine Zeit. Auch gibt es jetzt öfter Streit zwischen Mama und Papa. Einzig dem Familienhund Pepper kann sich Ron anvertrauen. Auch in der Schule läuft es nicht gut, bis eine Lehrerin ihn darauf anspricht, ob etwas los sei. Sie rät der Familie, zu einer Beratungsstelle zu gehen. Hier erkennt Ron, dass er mit seinem Problem nicht allein ist und dass es Wege gibt, wie er mit seiner Situation umgehen kann. „Das Buch orientiert sich bewusst an den Jahreszeiten. Zum einen beschreibt es gut einen für Kinder fassbaren Zeitraum. Dann hat es auch eine symbolische Ebene. Am Ende des Buches ist wieder Frühling. Es ist zwar nicht alles gut, doch die Familie hat sich wieder stabilisiert“, erzählt Anna Ern. Ergänzend zum Kinderbuch haben Achim Wolters und die Sozialpädagogin Verena Klingen für Eltern und Fachkräfte ein Begleitheft mit weiteren Informationen zum Thema psychische Erkrankungen sowie zu Hilfsangeboten in der Region verfasst.

Psychische Erkrankungen, führt Achim Wolters aus, seien inzwischen Volkskrankheiten. Verschiedene Untersuchungen zur Erhebung der Jahresprävalenz psychischer Erkrankungen zeigen, dass rund 18 Millionen oder etwas mehr als ein Viertel der erwachsenen Menschen in Deutschland im Laufe eines Jahres an einer psychischen Erkrankung leiden. Ungefähr noch mal ein Viertel davon erkranken so schwer, dass fachliche Hilfe oder eine Behandlung notwendig wird. Die häufigsten Störungsbilder dabei seien Angststörungen, Depressionen und Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit. „Wenn man diese Zahlen umrechnet, hat ungefähr jedes zehnte Kind ein Elternteil mit einer psychischen Erkrankung“, fügt Andreas Wittrahm vom Verein zur Förderung der Caritasarbeit im Bistum Aachen hinzu. 

Kernarbeit ist die  Begleitung von Familien

Der Verein hat das Buchprojekt finanziell unterstützt, ebenso wie die GdG Kempen/
Tönisvorst, die regelmäßig Spenden für Projekte der Beratungsstelle und in den vergangenen zwei Jahren auch für das Buch gesammelt hat. „Wir sehen die Beratungsstelle als Teil der Gemeinde. Da gibt es viele, die an dem Thema interessiert sind und betroffene Familien unterstützen möchten“, unterstreicht Propst Thomas Eicker, Leiter der GdG und der Propsteipfarrei St. Mariä Geburt Kempen.

Andreas Wittrahm gefällt an dem Buch, dass es „erklärt, ermutigt, aber auch Eigeninitiative einfordert“. Das Buch arbeitet ohne erhobenen Zeigefinger, was allen am Projekt Beteiligten besonders wichtig ist. „Niemand ist schuld an der Situation. Aber es ist uns auch wichtig, Kindern zu vermitteln, dass sie nicht diejenigen sind, die die Situation heilen können“. betont Lena Menden.

Das Kinderbuch erscheint in einer Auflage von 1800 Exemplaren, das Begleitheft in einer Auflage von 750. Es wird zunächst an Netzwerkpartner in der Region über die Beratungsstelle Kempen und über den Verein zur Förderung der Caritasarbeit verteilt.

Die Kernarbeit der Beratungsstelle in Kempen ist die Begleitung von Familien bei Fragen und Problemen rund um die Themen Familie und Erziehung. Eltern, Fachkräfte, aber auch Jugendliche, junge Erwachsene und Kinder können sich mit ihren Fragen an die Beratungsstelle wenden. Neben Einzelberatungen, Familientherapie und der Prävention und Begleitung von Familien im Rahmen des Kurses „Kinder im Blick® – ein Kurs für Eltern in Trennung“ ist der Schwerpunkt das Projekt „Baum-Haus“, das Hilfen für Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil anbietet. Kern des Projektes ist das Gruppenangebot, bei dem sich Kinder untereinander austauschen oder einfach nur eine gute Zeit im geschützten Raum verbringen können. Diese Sitzungen will die Beratungsstelle nach den Sommerferien ab dem 20. August in einem neuen Format anbieten. Statt wie bisher 10 bis 12 kürzere Sitzungen soll es nun an vier Samstagen jeweils von 10 bis 14 Uhr eine längere Sitzung geben. Das sei vor allem für Familien, in denen die psychische Erkrankung ohnein schon eine große Belastung im Alltag darstellt, einfacher zu organisieren. Daneben besteht auch ein Abhol- und Bringdienst für Kinder, für die sonst eine Teilnahme nicht zu organisieren ist. 

Weitere Informationen zum Kinderbuch und zum Projekt „Baum-Haus“ gibt es unter www.caritas-ac.de/eb-kempen.