Das Leben auf der Straße ist hart. Jeden Tag müssen sich Wohnungslose ihr Überleben neu organisieren. In der Jugendkirche St. Albertus wird ihnen dieser Überlebenskampf vom Caritasverband mit einem Essensangebot nun etwas erleichtert.
Kilian hebt seinen Pulli und zeigt seinen Rücken. Sechs rosa glänzende Narben sind da zu sehen, symmetrisch in zwei Reihen rechts und links von der Wirbelsäule. Der Beweis für die Rückenoperation im Dezember. Als er aus dem Krankenhaus zurückkam, war die Wohnung wieder weg. Seinen Job hatte er schon vorher verloren. Eineinhalb Jahre schien es, als ob er es geschafft hätte. Nach sechs Jahren auf der Straße fand er eine Wohnung und einen Job. Aber wegen der Drogen, von denen Kilian abhängig ist, ist nun alles wieder futsch.
Kilian erzählt das bei einem Teller Grünkohl mit Mettwurst. Er sitzt an einem Ende des langen Tischs, am anderen Ende sitzt Patrick. Auch Patrick lebt seit zwei oder drei Jahren auf der Straße. So genau weiß das der 29-Jährige nicht mehr. Die beiden sind an diesem Dienstag die ersten Gäste des Mittagstischs der Caritas Mönchengladbach. Seit einer Woche bietet sie zwei Mal in der Woche ein warmes Essen für Obdachlose an. Bei der Premiere ließen sich zehn Wohnungslose Gulasch mit Nudeln schmecken.
Acht Bierzelttische hat das Caritas-Team in der Jugendkirche St. Albertus aufgestellt. An jedem Tisch steht an den Kopfenden jeweils ein Stuhl. Auf diese Weise können zwei Gäste Platz nehmen und sich noch mit genügend Abstand unterhalten. „Wir können 32 Essen ausgeben“, sagt Sozialberaterin Carmen Rosendahl-Küpper. Zusammen mit ihrer ehrenamtlichen Kollegin Gabi Lieven wirbt sie bei ihrer Arbeit in der Schuldner- und Sozialberatung in Eicken für das neue Angebot an der Albertusstraße.
Den Dienstag und den Donnerstag hat das Caritas-Team gewählt, weil es im Bruno-Lelieveld-Haus montags, mittwochs und freitags eine warme Mahlzeit für Wohnungslose gibt. „Auf diese Weise haben wir die Woche abgedeckt“, sagt Hildegard van de Braak, Bereichsleiterin beim Caritasverband. Das neue Angebot sei entstanden, weil Corona die Not der Wohnungslosen nochmals verschärft habe. Die enge Zusammenarbeit mit dem Verein Wohlfahrt, Träger des Bruno-Lelieveld-Hauses an der Erzbergerstraße, habe dazu geführt, ein zusätzliches Angebot zu schaffen.
Gekocht wird das Essen in der Küche des Caritaszentrums Rheydt. Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter bringt es in die Jugendkirche. „Um die Abläufe corona-konform zu gestalten, bieten wir Tellergerichte an“, erklärt van de Braak. Das Essen wird an den Tisch gebracht. Nachdem der Gast den Tisch verlassen hat, wird der Platz desinfiziert.
Am Eingang empfängt Eberhard Boekers die Gäste mit dem Fieberthermometer. „35,9“, murmelt er und fragt dann nach dem Namen. Jeder Gast wird registriert. Wenn eine Adresse vorhanden ist, wird auch die notiert. Sollte es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu einer Infektion kommen, sollen auch die Obdachlosen schnell informiert werden.
Die Unterstützung für Wohnungslose ist groß, aber Aufenthaltsmöglichkeiten fehlen
Grundsätzlich finde er das Angebot gut, sagt Kilian. Dem 44-Jährigen steht bald eine weitere Operation bevor. „Ich habe vor Kurzem noch 63 Kilo gewogen und muss noch etwas zulegen“, sagt er. Aber es sei auch schwierig, so ein Angebot anzunehmen. „Mittags kommen Leute an meinem Platz vorbei und viele geben mir auch etwas“, sagt er. „Da überlegt man sich zwei Mal, ob man in der Zeit essen geht oder lieber an seinem Platz sitzt.“
Ihre Hunde dürften die Wohnungslosen in die Kirche mitbringen. „Aber es haben nur wenig Obdachlose in Mönchengladbach einen Hund“, sagt Kilian. „Sie sind verantwortungsvoll. Hunde, die auf der Straße leben, altern drei Mal schneller als Tiere, die ein Zuhause haben. Weil sie nie zur Ruhe kommen.“
Das gilt auch für die Menschen, die auf der Straße leben. Kilian sieht älter aus als 44 Jahre. Fragt man ihn nach den Hilfen für Obdachlose in Mönchengladbach, äußert er sich positiv. „Es gibt hier viele Initiativen“, sagt er – sowohl private als auch institutionelle. Auch als die winterlichen Minustemperaturen in den zweistelligen Bereich gingen, habe es viel Unterstützung gegeben. „Von Passanten habe ich so viel Unterstützung erhalten, das ist Wahnsinn“, sagt er. „Sie haben mir Essen, Geld und Anziehsachen gegeben.“ Nur eine Lücke sieht er bei den Hilfen noch: „Am Wochenende ist alles zu. Da ist man komplett aufgeschmissen.“ Patrick würde sich mehr Möglichkeiten wünschen, wo sich Wohnungslose länger im Trockenen und Warmen aufhalten können. Das fehle derzeit an vielen Stellen.