Mit dem Format„Sundayte“ startete die Gemeinde Unterbruch der GdG Heinsberg-Waldfeucht eine neue Form des Gottesdienstes. Bis heute stehen Begegnung, Glaube und Kultur im Mittelpunkt. Die Besucher sind dabei aktive Mitgestalter.
Je nachdem von welcher Seite man die Pfarrkirche in Unterbruch betritt, zeigt sie ein anderes Gesicht. Denn neben dem Kirchenraum mit den klassischen Stuhlreihen im Kirchenschiff und dem Altar kommt man, wenn man vom Garten aus hineingeht, direkt in die Sundayte-Kirche. Die Stühle sind im Kreis aufgestellt, eine große Leinwand trennt diesen Raum vom Hauptschiff ab. Traversen geben einen Hinweis darauf, dass hier das Licht eine besondere Rolle spielt, und an der Seite steht ein zweisitziges Sofa mit Polstern in Orange und Lila. Auch die Gottesdienste unterscheiden sich deutlich von denen hinter der Leinwand.
2010 hatte die damalige Gemeindereferentin Ute Reiche die Idee, eine andere Form von Gottesdienst in der Gemeinde anzubieten. Angeregt wurde das aus der Gemeinde. „Viele Leute haben uns angesprochen, dass sie sich gerne an Gottesdienste wie die Beat-Messe erinnern“, sagt Friedel Beiten, der damals Pastoralreferent in der Gemeinde war. Schon vorher habe es hier und da neue Formen im Gottesdienst gegeben, die aber alle irgendwann nicht mehr verfolgt wurden.
Jetzt sollte es anders werden. Von Anfang an war dem Team klar, dass die Begegnung im Mittelpunkt stehen sollte. Jeder Gottesdienst bekam ein Thema. Der erste fand im Oktober 2011 statt. „Kirche (k)ein Segen?“ war der Titel. Die Besucher gingen durch ein Labyrinth von Kirchenbänken, in dem Spiegel platziert waren. Während sie ihren Weg suchten, sahen sich sich dabei selbst zu. Es ging damals darum, was man von seiner Kindheit bewahren wollte und ob ein Punk Taufpate werden könne. Es wurde gemeinsam gebetet, gesungen und diskutiert. Im Gottesdienst formulierten Teilnehmer ihre ganz persönlichen Fürbitten und trugen sie frei vor. Dieses Konzept wird bis heute beibehalten.
Der Sundayte-Gottesdienst für Jugendliche ist nach wenigen Jahren ausgelaufen
Im Namen „Sundayte“ steckt „Sunday“, die englische Bezeichnung für Sonntag. Das ineinander verschlungene „ay“ im Namen soll auf den türkischen Begriff für Monat hinweisen. Und dann ist da noch die Aussprache: „dayte“ klingt wie „date“, wie im Englischen eine private Verabredung heißt. „Wir haben einmal im Monat an einem Sonntag eine Verabredung mit Gott“, sagt Babette Sanders. Sie ist Gemeindereferentin der GdG Heinsberg-Waldfeucht, zu der auch die Sundayte-Kirche in Unterbruch gehört. 2019 hat sie das Projekt von Ingrid Beiten übernommen, die die Leitung wiederum 2014 von Friedel Beiten übernahm.
Jeden dritten Sonntag im Monat findet Sundayte statt. „In der Anfangszeit hatten wir das zweimal im Monat, einmal für Erwachsene und einmal für Jugendliche“, erinnert sich Friedel Beiten. Aber nach zwei oder drei Jahren sei das Angebot für Jugendliche eingeschlafen. „Es kamen keine Besucher mehr“, erinnert er sich.
So mancher in der Gemeinde musste sich an die neue Form der Gottesdienste erst gewöhnen. „Wir sitzen im Kreis, wir formulieren persönliche Fürbitten: Manche Leute haben das als Druck empfunden“, erinnert sich Beiten. Dass das Formulieren einer Fürbitte freiwillig ist, daran mussten sich die Teilnehmer erst gewöhnen. Auch von außen wurde der Kreis kritisch beobachtet, denn so manchen war nicht klar, was dort so geschieht. Es war alles so anders.
Nach und nach schlugen die Besucher selbst die Themen vor und übernahmen einen Teil der Gottesdienstgestaltung. „Es hat sich klar herauskristallisiert, dass die Besucher im Mittelpunkt stehen“, sagt Beiten. „Nach meiner Beobachtung ist das für die Leute wichtig, im Gottesdienst vorzukommen.“ Er erinnert sich an eine Frau, die zu ihm gekommen ist und ihm sagte: „Ich hatte das Gefühl, das ist mein Gottesdienst. Als ob er für mich gemacht ist.“
Bis heute greift Sundayte aktuelle Themen auf. „Ich erinnere mich an einen sehr berührenden Gottesdienst zur Altersarmut“, sagt Babette Sanders. Auch zum Umweltschutz und zur Artenvielfalt gab es einen Abend. Dabei setzt das Team um Sanders auch oft auf Kooperationen. Beim „Vom Wert der Vielfalt“ war der Naturschutzbund (Nabu) mit von der Partie, beim Brotteiler-Gottesdienst wurde mit dem Wohlfahrtsverein Amos zusammengearbeitet.
Etwa 30 bis 40 Menschen kommen zu den Gottesdiensten. Es gibt viele Stammbesucher, aber auch eine große Anzahl von Besuchern, die themenbezogen kommen. Für den Gottesdienst im November wurde das Thema „Stille hören“ gewählt, weil damit auch Trauernde angesprochen wurden.
Neben den Gottesdiensten wird die Kirche für andere Veranstaltungen genutzt: Mitsing-Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, Workshops. Weil es eine Kaffeeküche gibt, können auch Getränke und Kleinigkeiten zu essen angeboten werden.
Während der Beschränkungen in der Coronazeit wurde „Sundayte“ zwei Monate ausgesetzt, dann zog der Gottesdienst vor die Tür in den kleinen Garten an der Kirche, der von den Gemeindemitgliedern „Paradies“ genannt wurde. Mit Abstand konnten im Schatten der Bäume Freiluftgottesdienste gefeiert werden.
Die Kirche St. Maria Schmerzhafte Mutter in Unterbruch wurde für das neue Format gewählt, weil es hier neben der Kaffeeküche auch sanitäre Anlagen gibt. Als im Rahmen des Kirchlichen Immobilienmanagements (Kim) die Kirchen alle auf die Prüfliste der Nutzung kamen, rettete das Projekt das Gotteshaus. Es wurde nicht von der Liste der bezuschussten Kirchen gestrichen. Das beruhigte auch die größten Skeptiker, die gegen das Projekt waren. Mit den Zuschüssen des Bistums für das Projekt wurden im Laufe der Jahre technische Geräte wie die Licht- und Tonanlage und die Traverse für die Lampen angeschafft.
Ohne engagierte Ehrenamtler aber würde es nicht gehen, betont Sanders. „Vier Mal im Jahr treffen wir uns und planen die Gottesdienste“, sagt sie. Für das Jahr gibt es einen Themenplan, der an aktuelle Ereignisse angepasst wird. Was gut ankommt, wird auch schon mal wiederholt. „Der Segnungsgottesdienst für Paare hat im Februar nochmal sehr viel Zuspruch bekommen“ sagt Sanders. Damals bekannten sich Menschen aus dem Kirchenleben dazu, queer zu sein und outeten sich in der Dokumentation #outinchurch. „Bei uns konnten sich schon davor alle Paare segnen lassen“, sagt Sanders. Aber mit der Kampagne sei die Nachfrage nochmals gestiegen. Auch das Sundayte-Team habe sich zusammen segnen lassen.
Manchmal passieren Dinge, die das Herz berühren und die man nicht planen kann. Friedel Beiten erinnert sich an einen Weihnachtsgottesdienst. „Es kam auch eine Flüchtlingsgruppe Syrer“, sagt er. „Im Gottesdienst stellte sich heraus, das unter ihnen ein Priester war. Der hat dann mit uns gebetet, und die Syrer haben ihre Lieder gesungen.“