Ein Bild wie ein Lebensweg

Im Pfarrheim St. Katharina Willich hängt ein Werk des Künstlers Hans Christian Rüngeler

Fünf Meter breit und 150 Zentimeter hoch ist das Bild, das Hans Christian Rüngeler für das Pfarrheim malte. (c) Kathrin Albrecht
Fünf Meter breit und 150 Zentimeter hoch ist das Bild, das Hans Christian Rüngeler für das Pfarrheim malte.
Datum:
25. März 2025
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 13/2025 | Kathrin Albrecht

Ein neues Schmuckstück hängt im Pfarrheim der Gemeinde St. Katharina Willich. Für eine lange Seitenwand hat der Maler Hans Christian Rüngeler ein Kunstwerk geschaffen, das viel Raum bietet – auch für Gedanken an Gott und die Welt. 

Seit Abschluss der Sanierungsarbeiten spielte die Gemeinde mit dem Gedanken, die lange Seitenwand im Pfarrheim zu füllen. „Da muss etwas hin, da muss etwas dran“, brachte es Hermann-Josef  Schmitz von der Stiftung St. Katharina auf den Punkt. Doch was? Eine Kunstausstellung in der Kirche brachte die Gemeinde ihrem Ziel ein Stück näher. Einer der ausstellenden Künstler war Hans Christian Rüngeler. Ob er sich vorstellen könnte, ein Bild für das Pfarrheim anzufertigen? Er konnte.

Fast zwei Jahre pendelte der Maler zwischen Willich und seinem Atelier in Steinborn in der Eifel hin und her, beriet sich mit dem Kirchenvorstand und der Stiftung St. Katharina, die das Bild finanziert hat. In einer Feierstunde und im Beisein des Künstlers wurde das Bild im Pfarrheim enthüllt und eingeweiht. Gemeindemitglieder, aber auch Freunde und Bekannte Rüngelers waren nach Willich gekommen, um das neue Kunstwerk zu bewundern. Kai Hackermann, Künstler und Kunsthistoriker, kennt Rüngeler noch aus der gemeinsamen Studienzeit. Er führte in einem Vortrag in die Kunst und in das Bild Rüngelers ein.

Paul Schrömbges, Hans Christian Rüngeler und Herrmann-Josef Schmitz (v. l. (c) Kathrin Albrecht
Paul Schrömbges, Hans Christian Rüngeler und Herrmann-Josef Schmitz (v. l.

Entstanden ist im wahrsten Wortsinn ein Hingucker: Fast fünf Meter breit und 150 Zentimeter hoch ist das Kunstwerk, das Hans Christian Rüngeler mit Ölfarbe und Blattgold auf Altsilber auf fünf Holzplatten malte. Der 1957 in Paderborn geborene Künstler hat in der Verangenheit öfter Kunst für den sakralen Raum geschaffen, unter anderem für die Kirche in Köln-Niehl oder ein Altarbild für das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ in Aachen. Er habe ein weltliches Bild gemalt, erzählt der Künstler.

Atmosphärische Landschaftsbilder sind das Markenzeichen von Hans Christian Rüngeler. So wundert es nicht, dass er dieses Motiv auch für das Bild im Willicher Pfarrheim gewählt hat. „Im Laufe der Zeit“ ist sein Titel und ist, wie Kai Hackermann erklärt, ein vielschichtiges Bild mit verschiedenen Bedeutungsebenen und Einflüssen, allen voran die des großen Malers der Romantik, Caspar David Friedrich. Hackermann erkennt mehrere Verweise auf den Maler, zunächst in der Wahl des Sujets, einer Landschaft, die ein Dorf oder eine Stadt im Zentrum des Bildes einrahmt.

Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es undenkbar, sakrale Kunst ohne biblische Verweise zu machen. Kritiker empfanden es als Anmaßung, wenn die Landschaftsmalerei sich in den Kirchenraum „einschleichen“ wolle. Doch Caspar David Friedrich brach mit dieser Auffassung und malte das Bild „Kreuz im Gebirge“, das sich heute als „Tetschener Altar“ in der Galerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befindet. 
Genauso, sagte Hackermann, könnte auch „Im Laufe der Zeit“ ein Altar sein, obwohl es in einem Pfarrheim hänge. Wer sich mit dem Werk von Hans Christian Rüngeler etwas auskennt, der wird in dem Bild auch Parallelen zu seinen „Klappaltären“ erkennen, die zwischen 2009 und 2021 entstanden sind.

Ein zweiter Aspekt sei die Entrücktheit des Bildes. Es verweigere sich einer zeitlichen Zuordnung. Nichts in dem Bild gebe Hilfestellung. Es ist menschenleer. Das Bild drücke etwas Überzeitliches, etwas Grundsätzliches aus. Es verknüpfe tageszeitliche und jahreszeitliche Zyklen miteinander. Die niederrheinischen Alleen finden sich hier ebenso wieder wie Landschaftseindrücke aus Andalusien oder Südfrankreich, wo sich Rüngeler immer wieder längere Zeit zum Malen aufhielt. Auch der Wald seiner Eifeler Wahlheimat findet sich in dem Bild wieder. Auch hier seien die Einflüsse Friedrichs zu spüren.  

Das Bild verbindet die Kunstgeschichte und die zeitgenössische Kunst

Das Bild könne, so Hackermann abschließend, als symbolischer Lebensweg gelesen werden. Der Weg beginnt mit dem Morgen, der Blüte im linken Bildrand, erstreckt sich zur Mitte mit der weiten Landschaft und dem Blick auf die kleine Gemeinde mit der Kirche in der Mitte. Es sei das Feld, dass der Mensch bestellen sollte. Der symbolische Lebensweg endet mit dem Abend am rechten Bildrand. Eine breite Allee führt unter einem dichten Blätterdach bergauf. Ab und an scheint goldenes Licht auf. Das verwendete Material unterstreiche die Bildkomposition. Die dünne Farbschicht lasse immer wieder die Holzmaserung durchscheinen, die ihererseits wie ein gestalterisches Element wirke. Mal bringe die Maserung Struktur in den Weg, mal wirke sie wie eine Schleierwolke am Himmel.

Das Bild verbinde die Errungenschaften der Kunstgeschichte und der zeitgenössischen Kunst miteinander. Das Bild habe Maß und Mitte, Weite und Tiefe und gar eine politische Dimension. Denn es schaffe Perspektive und Erdung in einer Zeit, in der die gesellschaftliche Mitte zu diffundieren drohe.

„Stolz und froh“ sei er, dass das Bild hier seinen Platz habe, sagte Hans Christian Rüngeler. „So ein Bild malt man nicht so nebenbei. Es braucht Interessenten und einen Ort, an den es hinkommt.“ Er bedankte sich bei der Gemeinde St. Katharina für die Zusammenarbeit: „Ohne die Gemeinde wäre das Bild nicht entstanden.“

„In das Werk ist meine ganze künstlerische Erfahrung eingeflossen“, sagte der Künstler, der Archäologie, Altgriechisch und Kunstgeschichte in Mainz sowie freie Kunst an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert hat. Er werde oft gefragt, wie lange er brauche, um ein Bild zu malen. „Meine Antwort ist dann 30 bis 40 Jahre“, antwortet Rüngeler lächelnd. 
Um den schöpferischen Weg für die Besucherinnen und Besucher anschaulich zu machen, hatte der Künstler auch zwei Studien mitgebracht, die verschiedene Stadien des fertigen Bildes zeigten.

Auch Paul Schrömbges, wie Herrman-Josef Schmitz Mitglied der Stiftung 
St. Katharina und im Kirchenvorstand, ist stolz und glücklich über das Kunstwerk: „Auch, wenn es auf den ersten Blick keinen sakralen Bezug hat, es steckt doch ganz viel Spirituelles darin“.

Besucherinnen und Besucher des Pfarrheims St. Katharina sind nun eingeladen, sich ihren eigenen Eindruck vom Bild zu machen und sich selbst gedanklich auf einen Spaziergang durch das Bild zu begeben.

Wer mehr über den Künstler Hans Christian Rüngeler und sein Werk erfahren möchte, 
findet unter www.hansruengeler.de weiterführende Informationen.