Ein Anfang ist gemacht

Wie verhielt sich das Bistum Aachen im Nationalsozialismus? Eine neue Ausstellung zeichnet Spuren nach

Wie war das nun mit der katholischen Kirche in der Nazizeit? Wie hat sie sich gegenüber dem Unrecht, das sie umgab, verhalten? Die Frage ist komplex und nicht einfach zu beantworten. Eine Ausstellung im Haus der Nationalparkseelsorge auf Vogelsang nähert sich der historischen Wahrheit an und wirft zugleich Fragen an uns heutige Christen auf. (c) Nationalparkseelsorge
Wie war das nun mit der katholischen Kirche in der Nazizeit? Wie hat sie sich gegenüber dem Unrecht, das sie umgab, verhalten? Die Frage ist komplex und nicht einfach zu beantworten. Eine Ausstellung im Haus der Nationalparkseelsorge auf Vogelsang nähert sich der historischen Wahrheit an und wirft zugleich Fragen an uns heutige Christen auf.
Datum:
3. Juli 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 27/2019 | Thomas Hohenschue

Grausame Gewalt, millionenfacher Mord, rassistische Ausgrenzung, nationalistischer Größenwahn: All das verbindet sich mit dem brutalen Unrechtsregime der Nationalsozialisten. Was hatte die katholische Kirche damit gemein? So gerne man einfach „nichts“ antworten würde, so falsch wäre das. Denn in vielfacher Weise waren Kleriker und Gläubige in das Unterdrückungssystem der Nazis verstrickt. Und zugleich gab es durchaus Sperrige und Aufrechte, die sich der menschenfeindlichen Ideologie und Politik widersetzten.

Das Team nach getaner Arbeit (v. l.): Norbert Wichard, Dietmar Jordan, Keywan Klaus Münster, Helmut Rönz, Yorick Fastenrath, Sebastian Tietz und René Schulz an den Tabletcomputern, auf denen die Ausstellung zugänglich ist. (c) Thomas Hohenschue
Das Team nach getaner Arbeit (v. l.): Norbert Wichard, Dietmar Jordan, Keywan Klaus Münster, Helmut Rönz, Yorick Fastenrath, Sebastian Tietz und René Schulz an den Tabletcomputern, auf denen die Ausstellung zugänglich ist.

Mit dem Reden über Geschichte ist es so eine Sache. Aus der Distanz kann man viel behaupten, Mythen erschaffen, Zerrbilder, die über die historische Wahrheit hinwegtäuschen. Zum Beispiel die Behauptung, die Kirche sei ein Bollwerk gegen die Menschenverachtung der Nazis gewesen. Oder die gegenteilige Behauptung, die Institution hätte sich ohne Skrupel im Sinne des Selbsterhaltes zum Komplizen von Unrecht, Gewalt und Mord gemacht.

Umso leichter lässt sich so etwas behaupten, wenn man sich das Ganze nicht aus der Nähe anschaut. Ein Experte darin, den Schleier der Verzerrung wegzuziehen, ist Helmut Rönz. Im Institut des Landschaftsverbandes Rheinland für Landeskunde und Regionalgeschichte wirkt der Lehrbeauftragte der Uni Bonn gemeinsam mit einem jungen Team. Und hat mit dem Bistum Aachen binnen drei Jahren etwas Bemerkenswertes auf die Beine gestellt: eine Ausstellung, die sich ganz offen dem Thema stellt. Die Forscher sind tief in die Archive eingestiegen, haben dort Akten und Berichte gewälzt, Spuren gesucht und gefunden, die etwas mehr Licht in die Sache bringen. Und das heißt im Ergebnis: Zwischen Schwarz und Weiß gibt es jede Menge Grautöne. In diesen Grautönen liegt die historische Wahrheit.

Folgerichtig facettenreich ist das Bild, das die Ausstellung zeichnet, ohne auf wohlfeile Art den Zeigefinger zu erheben. Man kann sich durch die Geschichte von 30 Personen und Ereignissen blättern. Es bleiben willkürliche Fokussierungen, aber sie helfen, den Blick zu weiten – und zwar gleich zweifach. Zum einen geht es darum, zu begreifen, was vor acht Jahrzehnten im Bistum Aachen geschah. Zum anderen wirft die Ausstellung die Frage an uns auf: Wie würden wir heutigen Christen uns unter solchen Bedingungen verhalten? Wären wir beteiligt und fanatisiert? Standhaft und widerständig? Gebeugt und gebrochen? Verstrickt und verführt? Diese Leitfragen fordern heraus, bedrückend aktuell. Rassismus, Nationalismus und antidemokratische Haltungen sind auch bei uns auf dem Vormarsch.

 

Eine heilsame Zumutung

Ein Anfang ist gemacht, wie Rönz bei der Eröffnung bei der Nationalparkseelsorge auf Vogelsang sagte. Nur allzu gern würde er zum Beispiel den Hinweisen nachgehen, dass bis zu 40 Geistliche im Bistum Aachen für die Gestapo spionierten. Offene Türen fürs Weitermachen läuft er bei Pastoralreferent Dietmar Jordan ein. Dieser plädierte leidenschaftlich dafür, sich als Kirche ehrlich zu machen. Wer wie das Team der Nationalparkseelsorge am Unrechtsort Vogelsang Hoffnungszeichen aus einem gelebten Glauben heraus setzen wolle, müsse wahrhaftig sein. Und das bedeute, sich den Schattenseiten der Institution ungeschminkt zu stellen. Sie sei bei Weitem nicht nur heilig, sondern auch sündig. Die Zumutung, genau hinzuschauen, nicht zu glorifizieren und nicht zu verteufeln: Das sei heilsam, auch in der heutigen Kirchenkrise.