Eigene Lebenskräfte stärken

Fortbildung Capacitar mit der Gründerin der Methode, Patricia Cane, im Nell-Breuning-Haus

Capacitar ist geprägt von Körperarbeit. Pat Cane kombiniert dazu unter anderem Yoga-Übungen mit Tai Chi. (c) Andrea Thomas
Capacitar ist geprägt von Körperarbeit. Pat Cane kombiniert dazu unter anderem Yoga-Übungen mit Tai Chi.
Datum:
25. Sept. 2018
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 39/2018 | Andrea Thomas

Im Volksmund sagt man „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott“. Neudeutsch spricht man von Selbstermächtigung oder „Empowerment“. Oder anders: Bleibe nicht passiv, sondern versuche aus eigener Kraft etwas zu tun, um die Dinge in deinem Leben positiv zu beeinflussen. Darauf setzt auch „Capacitar", eine Methode zur Resilienzstärkung und Selbstheilung.

Paarweise machen die Teilnehmer eine Übung zum Thema Akkupressur, die körperliche und emotionale Schmerzpunkte auflösen soll. (c) Andrea Thomas
Paarweise machen die Teilnehmer eine Übung zum Thema Akkupressur, die körperliche und emotionale Schmerzpunkte auflösen soll.

„Capacitar" kommt aus dem Spanischen und bedeutet soviel wie: ermutigen, sich selbst zu befähigen und die eigenen Lebenskräfte zu stärken. Die Methode soll helfen, Körper, Geist und Seele in eine Balance zu bringen und so beitragen zu einer ganzheitlichen Heilung und dazu, Frieden mit sich selbst und der Welt zu schließen. Entwickelt hat sie die US-Amerikanerin Patricia (Pat) Cane vor rund 30 Jahren. Eigentlich, wie sie erzählt, zunächst, um sich selbst zu helfen.

Sie war in Nicaragua, um dort als Psychologin mit Menschen während des Contra-Krieges zu arbeiten. Sie habe nach etwas gesucht, das ihr selbst helfen konnte, mit dem Erlebten fertig zu werden und womit sie auch die Menschen vor Ort habe unterstützen können. „Healing ourselves, healing our world" – uns selbst heilen, um die Welt um uns herum heilen zu können. Die Kraft dazu stecke in jedem von uns, sagt Pat Cane, das sei das Schöne, wir müssten sie nur entdecken. Etwas, was gerade für Menschen, die Traumatisches wie Krieg, Flucht, Gewalt, Naturkatastrophen und ihre Folgen erlebt hätten, eine wichtige Erfahrung sei: selbst etwas tun zu können, um heil und wieder zum Handelnden im und für das eigene Leben zu werden und dies an andere weitergeben zu können.

Für ihre Methode kombinierte Pat Cane, die einen Magister in Psychologie und über interkulturelle Gesundheitserziehung promoviert hat, altes Heilwissen aus verschiedenen Kulturen. Capacitar, das sind Elemente des Tai Chi, Yoga, Atemübungen, Akupressur, verschiedene Halte- und Klopftechniken zum Ausgleich von Emotionen und die Beschäftigung mit den Chakren und Energiefeldern des Körpers. Methoden, die Menschen helfen, Zugang zu den Dingen zu finden, die sie belasten, lähmen und krank machen, und sie befähigen, sich selbst zu helfen. Viele davon haben auch meditativen Charakter.

Emergency-Kit in vielen Sprachen

Inzwischen ist Capacitar eine anerkannte Methode, die in 45 Ländern rund um den Erdball praktiziert wird. Pat Cane hat dazu einen „Baukasten", oder wie sie selbst es beschreibt, eine „Schatzkiste" mit einfach zu lernenden und anzuwendenden Übungen entwickelt. Inzwischen ist ihr „Emergency-Kit" mit Basis-Übungen in zahlreiche Sprachen übersetzt. Nicht alles gehe überall, sei von der jeweiligen Kultur und der Zusammensetzung der Gruppen, mit denen sie arbeite, abhängig. Doch jeder könne etwas finden, was ihm in seiner Situation weiterhelfen könne.

Über eine Partnerin von Missio aus dem Kongo ist Capacitar ins Bistum Aachen gelangt, wo im vergangenen Jahr ein eintägiger Workshop dazu stattgefunden hatte. Der sei sehr gut angekommen, berichtet Anke Reermann, Missio-Referentin beim Bistum. „Wir wollen nun unsere Kontakte nutzen, um Capacitar in Deutschland bekannter zu machen."

Ein erster Schritt ist dazu eine Fortbildung, bestehend aus vier Modulen, die jeweils über ein Wochenende gehen, drei im Herzogenrather Nell-Breuning-Haus und eines in der Bischöflichen Akademie. Geleitet werden sie von Pat Cane selbst, die dafür zum ersten Mal nach Deutschland gekommen ist, gemeinsam mit Anke Reermann. Angemeldet haben sich 45 Teilnehmer von Mitte 20 bis 60 plus zu der Fortbildung in Englisch und Deutsch. Sie kommen unter anderem aus der katholischen Frauengemeinschaft (KFD), über Missio und Misereor, die Katholische Hochschule sowie aus der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit. Gerade in diesem Bereich gebe es eine große Sprachlosigkeit und einen Bedarf nach Methoden, geflüchteten Menschen bei der Verarbeitung erlebter Traumata zu helfen, sagt Anke Reermann. Für sie ist das „auch eine Form von Seelsorge", zu lernen, wie man Zugang zu sich selbst und zu anderen Menschen findet, um deren innere Zerrissenheit heilen zu helfen.

Mischung aus Theorie und Praxis

Die Gruppe hat sich schnell zu einer guten und harmonischen Gemeinschaft zusammengefunden. Die Atmosphäre ist entspannt. Es wird konzentriert miteinander gearbeitet, aber auch viel gelacht. „Ich hatte befürchtet, dass der Kurs zweisprachig ist, würde ein Problem sein", erzählt eine der Teilnehmerinnen. Das Gegenteil ist der Fall. „Ich empfinde es jetzt eher als vertiefend, zum Beispiel bei den Meditationen. Man hört Pat in Englisch und dann nochmal Ankes deutsche Übersetzung. Über die fremde Sprache bekommen Dinge noch einmal eine andere, tiefere Bedeutung."

Man müsse sich einfach darauf einlassen, stimmt eine weitere Teilnehmerin zu, dann nehme man sehr viel für sich selbst mit. Sie engagiert sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe. „Da bekomme ich viel mit, was ich selbst für mich verarbeiten muss. Aber vor allem würde ich oft gerne etwas für diese Menschen tun können. Auf eine Therapie müssen sie oft lange, zu lange, warten. Bis dahin sind sie mit ihrem Erlebten weitgehend alleine." Das Sich-darauf-Einlassen ist mitunter eine Herausforderung, die die Gruppe jedoch als lohnend empfindet. So zum Beispiel bei der Meditationsübung zu den sieben wichtigsten Chakren. Nicht jedem fällt es auf Anhieb gleich leicht, die Energiepunkte und -ströme des eigenen Körpers und vorhandene Blockaden zu erspüren. Und als Pat Cane sie bittet, die Chakren und das, was sie dabei empfunden haben, im Anschluss zu zeichnen, geht über so manches Gesicht zunächst ein unsicheres Lächeln. Am Ende entstehen darüber dann ganz persönliche Bilder und ein intensiver Austausch in kleinen Gruppen.

Es ist die Mischung, die die Teilnehmer anspricht. Theorieblöcke wechseln sich immer wieder mit Praxisübungen ab. Zum Verstehen mit dem Kopf kommt immer wieder das Erleben und Begreifen mit und über den eigenen Körper dazu. Sei es bei den Yoga- oder Tai-Chi-Übungen, bei der Akupressur, der Mandala- oder der Labyrinth-Arbeit. Das Schöne an Capacitar sei, „dass für jeden und jede Situation etwas Passendes dabei ist", sagt eine Teilnehmerin. Sie habe sich auf das zweite Kurswochenende gefreut. „Der Tag heute tut mir richtig gut."

Das erlebt Pat Cane regelmäßig in ihren Kursen: „Die Menschen wachen auf, entdecken eigene Möglichkeiten für sich und ihr Leben. Und was ihnen gut tut, geben sie an ihr Umfeld weiter. Die Kultur ist dabei egal." Sie freut sich, über Missio und das Bistum Aachen ihre Methode auch nach Deutschland bringen zu können. „Ist doch wundervoll, wie das über den Kongo hierher gekommen ist", sagt sie lachend.

Die Methode Capacitar

Die Referentinnen der Fortbildung

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