Wer krank ist, muss zum Arzt. Am besten so rechtzeitig, dass Schlimmeres vermieden werden kann. Was banal klingt, stellt viele Menschen aber vor eine schwierige Entscheidung. Denn wer keine Krankenversicherung hat, muss zweimal überlegen, ob er sich eine ärztliche Untersuchung und Medikamente leisten kann.
Auch spielt Scham oft eine Rolle, in dieser Situation nicht zum Arzt zu gehen. Oder schlechte Erfahrungen mit Behörden und dem Gesundheitssystem. Zwar gibt es in Deutschland eine allgemeine Krankenversicherungspflicht, doch viele Menschen sind durch dieses Raster gefallen und stehen ohne Versicherungsschutz da. Die „Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung“ (MMM) möchte Menschen in der Region Düren-Eifel unterstützen, die keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben.
An derzeit 20 Standorten bundesweit arbeiten ehrenamtliche Teams aus Ärztinnen und Ärzten, Arzthelferinnen und Arzthelfern sowie Pflegekräften und weiten Unterstützerinnen und Unterstützern im Rahmen der Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung. MMM bietet Hilfesuchenden unter anderem eine kostenlose Erstuntersuchung und Versorgung bei plötzlicher Erkrankung, Verletzung oder Schwangerschaft. In Düren wurde diese Woche an der Roonstraße 30 der 21. Standort eröffnet. In direkter Nachbarschaft des Dürener Krankenhauses. Eine Bushaltestelle befindet sich ebenfalls direkt vor der Tür.
„Wir ermöglichen Menschen Teilhabe im medizinischen Bereich, die sonst ausgeschlossen sind. Es gibt nach wie vor Menschen, die aus vielen Gründen in keiner Krankenkasse gemeldet sind“, erläutert Ute Wallraven-Achten, Referentin Soziales Ehrenamt bei den Maltesern in der Diözese Aachen. Auch am Standort Düren gilt, was die 364 Ehrenamtlichen im vergangenen Jahr an allen anderen Standorten getan haben: Die Malteser behandeln ehrenamtlich und auf Wunsch unter Wahrung der Anonymität.
Betreut werden in den Praxis-Räumen alle Menschen, egal welcher Herkunft. Seien es Bürgerinnen und Bürger aus anderen EU-Staaten, Menschen auf der Durchreise aus Nicht-EU-Ländern, Selbstständige, die ihre private Krankenversicherung nicht mehr zahlen konnten, obdachlose Menschen oder Studierende, die die Regelstudienzeit überschritten haben. Im vergangenen Jahr verzeichneten die 20 Teams über 16.000 Kontakte zu hilfesuchenden Menschen ohne Krankenversicherung.
„In größeren Städten bieten wir diese Versorgung schon seit 20 Jahren an. Wir haben die Expertise für diese Art der niederschwelligen medizinischen Versorgung und verstehen es, Ehrenamtliche zu gewinnen, die diesen Menschen helfen wollen“, sagt Projektleiter Nikolaus Scherzberg, der mit vielen helfenden Händen in den vergangenen Wochen die Praxisräume in Düren auch dank vieler Spenden und Unterstützung von Institutionen einsatzbereit gemacht hat. Auslöser war eine Anfrage des Arbeitskreises „Gesundheit“, der auf die Malteser zukam, weil es einen Bedarf für ein solches Angebot in der Region gibt.
Diesem städtischen Arbeitskreis gehören neben Wohlfahrtsverbänden auch Vertreter von Stadt und Kreis Düren an. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass anfangs vielleicht zwei bis drei Menschen pro Woche kommen, das Angebot aber sehr schnell sehr gut angenommen wird“, sagt Nikolaus Scherzberg. Gerade bei dieser niederschwelligen Versorgung gehe es auch um den Aufbau von Vertrauen. Spricht sich das Angebot herum, dürfte das Wartezimmer erfahrungsgemäß gut gefüllt sein.
Geöffnet ist der MMM-Standort an der Roonstraße vorerst immer dienstags von 13 bis 17 Uhr. Als medizinischen Leiter konnten die Malteser Dr. Hubert Zergiebel gewinnen, der sein bisher aus vier Ärztinnen und Ärzten bestehendes Team noch ausbauen möchte. Ebenso wichtig sind die weiteren Teammitglieder, die die Patientinnen und Patienten empfangen, die Untersuchungen begleiten und vorbereiten und idealerweise aus medizinischen beziehungsweise pflegerischen Berufen kommen.
Ein Mitglied des Teams ist Birgit Klitsche (62), die künftig am Empfangstresen sitzen wird. „Mein Mann ist kürzlich verstorben, ich habe auf der Palliativstation sehr viel Leid gesehen und viele Menschen erlebt, die keinen Besuch bekommen haben“, sagt sie. So reifte der Entschluss, sich im Ehrenamt um Menschen zu kümmern, „die Hilfe von außen brauchen“.
Das Projekt finanziert sich ausschließlich über Spenden, die Malteserstiftung übernahm eine Anschubfinanzierung. Neben Mobiliar und Ausrüstung wurden auch Verbrauchsmaterialien gespendet, für den Betrieb sind die Ehrenamtlichen aber über weitere Unterstützung und Spenden angewiesen. Etwa ein Drittel der der Miete wird von einem Kooperationspartner übernommen, weil zum Angebot von MMM auch Beratungen gehören, wie Menschen wieder in eine Krankenversicherung kommen können.
Zum Erfolgsprinzip der Malteser gehört es, vor Ort ein Kooperationsnetzwerk von weiteren Fachärztinnen und -ärzten zu knüpfen und für die Versorgung auch Krankenhäuser, Labore, diagnostische und therapeutische Einrichtungen sowie Hebammenpraxen und Apotheken zu gewinnen. Die Malteser selbst stellen beispielsweise einen Dolmetscherdienst zur Verfügung, der digital zugeschaltet werden kann, sollte es einmal Verständigungsprobleme geben.
„Wir ermöglichen eine ambulante hausärztliche Behandlung. Es gibt viele Menschen, die sich auch bei Notfällen nicht trauen, in ein Krankenhaus zu geben, die auf der Straße leben oder unter schwierigen sozialen Bedingungen. In solchen Notfällen wird noch Überzeugungsarbeit vor uns liegen“, sagt Dr. Dr. Hubert Zergiebel, medizinischer Leiter der MMM Düren. „Für uns ist das ein großer Meilenstein. Wir sind bisher sehr blaulichtorientiert, dieses soziale Ehrenamt ist neu für uns“, freut sich Frank Blumenthal von der Malteser Stadtgliederung Düren/Nörvenich.
Wer Fragen hat oder sich in welcher Art auch immer einbringen und das Projekt unterstützen möchte, erhält Infos bei Projektleiter Nikolaus Scherzberg per E-Mail an nikolaus.scherzberg@malteser.org oder telefonisch unter 01 75/9 41 93 19.