Sie treten an, um zu retten: Feuerwehrleu-te und Einsatzkräfte im Sanitäts- und Rettungsdienst stellen sich Extremsituationen. Das kann Folgen für die Seele haben. In dieser Erkenntnis wurde vor 25 Jahren das Einsatzkräfte-Nachsorgeteam, kurz das EKNT, gegründet. Als ökumenisch-regionales Angebot ist derzeit eine 15-köpfige geschulte Truppe im Einsatz. Träger sind die katholische und die evangelische Kirche.
„Immer wenn jemand stirbt, sind wir gefragt. Wenn jemand überlebt, weiß man, man hat alles getan – im Todesfall kommen Zweifel“, beschreibt Manuel Geil von der Steuerungsgruppe des EKNT, wann das Team gefordert ist. „Das gilt auch, wenn Kinder betroffen sind, weil viele Ehrenamtliche auch Eltern sind“, ergänzt Klaus Krauthausen, gemeinsam im Leitungsteam mit Albert Dreyling, der fortführt: „Oder wenn Einsatzkräfte selbst Todesängste erleben.“ So geschehen im Hochwasserereignis im vergangenen Sommer, als vor den Augen von Einsatzkräften des Technischen Hilfswerkes ein Bus fortgespült wurde, in dem sich zunächst Gerettete und THWler befanden.
Im Ausnahmezustand befindet sich die Seele stets auch dann, wenn die Einsatzkräfte unverhofft auf Menschen treffen, die sie persönlich kennen. „Das ist bei den freiwilligen Feuerwehren in unserem Kreis sehr oft der Fall“, sagt Martina Hahn, Frau eines Feuerwehrmannes, Notfallseelsorgerin und EKNT-Steuerungsmitglied. Aus ihren persönlichen Erfahrungen heraus hat sie sich vor fünf Jahren entschieden, die Ausbildung zum Helfer für Einsatzkräfte zu absolvieren.
Extremsituationen werden in Rollenspielen eingeübt, Szenarien trainiert. Die Ausbildung mit dem surreal wirkenden Namen CISM – Critical Incident Stress Management – beinhaltet eine theoretischen Grundausbildung und den praktischen Teil. „Zertifizierte Trainer bringen uns bei, anhand von Verhaltensweisen die Situation einzuschätzen: Ist das Gegenüber hektisch, apathisch, zieht es sich zurück?“, erläutert Dreyling. Was man als Signalwörter kennt, sind hier Signalhandlungen. Aber es gibt keine Eindeutigkeit: Fingerspitzengefühl und Empathie sind gefragt. „Wenn jemand beispielsweise nicht durchschläft, patzig und übellaunig ist und sich selbst nicht mehr erkennt“, vertieft Manuel Geil, sei es wichtig, „klar zu machen, dass das erstmal ganz normale Reaktionen auf eine belastende Situation sind“. Erst wenn sich nach zwei bis vier Wochen der Zustand nicht ändere, sei Handlungsbedarf.
Unterschieden wird zwischen Einzel- und Gruppengesprächen. Diese können auch mehr als einmal stattfinden, und wenn alles Ehrenamt keinen Seelenfrieden bringt, kann der Kontakt zu einem professionellen Therapeuten hergestellt werden. Es gilt die Devise, die Albert Dreyling so ausgibt: „Ihr dürft auch schwach sein. Und wenn ihr schwach seid, seid ihr nicht alleine.“
Vor dem Einsatz des EKNT steht die Erkenntnis des Einsatzleiters: „Meine Mannschaft braucht Hilfe.“ Auch dieses frühe Erkennen kann in Schulungen vermittelt werden und die Einschätzung, ob das Team noch am Ort eines Unglücks zum Einsatz kommen soll oder nach Rückkehr auf der Wache. Die Alarmierung erfolgt beim EKNT wie bei allen Einsatzkräften via Mobiltelefon aus der Zentrale in Stockheim. Auf kurzem Dienstweg wird besprochen, wer zum Einsatz fährt. Meist kommen sie mindestens zu zweit.
Das Team setzt sich zusammen aus psychosozialen Fachkräften einerseits – wie geschulten Seelsorgern, Ärzten, Supervisoren – und andererseits aus sogenannten „Peers“, Angehörigen der Rettungsdienste, der Feuerwehren und der Polizei. Das sind Menschen, „die den Sachverstand haben, was in den Einsatzfällen passiert, etwa wenn ein Feuerwehrmann mit Atemschutz in ein brennendes Haus geht“, erläutert Albert Dreyling.
Erste Hilfe ist in jedem Fall das Gespräch in der Gruppe. Denn jeder aus dem Einsatzteam kenne ja nur seinen ganz begrenzten Teil des Vorfalls. Anschaulich beschreibt es Klaus Krauthausen: „Wir alle hier um den Tisch sehen das Gefäß – aber jeder sieht es aus einem anderen Blickwinkel.“ Erst wenn alle Perspektiven zusammengeführt würden, ergebe sich ein Gesamtbild. Oft gebe es Dank für die geleistete Hilfe und werde als Stärkung der Kameradschaft begriffen. „In einem Gespräch sind zwei Einsatzkräfte in Tränen ausgebrochen“, sagt Manuel Geil, und es sei eine gute Erkenntnis der Einsatzkräfte gewesen: „Man(n) kann auch in einer Männerrunde Gefühle zeigen. Das helfe auch auf einer ganz anderen Weise weiter. „Der Einstieg ist die Schokoriegelkiste, die wir haben, seitdem ich beim EKNT bin“, lacht Geil. Als Feuerwehrmann wisse man, dass die schlimmste Alarmierung um 5 Uhr früh sei: „Noch nicht auf der Toilette gewesen, nicht geduscht, ohne Frühstück, dann ein stundenlanger Einsatz. Dann ist ein Schokoriegel der Türöffner.“
Gerne nimmt das 15-köpfige Team weitere Einsatzkräfte auf: „Die Türe steht weit offen“, sagt Krauthausen. „Wir haben Platz für noch mal so viele Ehrenamtliche“, und fängt gleich an zu planen: „Wir könnten den Präventionsbereich ausbauen und noch besser sicherstellen, dass rund um die Uhr ein Einsatz möglich ist.“ Der „Stammsitz“ des EKNT ist im Evangelischen Gemeindezentrum in Birkesdorf. Interessierte wenden sich an Albert Dreyling, Tel. 0 15 77/2 07 37 26.