Dieser Weg kann gelingen

Katho Aachen erforscht Bedürfnisse von jungen Menschen, die als erste in der Familie studieren

Noch ist kein Studienprofi vom Himmel gefallen. Doch für manchen Studienanfänger stellt ein Studium eine besondere Herausforderung dar, wenn er niemanden hat, der Rat geben kann. (c) pixabay.com
Noch ist kein Studienprofi vom Himmel gefallen. Doch für manchen Studienanfänger stellt ein Studium eine besondere Herausforderung dar, wenn er niemanden hat, der Rat geben kann.
Datum:
3. Nov. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 45/2020 | Kathrin Albrecht

Das Abitur ist geschafft, die erste wichtige Etappe des Lebens. Viele junge Menschen beginnen im Anschluss ein Studium. Eine ganz neue, ganz unbekannte Welt – vor allem für diejenigen, die als erste in ihren Familien diesen Weg beschreiten. Zwar ist generell kein Studienprofi vom Himmel gefallen. Doch für diese Pioniere kann der Weg besondere Herausforderungen bergen.

Öffnen Türen für First-Generation-Studierende: Anna Zeien, Transferreferentin im Projekt Figest (links) der Katho Aachen, mit Elena Alavanja und Oliver Stöber. (c) Pressefoto der Katho
Öffnen Türen für First-Generation-Studierende: Anna Zeien, Transferreferentin im Projekt Figest (links) der Katho Aachen, mit Elena Alavanja und Oliver Stöber.

Auch an der Katholischen Hochschule NRW (Katho) haben in diesem Wintersemester 220 Studierende ihr Studium der Sozialen Arbeit aufgenommen. Mehr als die Hälfte der Studierenden an der Abteilung Aachen der Katho sind sogenannte First-Generation-Studierende. Gerade in der Phase des Studieneinstiegs, aber auch im Studienverlauf können sie davon profitieren, dass ihnen Räume geschaffen werden, in denen ihnen die Möglichkeit zur Reflexion und zum Austausch über das Studium geboten wird. Wie diese Räume aussehen können, erforscht seit  Januar 2019 die Abteilung Aachen der Katho im Pilotprojekt „Figest“ an den Abteilungen Aachen und Köln. Im Rahmen dieses Projekts wurden spezielle Angebote entwickelt, die von allen Studierenden genutzt werden können, den First-Generation-Studierenden aber Unterstützung bieten, die eigenen Potenziale im Studium zu entfalten oder sich überhaupt reflektiert für oder gegen ein Studium zu entscheiden.

 

Soziale Herkunft bestimmt den Bildungsweg der Studienanfänger

„Die soziale Herkunft hat einen großen Einfluss darauf, wie Bildungsressourcen genutzt werden“, erklärt Verena Klomann, Professorin für Soziale Arbeit und Leiterin des Pilotprojekts. Will heißen: Kinder aus Akademikerfamilien werden eher zu einem Studium neigen als Kinder, deren Familien vorher keine akademische Ausbildung absolviert haben, auch wenn sie das Potenzial dazu hätten. Das spiegelt auch die Statistik wider. 80 Prozent der Studierenden an Hochschulen stammen aus Akademikerfamilien, weniger als 30 Prozent aus Nichtakademikerfamilien. Und diese knapp 30 Prozent schreiben sich häufiger an Fachhochschulen als an Universitäten ein. Das Problem dabei: „Die Hochschule ist im Umgang mit diesen Pionierinnen und Pionieren nicht gut genug gewappnet.“ Denn in Fragen wie Studienfinanzierung oder Fachwahl sind First-Generation-Studierende oft auf sich allein gestellt.

 

Im Corona-Jahr wurden neue digitale Angebote entwickelt

Elena Alavanja ist eine First-Generation-Studierende. Sie studiert im ersten Semester Soziale Arbeit (Bachelor) an der Katho. Und hat von den Angeboten des Pilotprojektes schon profitiert, wie sie erzählt: „Ich war unsicher, was ich machen möchte, hatte aber schon viel Gutes über die Katho gehört.“ Bezüglich ihres Wunsches zu studieren war ihre Familie offen und unterstützte sie auch bei diesem Vorhaben. Bei ihren Recherchen stieß Elena Alavanja auf das Figest-Projekt der Katho und nahm Kontakt mit Anna Zeien, Transferreferentin im Projekt Figest, auf. Zu ihrem Erstgespräch mit Anna Zeien brachte Elena Alavanja ihren Stiefvater mit, denn auch er hatte eine Menge Fragen zum Studium. „Wir konnten in jedem Bereich Fragen stellen, hatten im weiteren Verlauf viel persönlichen Kontakt.“

Im Rahmen des Figest-Programms hatte Elena Alavanja außerdem den Hochschul-Informationstag, ein „Follow me around“ sowie ein Online-Seminar zum Thema Stipendien besucht. Auch Oliver Stöber, Student im dritten Semester Soziale Arbeit (Bachelor), hat viele Figest-Veranstaltungen besucht. Zwar ist er streng genommen kein First-Generation-Student, beide Eltern haben studiert, aber „ich konnte auf dieses Wissen nicht zugreifen und habe lange Zweifel gehabt, ob ein Studium das Richtige für mich ist“, erzählt er. Inzwischen bildet er sich zum Studienbotschafter für das Projekt aus, will anderen Mut machen und sie auf ihrem Weg unterstützen. Denn leicht könne man im Studium den Mut verlieren, weiß er aus eigener Erfahrung. „Geholfen hat mir das Seminar ,How to Soziale Arbeit studieren‘“, erzählt er. Auch dieses Seminar ist ein Format des Figest-Projektes. Doch für die Entwicklung der Angebote für First-Generation-Studierende geht es auch um die Angehörigen, erklären Verena Klomann und Anna Zeien. Darum gibt es Beratungsangebote für Eltern, wo speziell auch finanzielle Fragen geklärt werden. Denn Eltern müssen sich ebenfalls orientieren, erklärt Verena Klomann: „Und sie brauchen die Auskunft, dass so ein Weg gelingen kann, auch wenn er fremd ist.“ Seit März dieses Jahres stellt Corona das Projekt vor ganz neue Herausforderungen. Denn Unterstützung, Begleitung, Austausch leben von der Begegnung. „Das ist mit Corona plötzlich weggefallen“, sagt Anna Zeien. Im Hybridsemester sind die Präsenzzeiten an der Hochschule stark eingeschränkt, soziale Kontakte kaum möglich. Digitale Angebote wie die „Digitale Happy Ersti Hour“ sollen da Abhilfe schaffen und Räume ermöglichen, in denen sich Studierende begegnen und im Ankommen und Studierendenleben an der Hochschule Unterstützung finden können. Auch die „Digitale Mittagspause“ ist so eine Neuentwicklung, mit der sowohl Elena Alavanja als auch Oliver Stöber schon gute Erfahrungen gemacht haben. „Ich bin sehr dankbar für das Angebot, denn die Angst davor, dass soziale Kontakte wegfallen, war groß“, sagt Elena Alavanja. Über die Mittagspause hat sie Lernpartner gefunden. „Dieses Angebot ist wichtig“, betont auch Oliver Stöber, „wenn persönliche Kontakte wegfallen, verliert sich schnell das Zugehörigkeitsgefühl.“

Eine Beobachtung, die Verena Klomann teilt: Die digitalen Angebote hätten Studierenden durchaus geholfen, mit belastenden Situationen im Studium, auch und gerade hervorgerufen durch Corona, umzugehen. Denn auch in Coronazeiten lebt eine Hochschule davon, dass sich Studierende, Lehrende und Mitarbeitende kennen und begegnen.