Jeder in Krefeld hat schon von den Herren Scheuten, von Beckerath oder von der Leyen gehört. Wer weiß jedoch, dass diese Familien Frauen hatten, die sich schon damals durch einen starken Willen auszeichneten und ihn auch durchzusetzen vermochten?
Die „Bauhausfrauen“ Elisabeth Kadow und Immeke Mitscherlich gehören sicherlich auch in diese Reihe. Lydia Paggen hat jetzt für das Katholische Forum Krefeld-Viersen in Kooperation mit der Frauenseelsorge zu einem Rundgang geladen, der zu den außergewöhnlichen „Krefelder Frauen“ führt und sie lebendig werden lässt.
Eine Gruppe von zehn am Thema interessierten Frauen und einem Mann treffen die Sozialwissenschaftlerin und Stadtführerin zum Start an der Stadtpfarrkirche St. Dionysius. „Hier spüren wir schon viel weibliche Energie“, sagt Paggen und lächelt. „Das Metallband vor dem gegenüberliegenden Standesamt zeichnet in Teilen einen Grundriss des Tertiarinnenklosters St. Johann Baptist von 1430 nach, und im benachbarten Schwanenmarkt flanieren die Passanten über den Mauern des früheren Franziskanerinnenklosters.“
Was sie auch interessant findet: „Im Falle einer Hochzeit gibt es an dieser Stelle kurze Wege: Die Beratung in der Gleichstellungsstelle im hinteren Teil des Standesamtes, die Trauung nebenan und gleich gegenüber – falls gewünscht – die kirchliche Zeremonie.“
Man bedenke bei der Geschichte der folgenden Damen: „Bis 1977 konnte der Mann seiner Frau das Arbeiten verbieten.“
Weiter führt der Weg zur Mennonitenkirche an der gleichnamigen Straße.
Charlotte und Susanne von Beckerath sind in den 1840er Jahren Vorsteherinnen des Armen- und Waisenhauses, dem einzigen Gemeindeamt, das Frauen in dieser Zeit bekleiden konnten. „Die beiden Schwestern heirateten die zwei Mennoniten und Brüder von Beckerath und lebten mit insgesamt 15 Kindern auf Schloss Cracau. Sie sind Mitbegründerinnen des ‚Crefelder Frauenvereins‘, der heute ‚Krefelder Frauenverein für Kinder- und Altenfürsorge, Gegründet 1827‘ heißt und der älteste noch bestehende Frauenverein in Deutschland ist.“
Elisabeth Kadow und Immeke Mitscherlich haben an der Kunstgewerbeschule, der späteren Werkkunstschule an der Petersstraße für Furore gesorgt. „Sie können als ‚Bauhausfrauen` bezeichnet werden“, meint Paggen. „Kadow leitete die Meisterklasse für Textilkunst 1958 bis 1971. Mitscherlich wurde 1952 als Leiterin der Modeklasse III an die Textilingenieurschule Krefeld berufen, wo sie bis zu ihrer Pensionierung 1965 Modeentwurf und -werbung unterrichtete.“ Das künstlerische Frauenstudium war erst ab 1905 möglich. Krefeld hatte die erste Kunstschule in Deutschland, die Frauen in allen Bereichen zuließ.
Sophie de Graef wohnte mit ihrer Familie an der Friedrichstraße 2, der „Ersten Adresse“ aller betuchten Krefelder. Sie hatte 1751 den Krefelder Wilhelm Scheuten geheiratet. Als er starb, war sein Sohn Adam gerade ein Jahr alt. „Die Mutter Sophie galt als erfahrene und tüchtige Frau in den Geschäftszweigen Essig, Öl, Seife und Tabak. Sie hält die Weiterbildungsmöglichkeiten ihres Sohnes in Krefeld für nicht ausreichend und schickt ihn in ihre Heimatstadt Maastricht.“
In seinem Testament stiftete der Patriziersohn und Mennonit Adam Scheuten 15000 Reichstaler zur Gründung einer Schule in seiner Heimatstadt. Im Jahr 1819 nahm die „Scheutensche Anstalt“, die einzige höhere Jungenschule Krefelds bis 1851, ihren Betrieb auf. Aus dieser Schule entstand, 1861 durch die Stadt Krefeld übernommen, das heutige Gymnasium am Moltkeplatz. Bekannt ist die umfangreiche Scheutensche Bibliothek.
Lydia Paggen: „Die Scheutensche Anstalt war offen für alle Bekenntnisse, aber nicht für alle Geschlechter. Frauen und höhere Bildung gehörten damals nicht zusammen. Am ersten Lyzeum, dem heutigen Ricarda-Huch-Gymnasium, machten 1912 die ersten 14 Mädchen in Krefeld Abitur.“
Marie von der Leyen hat in dem Gebäude gewohnt, in dem heute die Stadtverwaltung sitzt: im Rathaus, natürlich am Von-der-Leyen-Platz gelegen. Es war das Fa-milienhaus von Conrad und Elisabeth und Tochter Marie, die von 1768 bis 1857 lebte.
„Sie war eine gebildete Frau, die von einem Hauslehrer unterrichtet wurde, Liebhaberin von Schnupftabak, der damals in Mode war, rauchte aber auch gerne ihre Pfeife. Debatten waren ihr Ding und deshalb war sie auch Mitglied im Diskutierkreis in Moers.“