Nun ist eine Partei, die vom Verfassungsschutz zum Teil als rechtsextrem eingestuft wird, in einer Wahl also zweitstärkste Kraft geworden. Damit ist sie nicht nur angekommen in der Mitte der Gesellschaft, sondern etabliert. Das ist beschämend.
Natürlich kann man die Gründe in der Politik der Bundesregierung suchen. Aber das ist eben nur eine Seite. Die Wahlbeteiligung lag bei 64,8 Prozent. Das ist für eine Europawahl hoch. Und wie immer man das Ergebnis persönlich findet: Es zeigt, dass die Menschen sich bewegen, wenn es ihnen wichtig ist. Und wichtig ist in erster Linie, was vor ihrer eigenen Haustür passiert. Da gilt es anzusetzen. Wenn Jungwähler keine Zukunftsperspektive sehen, dann muss man ihnen eine geben. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Aber an vielen Stellen passiert das schon: Die meisten Menschen wollen in Frieden leben. Das kann nur, wer gute Beziehungen zu seinen Nachbarn pflegt und wer sich angenommen fühlt. Wer den anderen kennenlernt, verliert Ängste und diffuses Unwohlsein. Demokratie lebt von der Verantwortung jedes einzelnen für sich und für die Gemeinschaft. Das beinhaltet auch, seinen Horizont zu erweitern. Da muss sich jeder die Frage stellen, wie es bei ihm persönlich steht. Mit welchen Menschen gehe ich täglich um? Ist das eine homogene Gesellschaft oder gibt es darunter auch Menschen aus anderen Kulturkreisen, mit einer Behinderung, anderen Glaubens, anderer Hautfarbe? Hier die Grenzen zu öffnen, ist der erste Schritt gegen Extremismus jeder Art.
Die Autorin ist freie Journalistin und Redakteurin der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen.