Jetzt ist die Zeit, einander kennenzulernen und Vertrauen zu fassen. Seit rund zwei Monaten ist das Drogenhilfezentrum der Caritas in Krefeld in Betrieb. Der Wohlfahrtsverband betreibt die Einrichtung im Auftrag der Stadt. Noch sind nicht alle Stellen besetzt. Auch der Außenbereich muss noch gestaltet werden. Das erste Fazit von Einrichtungsleiterin Jasmin Sprünken, die viel Erfahrung aus ihrem bisherigen Berufsleben mitbringt, fällt durchaus positiv aus.
„Wir sind noch im Aufbau, aber auf einem guten Weg“, sagt die 47-Jährige. „Vertrauen führt Menschen zusammen.“ Das Gespräch mit ihr findet im Besucherzimmer statt. Der Blick geht durch die großen Fenster nach draußen. Die anderen Bereiche, vor allem der Drogenkonsumraum, bleiben tabu. „Wir haben immer Klienten hier. Sie sollen ungestört sein“, erklärt sie. Auch das gehöre zu einem entspannten Zusammenleben.
Sprünken, die zuvor ein Drogenhilfezentrum in Mülheim an der Ruhr geleitet hat: „Wir betreten hier Neuland. Eine Einrichtung in dieser umfassenden Form ist noch nie betrieben worden.“ Nun müsse die theoretische Planung an die Praxis angepasst werden. „Die Konsumutensilien wie beispielsweise die Abbinder haben wir auf Wunsch der Klienten bereits gegen andere ausgetauscht. Wir freuen uns, wenn sie mitmachen, sich beteiligen und nachfragen. Das ist hilfreich.“ Auch das trage zur Bindung bei. „Es gibt keine ausufernden Forderungen.“
Im Haus an der Schwertstraße war früher eine Kindertagesstätte untergebracht. Es müsse jetzt nicht nur gut aussehen, sondern auch gut funktionieren. Das Gebäude hat eine Größe von rund 700 Quadratmetern und beinhaltet den Tagestreff, das Café Pause mit einer Größe von 90 Quadratmetern. Es ist somit größer als die Vorgängereinrichtung am Westwall. Hier können sich die Gäste zwanglos unterhalten, Zeitung lesen, Frühstück und Snacks gegen kleines Geld zu sich nehmen. Die Musik läuft, und auch der Hund darf mit rein.
Davor befindet sich der Empfang, an dem der Mitarbeiter das Angebot und das Prozedere des Zentrums freundlich erklärt. „Diese Begrüßung mit persönlicher Ansprache wird gerne gesehen. Zumal hier die Möglichkeit einer Postadresse für Briefe von Krankenkasse, Sozialamt oder Polizei besteht. So sind die Klienten erreichbar und können sich den Schriftverkehr vor Ort erklären lassen, wenn dafür Bedarf ist und etwas für sie Unverständliches darinsteht.“
Anders gestaltet sich der 38 Quadratmeter große Drogenkonsumraum. Er hat einen separaten Eingang mit Klingel und sechs Plätze – drei für den inhalativen und drei für intravenösen oder oralen Konsum. Sprünken: „Hier müssen sich die Klienten ausweisen, mindestens 18 Jahre alt sein. Sie bekommen dann die Konsumutensilien, müssen aber die Drogen wie Heroin oder Kokain mitbringen.“
Der Zweck des Drogenhilfezentrums ist es, dass die Abhängigen in diesem Raum ruhig, entspannt und sauber konsumieren können und nicht in der Öffentlichkeit. Die Möglichkeit besteht 365 Tage im Jahr zwischen 10 und 18 Uhr. „Hier sind sie unsichtbar für die Stadtgesellschaft, haben weder Stress noch Hektik. Sie müssen nicht befürchten, dass der Wind die für sie kostbare Droge wegweht.“ Hier gibt es auch medizinische und direkte Hilfe durch Rettungssanitäter des DRK, die – ebenso wie die Streetworker – gleich nebenan ihre Anlaufstelle haben. „Wir hatten noch keinen Notfall, keine Überdosierung“, erklärt Sprünken.
Derzeit sei die Szene in Bewegung, weiß sie. „Es hat sich viel verändert. Der ‚Standort‘ Theaterplatz als feste Konstante wird nicht mehr geduldet. Sie müssen sich neu organisieren. Es entstehen Druck, Unruhe, Stress. Sie müssen sich an andere Laufwege gewöhnen und wissen: Ohne Geld und somit Drogen kommt der Entzug schneller. Die Abhängigkeit dominiert das Leben. Die Streetworker sprechen sie immer wieder aktiv an.“
Viel Kommunikation gebe es auch mit den Nachbarn an der Schwertstraße, berichtet die Leiterin. „Wir haben einen guten Draht und tauschen uns bei regelmäßigen Treffen konstruktiv und angenehm aus. Man lernt sich kennen. Die verständlichen Befürchtungen der Anwohner sind, dass sich ihr Umfeld verändert, Lebensqualität und Sicherheitsgefühl nachlassen, besonders bei einer Szene in Bewegung. Aber vor der Haustüre ist es ruhig. Streetworker und kommunaler Ordnungsdienst sind präsent.“ Draußen ist die Caritas direkt vor dem Haus und bis 50 Meter Entfernung in beiden Richtungen verantwortlich.
„Wir werden dafür sorgen, dass sich in diesem Bereich keine größeren Gruppen versammeln und er sauber bleibt, dort keine Drogenkonsumartikel herumliegen.“
Die Verantwortlichen des Wohlfahrtsverbandes ziehen auch eine durchweg positive Bilanz: Die Klienten kämen zur Schwertstraße und nutzten die Angebote. Es herrsche eine friedliche Grundstimmung, heißt es. Nach einer sehr hohen Besucherzahl am Eröffnungstag habe sich die Zahl vorerst bei täglich 35 bis 40 Personen im Café eingependelt. Im April wurden 1001 Konsumvorgänge von 108 unterschiedlichen Personen gemessen. Sprünken: „Es gibt bereits Klienten, die den Konsumraum regelmäßig aufsuchen – manche Personen kommen mehrmals am Tag“. Auch die beiden Duschen für Männer und Frauen und die zwei Waschmaschinen werden regelmäßig genutzt. Unter den Klienten seien bekannte, aber auch einige neue Gesichter. „Das Angebot hat sich schnell herumgesprochen.“
Jetzt bleibt noch die Arbeit im großen Außengelände, für das Paletten als Möblierung gesucht werden. Die Klienten können mitarbeiten, um sich Gutscheine für Mahlzeiten zu verdienen und sich mit der Einrichtung zu identifizieren. Fürs Essen selbst wird noch ein engagierter Koch gesucht. Und weitere ehrenamtliche Mitarbeiter sind stets willkommen.