Zwei Mal in der Woche schwingt sich Felix Hilner nach dem Schulunterricht am Hannah-Arendt-Gymnasium in der Innenstadt aufs Fahrrad und fährt rund drei Kilometer zur Kirche St. Michael in den Krefelder Süden. An einem zusätzlichen Nachmittag besucht er die St.-Dionysius-Kirche, die nicht ganz so weit von seiner Schule entfernt ist, um hier Musikunterricht zu nehmen. Für sein besonderes Hobby investiert der 15-Jährige viel Zeit. Aber das muss er auch, denn das Instrument seiner Wahl ist nicht nur komplex, sondern durch seine besondere Größe auch nicht mobil: Felix spielt Orgel.
Vor etwas mehr als zwei Jahren hat er sich entschlossen, sich am kirchlichen Instrument ausbilden zu lassen. „Die Orgel in St. Michael wurde instandgesetzt und alle Messdiener durften sie anschließend einmal ausprobieren“, erinnert er sich. „Ich war irgendwie direkt hin und weg und fand es total cool, dass ich nur durch meine Hände und Füße die ganze Kirche mit Ton füllen konnte.“ Spielte Felix bereits seit seinem sechsten Lebensjahr Geige, sprach er nun auch für die Orgel bei seinen Eltern vor. Der Vater, selbst Profi-Saxophonist, und die Mutter, ebenfalls musikbegeistert, nahmen den Jungen ernst und versuchten über das Telefon, einen Lehrer für ihn zu finden. Über unterschiedliche Kontakte erreichten sie letztendlich Andreas Cavelius, Regionalkantor und Dozent für Orgel, Chorleitung und Orgelbaukunde im Bistum Aachen.
2019 begann Felix, Unterrichtsstunden bei ihm in St. Dionysius zu nehmen. „Wir haben zuerst angefangen, die rechte Hand zu trainieren und anschließend die linke dazu genommen“, beschreibt der Schüler. „Das ist ja noch wie beim Klavier. Dann kamen die Pedale dazu.“
Anders als das Klavier aber hat die Orgel mehrere Tastaturen, die sogenannten Manuale. Die Pedale sind außerdem dazu da, mehrere Oktaven spielbar zu machen. Durch das Drücken einer Taste oder eines Pedals wird ein Ventil geöffnet, das den Wind durch die jeweilige Pfeife jagt. Dadurch entsteht der Ton. Jede Orgel klingt dabei unterschiedlich, denn sie wird individuell für den jeweiligen Raum gebaut. Die Pfeifenlängen unterscheiden sich dadurch, die Manuale können eine unterschiedliche Anzahl haben und auch die Register, die durch zahlreiche Knäufe am Spieltisch an- und abgeschaltet werden und dadurch die Klangfarbe der Orgel verändern, sind verschieden. Übt Felix in St. Michael auf einem sehr alten Instrument, ist er von der Klais-Orgel, die erst 2007 in St. Dionysius eingeweiht wurde, besonders an-getan.
Allein die Höhe der Orgelpfeifen fasziniere ihn, erzählt er aufgeregt und ergänzt: „Wussten Sie, dass die längste Pfeife so hoch wie das Bockumer Schwimmbad ist?“ Zieht Lehrer Cavelius alle Register und spielt dem jungen Spieler auf der Klais-Orgel von seinem Lieblingskomponisten Bach vor, bekommt Felix jedes Mal aufs Neue Gänsehaut. „Wie sich bei Bach die unterschiedlichen Stimmen abwechseln und dann ineinander übergehen, ist schon sau-cool“, sagt er anerkennend. „Bach ist ein verdammtes Genie.“
Aber nicht nur klassische Stücke faszinieren den jungen Organisten, sondern für ihn sind auch die liturgischen Werke nicht vom Instrument zu trennen. Hat er sich eine Zeit lang zwar auch Konzertorganisten im Web angeschaut, kommt er doch immer wieder zur kirchlichen Musik zurück. „In Zukunft werden viele alte Kantoren in Rente gehen, und dann möchte ich, dass die Orgel-tradition bewahrt wird“, beschreibt er. „Orgel gehört doch zum Gottesdienst dazu. Ich kann mir auf jeden Fall kein ‚Ich glaube an den Vater‘ mit Gitarre vorstellen.“
Sobald Felix gut genug ist, möchte er die Ausbildung noch weiter professionalisieren und alle Scheine abschließen, die benötigt werden, um die Gottesdienste begleiten zu dürfen. Auch irgendwann mit einem Kirchenchor zu spielen, stelle er sich spannend vor, erklärt er: „Musik in Gemeinschaft ist mir schon wichtig. Mit der Geige mache ich das zum Beispiel im Orchester der Musikschule, aber mit der Orgel ist das aktuell natürlich noch etwas schwieriger.“ Sein größter Traum aber sei, irgendwann vielleicht Filmmusik komponieren zu dürfen. Egal ob mit der Geige, die etwas poppiger ist, oder aber mit der Orgel, die einen schier durchdringenden Klang bildet, Felix hat schon Szenen im Kopf, die er gerne einmal unterspielen würde. „Ob der Traum irgendwann Wirklichkeit wird, steht natürlich in den Sternen“, sagt er und schmunzelt erneut. „Das ist ja wirklich schwierig, in den Bereich reinzukommen.“
Weniger schwierig, aber ebenfalls kompliziert ist das Vorspielen auf dem Instrument. Kann er die Geige überallhin mitnehmen, ist Felix mit der Orgel ortsgebunden und übt oft alleine in der Kirche. Schnell hat ihm die Gemeinde dafür damals sogar einen eigenen Schlüssel zur Verfügung gestellt. Genießt er meistens die Ruhe des beeindruckenden Gebäudes, hat er auch schon einmal seine besten Freunde mitgebracht, um ihnen das Instrument zu zeigen. „Die fanden das schon cool, aber dann war das Thema auch schnell wieder erledigt“, sagt er lachend. „Orgel ist halt wirklich auch nur für diejenigen interessant, die etwas mit Kirche zu tun haben.“ Und dennoch empfiehlt der 15-Jährige anderen Jugendlichen, die Kirche mögen und auf der Suche nach einem neuen Instrument sind, die Orgel in den Blick zu nehmen. „Am Ende“, so schließt der Jung-Organist ab, „gibt es auf keinem Instrument so eine große Klangvielfalt wie auf der Orgel. Du kannst hier nie fertig werden.“