Die Zukunft im Blick

Auf der Werkwoche für Kirchenmusik im Kloster Steinfeld wurde reichlich gesungen und diskutiert

Der Regensburger Domkapellmeister Christian Heiß probt mit den Teilnehmern anspruchsvolle Stücke verschiedener Epochen sowie eigene Chorwerke. (c) Andreas Hoffmann
Der Regensburger Domkapellmeister Christian Heiß probt mit den Teilnehmern anspruchsvolle Stücke verschiedener Epochen sowie eigene Chorwerke.
Datum:
12. Apr. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 15/2023 | Arne Schenk

Die Coronapandemie war insbesondere für die Kirchenmusik eine Zeit der besonderen Herausforderungen. Neue Wege mussten gefunden werden, denn einerseits waren gemeinsame Proben für Chöre und Ensembles nicht möglich, andererseits waren die Musizierenden gezwungen, das fehlende Singen der Gemeinde in den Gottesdiensten aufzufangen.

Die Arbeit hört weiterhin nicht auf. Viele Strukturen müssen wieder mit Leben gefüllt werden, falls sie nicht vollends zum Erliegen gekommen sind. Gerade jetzt sind Kontakt und Austausch vonnöten, um zu verdeutlichen, dass die Verantwortlichen und Ausführenden nicht allein sind. Dazu organisierte das Bistum Aachen jüngst eine Werkwoche für Kirchenmusik für hauptamtliche Kirchenmusikerinnen und -musiker im Kloster Steinfeld.

Mit der „Werkwoche für Kirchenmusik“, einer Weiterentwicklung der Werktage der vergangenen Jahre, sollte die erlebbare Gemeinschaft im Musizieren und gemeinsamen Feiern der Tagzeitenliturgie neu bestärkt und motiviert werden. Gerade nach den anstrengenden und belastenden Erfahrungen der „kirchenmusikalischen Isolation und Einschränkung“ in Corona sei dies enorm wichtig, betont Kirchenmusikreferent Michael Hoppe.

Kirchenmusiker stünden permanent unter dem Druck, immer liefern zu müssen. Daher sei die Gefahr groß, dass sie sich zu Einzelkämpfern entwickelten. „Deswegen war es uns wichtig, eine Gemeinschaft, einen Austausch und ein Miteinander zu ermöglichen“, erklärt Hoppe.

Als Referent gelang es ihm, den Regensburger Domkapellmeister Christian Heiß, Leiter der Regensburger Domspatzen und Komponist für praxisnahe Chormusik, zu gewinnen. In vier Chorproben arbeitete dieser konzentriert und motivierend mit den 37 Teilnehmenden der Werktage an ausgewählter Chorliteratur.  Zudem nahm Bischof Helmut Dieser die Einladung zu einer offenen Gesprächsrunde über die Chancen und Perspektiven der Kirchenmusik im Bistum Aachen wahr.

Gerade vor dem Hintergrund der Umsetzungsphase im „Heute bei dir“-Prozess hält Michael Hoppe dies für einen guten Zeitpunkt, um auch die Zukunft der Kirchenmusik im Blick zu behalten. „Da wird viel von den pastoralen Berufen gesprochen, sprich Pastoral- und Gemeindereferenten und Priester, aber es gibt wohl kaum eine Berufsgruppe, die Woche für Woche so viel mit Menschen unterschiedlicher Altersgruppen zu tun hat wie die Kirchenmusiker“, bekräftigt Hoppe. So gehöre die Kirchenmusik auch mit dazu, wenn die Sprache auf die Anbindung an das pastorale Personal, Teambildung und multiprofessionelle Teams komme. Die Musik böte noch einen ganz anderen Ansatz, um mit pastoralen Botschaften an Menschen heranzugehen.

Gleichzeitig gebe es wie bei den Priestern, Pastoral- und Gemeindereferenten einen gravierenden Personalmangel in der Kirchenmusik, erklärt Michael Hoppe. Ein Kirchenmusiker, der nur noch für einen Kirchturm zuständig ist, sei die absolute Ausnahme. Alle hätten mindestens drei bis fünf Kirchorte, die bespielt werden müssten. Auch seien die Verantwortlichen viel unterwegs, so in Kindertagesstätten und Schulen, um Verbindung in den Chorgruppen herzustellen; von den Proben einmal ganz abgesehen. „Sie leisten da sehr viel. Wir müssen aufpassen, dass sie sich nicht total aufreiben“, meint Hoppe.

419 Chöre sind im Bistum Aachen offiziell verzeichnet, Kinder- und Jugendchöre eingeschlossen. Für diese sind – ebenfalls offiziell – 143 Musikerinnen und Musiker in Voll- oder Teilzeit zuständig. Plus einer Dunkelziffer an ehrenamtlichen oder Honorarkräften. Wenn im Gegenzug an renommierten Musikhochschulen wie der Kölner Musikhochschule nur insgesamt 25 Studierende Katholische Kirchenmusik belegen, davon ein einziger Neuzugang, sei das schon tragisch.

Gute und vernünftig bezahlte Stellen sind auf der Suche nach Bewerbern 

In einer Diskussionsrunde gab Bischof Helmut Dieser (zwischen Michael Hoppe [l.] und Markus Offner) ein deutliches Credo für die Kirchenmusik ab. (c) Andreas Hoffmann
In einer Diskussionsrunde gab Bischof Helmut Dieser (zwischen Michael Hoppe [l.] und Markus Offner) ein deutliches Credo für die Kirchenmusik ab.

„Wir bekommen mittlerweile die Stellen nicht mehr besetzt“, resümiert Hoppe. „Wir können gute Stellen anbieten, die vernünftig bezahlt werden, aber wir haben keine oder nur ganz wenige Leute, die sich dafür interessieren.“ Das sei nicht nur im Bistum Aachen, sondern bundesweit so. Eine Situation, die auch den Bischof überrascht habe. Dieser habe selber eine Vita in Sachen Chorarbeit und als Junge im Kirchenchor gesungen. „Da hat er einfach auch die pastorale Dimension von Kirchenmusik erlebt“, berichtet Michael Hoppe. Dass sich der Bischof trotz Stress und vieler Termine Zeit genommen hat, um nach Steinfeld zu kommen, sei schon ein deutliches Signal gewesen. „Das haben wir ihm hoch angerechnet.“

Der Bischof wurde auch darauf angesprochen, wie angesichts der pastoralen Räume künftig eine Anstellungsträgerschaft aussehe. Referent Hoppe kann sich ein ähnliches Modell wie bei den pastoralen Berufen vorstellen. So könne eine Musikerin in einem speziellen Pastoralraum arbeiten und parallel dazu in einem angrenzenden Pastoralraum Dienste übernehmen. Dies müsse aber die entsprechende Anstellungsträgerschaft auch so vorsehen, erklärt Hoppe.

„Vor allen Dingen sehe ich die Chance auch in Zeiten von Priestermangel, dass wir durch diese Arbeit vor Ort Kirche halten können.“ Auch ohne Priester ließe sich mit Kirchenmusik eine Liturgie schön gestalten, auch wenn nicht Eucharistie gefeiert wird. Dadurch ergäben sich auch an Orten, an denen sich Gemeinden die Priester oder das Personal teilen muss, Möglichkeiten, eine andere Form von Kirche zu etablieren. „Da sehe ich eine große Chance für die Kirchen.“

Auch wurde bei dem Treffen in Steinfeld bewusst, dass die Bedeutung der Kirchenmusik in der Coronazeit aufgefallen ist, als kaum Chormusik möglich war. Michael Hoppe befürchtet, dass dieses Bewusstsein allmählich wieder schwindet. „Ich würde mir wünschen, dass wir das wirklich im Fokus behalten und darin investieren. Dass wir das als Notwendigkeit ansehen und nicht als Selbstverständlichkeit. Das sind wir eben beileibe nicht.“