Die Wölfin, die eigentlich eine Bärin ist

Wölfin oder Bärin? Griechisch oder römisch? Der Anblick der in der Vorhalle thronenden Tierplastik ist der Aachener Bevölkerung sehr vertraut.

(c) Domkapitel Aachen/Alexander Müller
Datum:
24. Sept. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 39/2024

 Über Jahrhunderte sahen die Menschen in ihr den Wolf aus der Dombausage, die „Lupa Carolina“. Dabei galt kunsthistorisch schon lange als gesichert, dass es sich bei der Skulptur nicht um einen Wolf, sondern um eine Bärin handelt. 

Herkunft, Datierung und Zusammensetzung waren jedoch unklar. Zuletzt war sie in Fachkreisen als mutmaßlich hellenistisch gedeutet worden. Diese Theorie kann nun ins Reich der Legenden verbannt werden. Anlässlich der geplanten Ausstellung hatten die Domschatzkammer Aachen und das Diözesanmuseum Paderborn eine Untersuchung veranlasst, die Fragen zur antiken Herstellungstechnik sowie zu späteren Reparaturen und Restaurierungsmaßnahmen klären sollte.

Bestätigt hat sich, dass der Guss der Tierplastik nach einem indirekten Wachsausschmelzverfahren erfolgt ist. Anhand sichtbarer Arbeitsspuren im Innern der Bronze konnten entsprechende Abläufe im Herstellungsprozess rekonstruiert werden. Der Guss wird im wissenschaftlichen Exposé als sehr qualitätvoll bewertet, Gussfehler sind demnach kaum vorhanden. Wirbelstrommessungen und Röntgenfluoreszenzanalysen ergaben, dass die Bärin aus einer bleihaltigen Legierung gegossen wurde, die mit römischen Bronzen vergleichbar ist. Hohe Zugaben an Blei ermöglichten einen dünnwandigen Guss und erhöhten die Abbildungsgenauigkeit.

Dadurch konnten die Hersteller feine Details wie die Fellzeichnung, das abgenutzte Gebiss oder die vorhandenen Wunden – es handelt sich nicht um ein Jungtier, sondern um eine ältere, kampferprobte Bärin – anlegen. Herstellungstechnik und Materialanalysen deuten auf eine römische Werkstatt hin. Einen hellenistischen Ursprung schließt die von Frank Willer, Lisa Meffire und Roland Schwab verfasste Untersuchung aufgrund der Bleiisotopendaten aus.

>>In der Aachener Domschatzkammer sind wir froh und dankbar über die wunderbare 
Kooperation.<<

Birgitta Falk

An der Bärin lassen sich zwei Reparaturphasen rekonstruieren: Schon lange war bekannt, dass der linke Vorderlauf und die rechte vordere Tatze aufgrund eines Schadens im Jahr 1820 erneuert worden waren. Neu ist, dass offenbar bereits zuvor der rechte Vorderlauf ausgewechselt wurde. Die Ergänzungen des Beins weichen von der Bronzelegierung des Körpers deutlich ab.

Birgitta Falk, die Leiterin der Aachener Domschatzkammer, findet die neuen Erkenntnisse hoch spannend und wertvoll. „In der Aachener Domschatzkammer sind wir froh und dankbar über die wunderbare Kooperation mit dem Paderborner Museum. Unsere Bärin, ein in seiner Komplexität weithin unterschätztes Kunstwerk, war bisher kaum erforscht. Durch die Ausstellung wurde es möglich, die Figur, ihren Zustand und ihre Geschichte umfassend zu untersuchen – mit vielen erstaunlichen Ergebnissen. In Paderborn thront die Bärin nun ganz prominent im Eingangsbereich der Ausstellung, wodurch die Schönheit und künstlerische Qualität dieses antiken Kunstwerks auch einmal außerhalb Aachens sichtbar wird!“