Zwei Jahre Pandemie, Krieg in Europa, Inflation und eine drohende Rezession, dazu die Sorge vor der Zukunft: Zu Klagen gäbe es allein aus diesen Gründen genug. Viele Menschen plagen auch im Alltag Sorgen. Das reicht von der nächsten Klassenarbeit bis hin zu einer schweren Krankheit. In St. Mariä Himmelfahrt Geilenkirchen nimmt eine Klagemauer die Sorgen und Nöte auf.
Auch Kinder haben Sorgen. Für sie gibt es den Sorgenfresser: Das ist ein kleines buntes Monster mit sympathischem Gesichtsausdruck. Meist hat er als Mund einen Reißverschluss. Dahinter kann man kleine Zettel verschließen, auf die man geschrieben hat, was einen bedrückt. Der Streit mit der Freundin zum Beispiel oder eine schlechte Note im Rechnen. Und natürlich kann man dem Sorgenfresser auch alles mündlich anvertrauen Wie der Teddy hält er sich an seine Schweigepflicht.
Erwachsene könnten ebenfalls dann und wann einen Sorgenfresser gebrauchen. Wer in seinem Glauben lebt, hat ihn immer dabei. Im Gebet werden die Sorgen, Wünsche und Hoffnungen vor Gott getragen. Mündlich oder geschrieben: Allein seine Gedanken zu formulieren, hat eine entlastende Wirkung. Diese Wirkung soll während der Fastenzeit die Klagemauer in St. Mariä Himmelfahrt Geilenkirchen bieten.
Fünf Reihen hoch, zwölf Ziegelsteine breit: So umgibt die Klagemauer das Kreuz. Viele kleine Öffnungen in den Steinen sind bereit, die Zettel mit den Gedanken der Kirchenbesucher aufzunehmen. „Sie lädt dazu ein, alles Schwere, Belastende und Bedrückende in Worte zu fassen“, sagt die Gemeinde in einer Mitteilung. „Die Gefühle von Trauer und Wut, Angst und Sorge, Schmerz und Leid, Enttäuschungen und Leiden können darin Ausdruck finden und sich von der Seele geschrieben werden.“
Die Klageschreiben können direkt in die Maueröffnungen gesteckt oder in einen Sammelkasten eingeworfen werden. Sie werden dann später in die Mauer eingefügt. Die Inhalte der Zettel bleiben nicht ungehört. Sie werden in besonders gestalteten Fastengottesdiensten am Sonntagabend aufgenommen. Für die Gottesdienstbesucher könnte das ein Moment sein, an dem sie feststellen, dass sie mit ihren Sorgen nicht alleine sind – unabhängig davon, ob sie ihre Gedanken der Mauer anvertraut haben oder nicht.
Die wohl bekannteste Klagemauer ist die auf dem Tempelberg in Jerusalem. Sie wird von den Juden oft einfach nur „westliche Mauer“ genannt. Die frühere Mauer eines Tempels ist in erster Linie ein Ort des Gebets. Viele Gläubige stecken in die Mauerritzen kleine beschriebene Zettelchen. Darauf stehen aber oft keine Klagen, sondern Gebete, Worte des Danks oder Wünsche. An diesem Ort fühlen sie ihre Verbindung zu Gott. Die Zettel, die aus den Mauerritzen fallen und die, die darin stecken, werden vor dem Festen Pessach (15. bis 23. April) und Rosch ha-Schana (25. bis 27. September) aufgesammelt und auf dem Ölberg vergraben.
Auch der roten Ziegelmauer in St. Mariä Himmelfahrt kann man seine Dankbarkeit übergeben. Wer ihr keine Sorgen anvertrauen möchte, sondern vielleicht Lichtblicke und glückliche Momente, ist dazu ebenfalls herzlich eingeladen.
Fastengottesdienste sonntags um 19 Uhr