Die Rückkehr des Glockengeläuts

Sanierung im Turm der Alten Kirche Körrenzig soll alte Fehler beheben

Zimmermann Dieter Lüttgens schaut hinauf zur Luke im Glockenturm. Dort hindurch müssen die  sperrigen, bis sechseinhalb Meter langen Balken geführt werden. (c) Arne Schenk
Zimmermann Dieter Lüttgens schaut hinauf zur Luke im Glockenturm. Dort hindurch müssen die sperrigen, bis sechseinhalb Meter langen Balken geführt werden.
Datum:
5. Aug. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 32/2020 | Jana Gehlhaar und Arne Schenk

Stumm erzählen sie von vergangenen Zeiten, hoch oben hängt die eine, während die andere bereits auf dem Boden steht: die Glocken der Alten Kirche Linnich-Körrenzig. Letzterer gegenüber verweilt das alte Uhrwerk des Gotteshauses. Auch dieses gibt keinen Ton mehr von sich. Nach dem Willen des Vereins „Rettet die Alte Kirche Körrenzig“ und des Vorstands der Pfarrei St. Peter Körrenzig soll sich das zumindest bei den Glocken bald ändern. Nach Jahrzehnten könnten beide bereits zum Jahresende wieder ihre Klänge ertönen lassen.

Gemeinsam haben Verein und Pfarrei in den vergangenen Jahren nach Wegen gesucht, den über 500 Jahre alten Glockenstühlen der Alten Kirche wieder Leben einzuhauchen. So gilt es, schwerwiegende Fehler nun endgültig zu beseitigen. In den letzten Jahrhunderten wurden die Stühle oft saniert und mit viel Stahl bearbeitet. „Es ist sehr unfachmännisch repariert worden“, berichtet Hubert Wallrafen aus Waldfeucht, der als Sachverständiger für die Statik der Kirchenbauten im Bistum Aachen zuständig ist. Zudem erlitten die Stühle besonders in den letzten 40 Jahren, in denen die Kirche leerstand, erhebliche Feuchtigkeitsschäden durch Regen und Pilzbefälle, die das Holz morsch werden ließen, erklärt Manfred Vieten, Erster Vorsitzender des Vereins „Rettet die Alte Kirche Körrenzig“. Auch Holzwürmer hätten ihr Unwesen im Gebälk getrieben, zusätzlich machen Kriegsschäden diesem zu schaffen.

Bereits in der frühen Planungsphase wurde klar, dass das Projekt nur durch Fördergelder zu tragen ist. Nach zahlreichen Gesprächen mit dem Bistum Aachen, dem Landschaftsverband Rheinland und der Unteren Denkmalbehörde wurde ein Konzept entwickelt und sich damit um eine Zuwendung im Rahmen des NRW-Denkmalförderprogramms 2020 beworben. „Da haben wir knappe 30000 Euro zugesagt bekommen“, erzählt Vieten. „Das hat uns dann ermöglicht, das Projekt anzugehen.“ Zusätzlich müssen Pfarrei und Förderverein ungefähr 50 Prozent der Umbaufinanzierung, also weitere 30000 Euro aufwenden. Nicht vorausgesehene Schäden treiben die Kosten noch weiter in die Höhe. Die enorme Summe soll durch Spenden und eventuell Mittel der Pfarrei und des Fördervereins beschafft werden.

Durch die Förderung des Denkmalförderprogramms wurde umgehend mit den vorbereitenden Arbeiten und statischen Berechnungen begonnen. Die Restaurierungsarbeiten selbst starteten Ende Juni. Die alten Verstärkungselemente sollen professionell durch Eichenholz aus Zweitverwendung, das also bereits einmal verarbeitet wurde, denkmalgerecht wiederhergestellt werden. So lässt sich die statische Voraussetzung zur Nutzung der schweren Bronzeglocken, die 950 und 1200 Kilogramm wiegen, wieder herstellen. Obwohl recht schwer zu beschaffen, hat das Eichenholz aus Zweitverwendung  den Vorteil, dass es bereits vollständig trocken und mehr oder weniger gut zu verarbeiten ist. Dabei soll so viel wie möglich des alten Gebälks erhalten bleiben. „Wenn es Hölzer gibt, die nicht mehr tragfähig sind, dann legen wir ein neues Holz daneben“, bekräftigt Wallrafen. „Das alte lassen wir drin.“ So ließe sich die Baugeschichte auch später noch verfolgen.

Damit die schweren Bronzeglocken die Glockenstühle während der Sanierungsarbeiten nicht zusätzlich belasten oder unter ihrem Gewicht alles einstürzen lassen, werden sie nacheinander demontiert und oberhalb des Gewölbes der Kirche abgesenkt. Denn die Restaurierung kann nur abschnittsweise erfolgen. Bisher wurde die 950-Kilo-Glocke aus der Aufhängung gelöst und unter die andere Glocke geschoben. Der Restaurator und ausführende Zimmermann Dieter Lüttgens aus Aachen kann so gefahrlos die beschädigten Balken des Glockenstuhls ersetzen.

Wie viele Menschen gehen dabei zu Werke? „Ich arbeite allein“, schmunzelt Lüttgens und zeigt auf einen unscheinbaren Seilzug: „Allein mit meinem Freund hier.“ Der Seilzug hilft sogar, massive Eichenholzbalken von einer Länge bis zu sechseinhalb Metern durch eine kleine Dachluke im Glockenturm zu manövrieren. Das ist Maßarbeit und schon eine Kunst für sich. Anders wurde es im 15. und 16. Jahrhundert beim Bau der Glockenstühle jedoch auch nicht gemacht. Im engen Raum bleibt einem aber auch nichts anderes übrig. Den Balken direkt über dem Kirchgewölbe zu bewegen, ist garantiert ein richtiger Balanceakt. Vor lauter Balken und Andreas-Kreuzen muss man sich erst einmal richtig orientieren.

Dabei ist es im Kirchturm auch noch sehr dunkel. Baustellenlampen beleuchten zwar die Arbeiten, aber Sonnenlicht bekommt der Glockenstuhl kaum zu sehen. Zuvor befanden sich dort zudem viereinhalb Tonnen Dreck und Müll aus allen Jahrhunderten. „Das hat man früher teilweise auch deswegen gemacht, um solche Gewölbe halbwegs begehbar zu machen“, unterstreicht Manfred Vieten. Der Müll musste unter hohem Aufwand weggeschafft werden. Beachtliche Schäden hat er zum Glück nicht verursacht.
Darunter fand man Lehm, Stroh, Kieselsteine und sogar menschliche Knochen. Keine Sorge – im Glockenstuhl der Alten Kirche ist niemand in jüngster Zeit zu Tode gekommen. Die Knochen ließen sich auf die Bauzeit der Kirche zurückdatieren, und zwar ins 15. Jahrhundert um 1480. Manfred Vieten geht davon aus, dass die Knochen während des Auffüllens aus der Erde des Friedhofs rund um die Kirche dort hingekommen sind. 
Wenn die Sanierung des ersten Glockenstuhls beendet ist, wird die erste Glocke wieder in ihrer Aufhängung befestigt. Erst dann kann mit den Arbeiten am zweiten Glockenstuhl begonnen werden. Baustatik-Ingenieur Hubert Wallrafen rechnet mit einer Vollendung der Sanierungsarbeiten Ende dieses Jahres. Strammer Zeitplan. Dass die 500 Jahre alten, aus der Entstehungszeit der Kirche stammenden Bronzeglocken am Ende der Sanierungsarbeiten endlich wieder läuten können, ist das größte Bestreben des Vereins „Rettet die Alte Kirche Körrenzig“ und der Pfarrei St. Peter Körrenzig. Womöglich bereits zum Weihnachtsfest?

Weitere Informationen sind unter www.altekirche-koerrenzig.de abrufbar.

Die Renovierung des Glockenturms

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