Die Reformation der Kirche

Zu mehr Selbstbewusstsein und den Mut, querzudenken, wollen Olaf Nöller und Wilhem Bruners ermuntern

Die Ökumene ist unumkehrbar und wird sich in Zukunft in den Gemeinden noch vertiefen: Das war der Tenor des Gesprächs zwischen dem evangelischen Pfarrer Olaf Nöller und dem katholischen Priester Wilhelm Bruners, an dem sich auch das Publikum rege beteiligte. (c) Garnet Manecke
Die Ökumene ist unumkehrbar und wird sich in Zukunft in den Gemeinden noch vertiefen: Das war der Tenor des Gesprächs zwischen dem evangelischen Pfarrer Olaf Nöller und dem katholischen Priester Wilhelm Bruners, an dem sich auch das Publikum rege beteiligte.
Datum:
13. Feb. 2018
Von:
Aus der der KirchenZeitung, Ausgabe 07/2018 | Garnet Manecke

Die Frage ist provokant, aber durchaus berechtigt: Brauchen wir eine neue Reformation? Oder hat sie längst begonnen? Über dieses Thema unterhielten sich Olaf Nöller, evangelischer Pfarrer in Mönchengladbach-Rheydt und Wilhelm Bruners, katholischer Priester aus Mönchengladbach, mit Gläubigen beider Konfessionen. Das Fazit des Abends: Kirche muss sich für mehr Beteiligung öffnen, die Ökumene wird in Zukunft wichtiger denn je.

Mit den Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum im vergangenen Jahr rückte auch die gelebte Ökumene ins Rampenlicht der Aufmerksamkeit. In Mönchengladbach hat die Zusammenarbeit von protestantischen und katholischen Christen eine langjährige und intensiv gepflegte Tradition. Mit dem Satz „Ohne Ökumene ist Katholischsein nicht denkbar“, sprach Bischof em. Mussinghoff bei der Abschlussfeier der Heiligtumsfahrt 2014 vielen aus dem Herzen. Auch in Heinsberg arbeiten Katholiken und Protestanten vertrauensvoll zusammen. Nicht nur in sozialen Projekten, auch in Gottesdiensten ist das freundschaftliche Mit- einander immer wieder zu spüren. Aber Fakt ist auch, dass die Ökumene im Stadtgebiet in unterschiedlichen Entwicklungsstadien steckt – bistumsweit und oder gar deutschlandweit sieht es da nicht anders aus. Die Diskussion, wie viel Ökumene es denn sein muss, ist in vollem Gange: Während die einen gerne schneller voran kommen möchten, treten die anderen auf die Bremse. Diese Frage brennt den Menschen in den Herzen, das zeigt der Beginn des interkonfessionellen Gesprächs, das Olaf Nöller und Wilhelm Bruners anregen. Die beiden Geistlichen haben sich nicht darauf beschränkt, auf dem Podium einen Dialog unter sich zu führen, sondern haben das Publikum aktiv einbezogen. „Was meinen Sie:  Brauchen wir eine Reformation? Oder hat sie längst begonnen?“, fragt Bruners das Publikum. „Wenden Sie sich Ihren Sitznachbarn zu und sprechen Sie darüber ein paar Minuten.“

Sofort beginnen angeregte Gespräche und die Antworten auf die Fragen fallen klar aus: Ja, wir brauchen eine Reformation. Ja, sie hat bereits begonnen. „Die Kirche ist permanent in einer Reformation“, sagt ein Zuhörer. „Die Suche nach Gott findet nicht mehr statt“, sagt eine Frau. „Die Ausgangsvoraussetzungen heute sind ähnlich wie damals bei Martin Luther. Aber die Menschen treten nicht mehr so in Beziehung mit Gott.“ Die Voraussetzung für die Reformation war eine Unzufriedenheit bei den Gläubigen Voraussetzung der Reformation von 1517 sei eine große Unzufriedenheit der Gläubigen gewesen, berichtet Nöller in seinem kleinen Exkurs in die Historie. „Es gab ein starkes Bedürfnis nach Beteiligung. Besonders das Teilen des Kelches war einer der Kritikpunkte. Luther hat die Anliegen intellektuell in die Hand genommen. Aber der Boden war vorbereitet.“

Diese latente Unzufriedenheit ist auch heute vielfach zu spüren, wenn man mit den Menschen in den Gemeinden spricht. Die mangelnde Beteiligung, vor allem von Frauen, wird in der katholischen Kirche immer wieder kritisiert. Die kürzlich veröffentlichten Osnabrücker Thesen zum Ausschluss von Frauen von geweihten Ämtern haben die Diskussion wieder befeuert. Aber die Reformation war weit mehr als der Aufstand von Unzufriedenen und hatte für die Gesellschaft Folgen, die weit über die Kirchenkreise hinaus wirkten. „Die Übersetzung der Bibel gab der Bildung im Volk einen großen Schub“, berichtet Nöller. „Lange waren Evangelische gebildeter als Katholiken, weil sie die Bibel lasen.“ Damals sei ein anderes Kirchenverständnis entstanden: Kirche war nicht mehr nur da, wo ein Kirchenoberhaupt präsent ist.

 

Mit den Strukturveränderungen wird sich ein neues Kirchenverständnis entwickeln

Mit den sich abzeichnenden Strukturveränderungen werde sich auch in der katholischen Kirche ein neues Kirchenverständnis entwickeln, ist Wilhelm Bruners überzeugt. Er benannte sieben Punkte, die die Reformation von Kirche kennzeichnen. Einer ist die sich verändernde Struktur. „Ist Kirche im Dialog untereinander? Ist sie ein gemeinschaftliches Unternehmen?“, fragt er. „Wenn Bischöfe immer noch denken, sie seien Anführer eines Bistums, dann kann man nur sagen: Du bist herzlich eingeladen, mit uns gemeinsam zu gestalten.“ Dass sich die Zeiten der anführenden Geistlichen in den Gemeinden und Bistümern dem Ende zuneigten, sahen auch viele im Publikum so. Allerdings reichten die Zukunftsszenarien, die das Publikum in seinen Beiträgen darstellte, von einer neuen Kirche der Beteiligung bis hin zur Befürchtung einer Abspaltung von neu denkenden Gruppen aus der katholischen Kirche. Bruners ermunterte die Christen, sich selbstbewusst auf den Weg zu machen und es zu wagen, quer zu denken. „Ich persönlich glaube, dass wir in immer größeren Strukturen die kleinen Hauskirchen wieder entdecken“, sagt er. „Wir müssen zum Evangelium zurückkehren. Jesus’ Projekt ist unsere Herzenssache.“