Die Lebens-Begleiterin

Maike Seelhorst ist seit September 2020 Militärseelsorgerin am Bundeswehr-Standort Aachen

Maike Seelhorst absolvierte im Bistum ihre Ausbildung zur Pastoralreferentin. Für sie war früh klar: Militärseelsorge passt zu ihr. (c) Kathrin Albrecht
Maike Seelhorst absolvierte im Bistum ihre Ausbildung zur Pastoralreferentin. Für sie war früh klar: Militärseelsorge passt zu ihr.
Datum:
1. Dez. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 48/202 | Kathrin Albrecht

Sie hat das Ohr bei der Truppe und ein offenes Ohr für die Truppe – seit einem guten Jahr ist Maike Seelhorst als katholische Militärseelsorgerin am Bundeswehr-Standort Aachen eingesetzt. Eine Aufgabe, die sie schon früh gereizt hat. 

Es war 2012 auf dem Katholikentag in Mannheim. Da blieb Maike Seelhorst auf der „Meile der Möglichkeiten“ am Stand der Militärseelsorge hängen und ließ sich erzählen, „wie sie Soldatinnen und Soldaten in ihrem Arbeitsalltag begleiten. Das klang so spannend, dass ich dachte, das wäre etwas für mich“, erinnert sie sich in ihrem Büro in der Aachener Lützow-Kaserne, seit September 2020 einer ihrer vier Arbeitsplätze. Denn zum Bundeswehr-Standort Aachen mit der Technischen Schule des Heeres gehören insgesamt vier Kasernen. Neben der Lützow- Kaserne im Stadtteil Forst gehören auch die Dr.-Leo-Löwenstein-Kaserne, die Theodor-Körner-Kaserne und die Donnerberg-Kaserne in Eschweiler dazu. Zudem ist sie für Geilenkirchen mit der Selfkantkaserne und der Nato-Airbase zuständig. Ihr Weg nach Aachen kurz zusammengefasst: Theologiestudium an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen und an der Ewha Women's University Seoul (Südkorea), dann eine dreijährige Ausbildung zur Pastoralreferentin in der  Gemeinde St. Johannes M.V. in Stuttgart. Im Juli 2020 erhielt sie ihre Beauftragung als Pastoralreferentin.

Vom Bistum Rottenburg-Stuttgart ist sie an das Katholische Militärbischofsamt Berlin ausgeliehen. Ihr Dienst in Aachen läuft zunächst über fünf Jahre. Für Aachen hat sie sich bewusst entschieden: „Es macht mir total Freude zu unterrichten, und deswegen wollte ich dann auch ganz bewusst an einen Schulstandort der Bundeswehr, weil ich hier die Möglichkeit habe, viel Lebenskundlichen Unterricht zu machen.“ Lebenskundlicher Unterricht – das ist kurz gesagt angewandte Ethik für Soldatinnen und Soldaten. Zu gesellschaftlichen, politischen wie auch privaten Themen sollen Soldatinnen und Soldaten Raum bekommen zu reflektieren. Diesen Raum bietet der Lebenskundliche Unterricht. Maike Seelhorst gibt ein Beispiel: „Gute Führung ist bei der Bundeswehr immer ein wichtiges Thema. Was macht zum Beispiel eine gute Führungsperson aus?“ Eine solche Frage erarbeitet sie dann anhand des Psalms 23: „Ein Hirte ist ja auch eine Führungsperson.“

 

>>Einen Arbeitsalltag gibt es nicht.<<

Maike Seelhorst

 

2001 hat die Bundeswehr alle militärischen Laufbahnen auch für Frauen geöffnet. 
Sind Frauen inzwischen bei der Truppe angekommen und werden sie akzeptiert? Maike Seelhorst hat das Gefühl, dass es so ist. „Der große Tenor ist, dass es selbstverständlich ist, dass Frauen in der Bundeswehr sind.“ Auch die Militärseelsorge selbst wird langsam weiblicher. Neben ihr sind vier weitere Pastoralreferentinnen in den rund 80 Katholischen Militärpfarrämtern der Bundeswehr als Militärseelsorgerinnen im Einsatz. Die Militärseelsorge, berichtet sie, werde als Institution sehr geschätzt. Maike Seelhorst ist zwar Zivilistin, hat aber Einblick in alle Hierarchieebenen am Standort. Allerdings: „Meine These ist, dass viele schon gar nicht mehr wissen, dass da noch Kirche dahintersteckt.“ Als Seelsorgerin sei sie zuständig für alle Soldatinnen und Soldaten am Standort. Das sei konfessions- und religionsoffen: „Es geht um Lebensbegleitung.“ Maike Seelhorst teilt sich die Arbeit mit ihrem evangelischen Kollegen. Beiden steht außerdem eine Pfarrhelferin zur Seite.

Die monatlichen Standortgottesdienste bereitet sie gemeinsam mit den Soldatinnen und Soldaten vor. Doch Kern ihrer Arbeit ist das persönliche Gespräch. Zuhören, gemeinsam die Dinge sortieren und einordnen: „Es gibt viele, die sagen: ,Ich muss mich mal sortieren. Ich habe keine Ahnung, worum es geht, aber ich muss jetzt einfach mal quatschen.’“ Einen Arbeitsalltag gebe es für sie eigentlich nicht, erklärt sie. Ein bisschen „Alltag“ seien die Vorbereitungen zum Lebenskundlichen Unterricht und zu den Gottesdiensten. Bei der Militärseelsorge gehe es immer um ganz existenzielle Fragen, unterstreicht Maike Seelhorst. Mit ein Grund, warum sie dieses Arbeitsfeld so spannend findet.

Das Jahr 2021 hatte es in sich: Vor allem die Flutkatastrophe im Sommer und der Abschluss des Afghanistan-Einsatzes haben nachhaltig Eindruck hinterlassen. Die Truppe aus Aachen half bei der Evakuierung des St.-Antonius-Hospitals in Eschweiler und im Stadtarchiv Stolberg. Für viele furchtbar waren die Ereignisse rund um die Beendigung des Afghanistan-Einsatzes im August. Auch die Aachener waren in den vergangenen 20 Jahren vor Ort im Einsatz und mussten nun mitverfolgen, wie die Taliban im Handstreich Provinz um Provinz einnahmen, wie Kameraden vor Ort versuchten, in all dem Chaos Einsatzkräfte und afghanische Ortskräfte zu evakuieren. Das habe, erzählt Maike Seelhorst, die Soldatinnen und Soldaten sehr belastet: „Da war viel Wut, Enttäuschung. Und Sorge um die afghanischen Ortskräfte und um die Einsatzkräfte, die die Evakuierung abgesichert haben.“ Auch in dieser schwierigen Zeit war sie da.

 

>>Es geht um existenzielle Fragen.<<

Maike Seelhorst

 

Bald, hofft sie, wird es auch für sie selbst in einen Auslandseinsatz gehen. „Es wird noch einmal ganz andere Zugänge im Gespräch ermöglichen“, sagt Maike Seelhorst. Das Gemeinschaftsgefühl, aber auch das Zerrissensein zwischen Auftrag im Ausland und der Familie daheim – auch dabei wird sie das Leben der Soldatinnen und Soldaten begleiten.