Die Vorbereitungen auf den Heiligen Abend laufen in Waldfeucht auf Hochtouren. Seit November proben Kinder aus dem Ort und den benachbarten Dörfern Brüggelchen und Frilinghoven das Krippenspiel. In diesem Jahr sind besonders viele Mädchen und Jungen dabei. Ein Probenbesuch in St. Lambertus Waldfeucht.
„Ihr seid ja Spaßvögel“, die Wirtin kann bei der Anfrage nur den Kopf schütteln. Da stehen Josef und Maria vor ihr und wollen ein Zimmer, ohne reserviert zu haben. Und das, wo gerade durch die Volkszählung Hochsaison in Bethlehem ist. Nein, da hat das Paar Pech. „Da hättet ihr früher kommen müssen. Unser Haus ist voll bis unters Dach. Wir können da nichts machen“, fertigt die Wirtin das Paar ab. Dass Maria und Josef schließlich in einem Stall eine Bleibe finden, verdanken sie den Hirten. Die geben dem Paar den Tipp mit dem Gasthaus „Tholetti“. Dort ist noch ein Stall frei und das Paar zieht bei „Alle Jahre wieder“ ein, um dort zur Heiligen Familie zu werden.
In St. Lambertus Waldfeucht laufen die Proben zum Krippenspiel für den Heiligen Abend. 13 Seiten Text hat das Drehbuch, das der bekannten Weihnachtsgeschichte jede Menge Waldfeuchter Lokalkolorit verleiht. Ein Wirt ist an einen Gastronomen im Ort angehlehnt und auch die örtliche Bäckerei und der Fleischer kommen vor. Überdies wird manche Rolle großzügig auf mehrere Personen erweitert. Das ist dem großen Interesse geschuldet. „In diesem Jahr sind so viele Kinder wie noch nie dabei“, sagt Angela Jochims, die die Proben leitet. 38 Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 15 Jahren machen mit. Jeder hat eine Sprechrolle mit mindestens einem Satz. Entsprechend wuselig gestalten sich die Proben in der Dorfkirche. Immer wird in einer Ecke getuschelt und gekichert, während in einer anderen das Krippenspiel weitergeht. Die ganze Kirche wird dafür zur Bühne.
Egal, wo am Heiligen Abend die Gottesdienstbesucher sitzen: Sie werden wenigstens eine Szene in der ersten Reihe erleben. Dafür sind zum Beispiel die Beichtstühle in den Seitengängen zu Gasthäusern geworden. Nicht immer spricht ihr Name dafür, dass hier Qualität zu erwarten ist. Und so dürften Maria und Josef vielleicht heimlich doch ganz froh darüber sein, nicht im „Landgasthof Gut Speien“ die berühmte „gutwürgerliche Küche“ zu probieren.
Wie aktuell die Weihnachtsgeschichte ist, zeigt sich auch an anderen Besonderheiten des Krippenspiels. In Waldfeucht ist sie ein Youtube-Video, das sich eine Gruppe Mädchen anschaut. Solche künstlerische Freiheit dient Jochims auch dazu, dass die Kinder sich mit der Geschichte besser identifizieren können und Spaß daran haben. Denn die Proben und das Textlernen erfordern Disziplin. „Es ist ja für einen guten Zweck“, sagt Mina zu ihrer Motivation. „Es ist viel Arbeit, aber Hauptsache, wir haben Spaß.“
Joyce lernt gerne Texte auswendig. Das Mädchen gehört zur Engelgruppe. Die Rolle hat einen Nachteil. „Ich finde blöd, dass die Engel eine Stunde da stehen müssen“, kritisiert die Siebenjährige die Wartezeiten, wenn andere Szenen gerade an der Reihe sind. Eine Erfahrung, die sie mit allen anderen Kindern bei diesem Projekt teilt.
Viele Kinder sind zum ersten Mal dabei, wie die sechsjährige Lilly, die ein Schaf spielt und sich dem Publikum mit den Worten „Ich bin Schaf Nummer eins – mäh“ vorstellt. Jedes Jahr beobachten Angela Jochims und ihre Co-Leiterin Stefanie Kroll, wie sich Kinder während der Probezeit entwickeln. „Es gibt ganz schüchterne Kinder, die hier aufblühen und auch große Rollen übernehmen“, hat Jochims in all den Jahren, die sie das Krippenspiel schon leitet, gesehen.
Die Rollenverteilung wird schon bei der Anmeldung berücksichtigt. „Dann frage ich die Kinder, was sie werden wollen“, sagt Jochims. Nicht jedes Kind möchte gleich die Hauptrolle. Anton (9) ist ein Wirt, eine Rolle, die er schon im letzten Jahr gespielt hat. Auch Jana (10) hat ihre Rolle als eine der sechs Königinnen schon im vergangen Jahr übernommen. Ihre Zwillingsschwester Sarah steht in der Königinnengruppe an ihrer Seite. Pia wollte von Anfang die Rolle der Maria – weil sich Maria auf Pia reimt.
Die Wünsche der Kinder haben Einfluss auf die Gestaltung des Stückes. Die drei Heiligen Könige sind in Waldfeucht die sechs heiligen Königinnen. Die stehen nun vor dem Balkon zum Palast des Herodes, der sonst die Kanzel ist. Constantin steht dort und schaut auf die Königinnen herab. Als er seinen Mordplan schmiedet, grinst Herodes ganz fies.
Im Chorraum wird es eng. Die Wände sind wegen Renovierungsarbeiten eingerüstet, der Altar steht noch an seinem Platz und neben den Königinnen sind auch die Hirten und Schafe vor Ort. Der Stall ist schon aufgebaut und auch das „Lagerfeuer“ leuchtet. Für die Mädchen und Jungen ist die Szene ein bisschen unübersichtlich und sie kommen durcheinander. Wer muss wo stehen, wer ist jetzt dran mit seinem Satz? Stefanie Kroll greift ordnend ein, schiebt das eine Kind nach links, holt das andere an das Mikro. „An Heilig Abend wird der Altar weggeschoben“, ruft Angela Jochims. „Dann haben wir mehr Platz.“
Matilda Krolls kennt das alles seit vielen Jahren. Schon als sie noch im Kindergarten war, wollte sie unbedingt mitmachen und einer der Engel sein. Sechs Jahre war sie ein Engel, dann wechselte sie ihre Rolle und wurde Erzählerin. Heute ist Matilda 15, am Heiligen Abend wird sie zum 10. Mal dabei sein.