„Die Frauen brauchen Mut“

Brigitte Vielhaus, ehemalige Bundesgeschäftsführerin der KFD, über bewegte Zeiten und neue Aufgaben

Brigitte Vielhaus hat sich in den Ruhestand verabschiedet. „Ich weiß noch nicht, wer ich ohne Erwerbsarbeit bin“, sagt sie über sich. (c) Andreas Bischof
Brigitte Vielhaus hat sich in den Ruhestand verabschiedet. „Ich weiß noch nicht, wer ich ohne Erwerbsarbeit bin“, sagt sie über sich.
Datum:
18. Sept. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 38/2024 | Chrismie Fehrmann

Frauen haben es in der katholischen Kirche nicht leicht – es sind immer noch zu wenige in Führungspositionen, ein Weiheamt wird vom rein männlichen Klerus im Vatikan abgelehnt. Für Brigitte Vielhaus aus Meerbusch kein Grund, der Institution den Rücken zu kehren, sondern ein Motiv, sich weiterhin für Veränderungen einzusetzen, wenn auch jetzt auf kleinerer Ebene. Die 65-jährige Theologin und ehemalige Bundesgeschäftsführerin der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD) hat sich in den Ruhestand verabschiedet. Die KirchenZeitung sprach mit ihr.

Welchen Grund hatten Sie, katholische Theologie zu studieren?

Vielhaus: Ich bin mit fünf Geschwistern samt Opa in einer 45-Quadratmeter-Wohnung aufgewachsen. Mein Vater musste trotz seiner Qualifikation als Schmiedemeister Handlangerdienste in einer Fabrik verrichten. Ich wollte wissen, warum wir arm waren, andere aber nicht. Ich habe mich schon sehr früh mit Gott und Gottesdienst beschäftigt, aber nie wirkliche Antworten bekommen. Ich wollte wissen, „Wer ist Gott?“. Tief in mir fühlte ich mich angesprochen. Eine tolle Klassen- und Religionslehrerin waren auch ein Grund, Theologie zu studieren. Aber: Ich wollte mich nie einem Priester unterordnen, der aufgrund seines Geschlechts einen Beruf ausüben konnte, der für Frauen nicht möglich ist. Ich war und bin autoritätskritisch und wusste, es würde für mich ständige Konflikte bedeuten. 

 

Wie ging es nach dem Studium weiter?

Vielhaus: Ich hörte vom Journalisten Günter Wallraff, der beispielsweise in die Rolle des Türken Ali schlüpfte, um krasse Arbeitsbedingungen aufzudecken. Ich habe mich ebenso unerkannt als Arbeiterin in eine Bonner Magnetfabrik „eingeschlichen“ und Schichtarbeit am Fließband absolviert, um mehr über das Leben dieser Frauen zu erfahren. Schnell war ich Mitglied in der IG Metall. 

 

Wie ging der Lebensweg weiter?

Vielhaus: Es waren die 80er-Jahre, die Zeit der Frauen- und Friedensbewegung. Ich hatte Kontakt mit der Schriftstellerin Herrad Schenk, die das überlieferte Rollenbild der Frau analysierte und kritisierte. Über sie bekam ich eine Stelle als Mitarbeiterin bei den Grünen im Bundestag. Ich war beeindruckt von Antje Vollmer und Waltraud Schoppe, beide frühere Mitglieder des Bundestages. Wir kämpften gegen die umstrittenen Gen- und Reproduktionstechniken. Wir haben die Konventionen auf den Kopf gestellt und wussten: Die Frauen brauchen Mut – auch für einen neuen Platz in der Kirche. 

 

Dann sind Sie nach Mönchengladbach umgesiedelt?

Vielhaus: Ja, ich zog mit meinem kleinen Sohn David und meinem damaligen Ehemann, dem Theologen Ludger Hanisch, nach Mönchengladbach, weil dort der charismatische Priester Edmund Erlemann wirkte und erwerbslosen Theologinnen und Theologen Arbeit anbieten konnte. Er setzte sich vor allem für die Armen, für Obdachlose, Flüchtlinge, Sozialhilfeempfänger (heute Hartz-IV-Empfänger) ein; Menschen, die sonst niemand sieht. Er hat Glauben und Alltagsleben zusammengebracht. Danach habe ich immer gesucht. Dort durfte ich mich nach meinen Fähigkeiten entwickeln und einfach machen. 

 

    >>Wir haben die Konventionen auf den Kopf 
gestellt und wussten, die Frauen brauchen Mut – auch für einen neuen Platz in der Kirche. <<

Brigitte Vielhaus

Wie kamen Sie zur KFD?

Vielhaus: Marianne Henkel, die damalige Frauenreferentin der Region Mönchengladbach, forderte mich auf: ‚Bewirb dich doch bei der KFD.’ Ich bekam eine halbe Stelle als Assistentin des Generalpräses. Gott weiblich zu denken, war zu diesen Zeiten jedoch noch fast unmöglich. 

 

Wie ist Ihr Blick zurück?

Vielhaus: Ich hatte 37 mega-spannende Jahre bei der KFD. Ich konnte mich weiterentwickeln von der Referentin zur Abteilungsleiterin und schließlich zur Bundesgeschäftsführerin. Ich konnte Inhalte mitbestimmen, Frauen im Ehren- und Hauptamt unterstützen, beispielsweise Liturgiewerkstätten und unzählige Tagungen für Frauen veranstalten. Wir haben Raum geschaffen für die Gestaltung von Gottesdiensten, viele Themen vorangetrieben und aus dem Tabu geholt. Beispiele: das Sprechen über Sexualität und die Forderung nach allen Diensten und Ämtern für Frauen. 

 

War dies nicht schwierig?

Vielhaus: Sehr. Die Deutsche Bischofskonferenz wollte uns Ende der 90er-Jahre sogar das Katholischsein aberkennen. Doch der Vorstand hat damals klug gehandelt und mit den Delegierten beschlossen, die Forderungen nicht zurückzunehmen, sondern dafür Leerstellen in der Programmatik stehen zu lassen. 

 

Woran erinnern Sie sich weiter?

Vielhaus: Es gab zwei große Diskussionsprozesse: „Charismen leben, Kirche sein“ – zu Diensten und Ämtern und den Prozess „Frauenleben sind vielfältig“. Mehr als 20 Jahre später haben die KFD-Delegierten die Forderungen nach der Anerkennung aller Lebensformen und nach der Zulassung zu allen Diensten und Ämtern neu beschlossen. Diesmal ohne Schwierigkeiten. 

 

Gibt es Veränderungen?

Vielhaus: Der Synodale Weg, der aufgrund des Missbrauchsskandals die Krise der Kirche anschauen und Reformen vorantreiben wollte, hat neue Türen geöffnet. Die zustimmenden Äußerungen zu den Themen Abschaffung des Zölibats und Weihe von Diakoninnen ließen KFD-Mitglieder und ihre Vertreterinnen in der Synodalversammlung zuletzt aufhorchen. Dass Bischof Helmut Dieser sagt, dass er sich über die Thematik und den Kontakt mit queeren Menschen theologisch verändert, findet unseren Respekt. 

 

Ist das versöhnlich?

Vielhaus: Kirche hat den Menschen viele Verletzungen zugefügt, sie machen mich oft sprachlos und wütend. Hier gibt es noch viel aufzuarbeiten. Viele Menschen haben deswegen verständlicherweise die Kirche verlassen. 

 

Wie geht es mit der KFD weiter?

Vielhaus: Die KFD ist und bleibt ein wichtiger Ort für Frauen in der Kirche. Wir haben durch Inflation, Corona und Krieg und nicht zuletzt durch den demografischen Faktor und eine Beitragserhöhung rund 90000 Mitglieder verloren, liegen jetzt bei etwa 265000 plus der Fördermitglieder. Unser Mitgliedsbeitrag ist im Vergleich zu anderen Verbänden immer noch niedrig und liegt bei 22 Euro für den Bundesverband im Jahr. Für den Diözesan-verband Aachen kommen noch elf Euro hinzu. Es sind also insgesamt 33 Euro. Meine Nachfolgerin wird meine bisherige Stellvertreterin Jutta Flüthmann sein. Sie wird gemeinsam mit den Gremien der KFD den Verband in eine gute Zukunft führen.

 

Wie sieht Ihre persönliche Zukunft aus?

Vielhaus: Ich weiß noch nicht, wer ich ohne Erwerbsarbeit bin. Ich werde bei der KFD in St. Stephanus Lank-Latum weiterarbeiten und meinen Beerdigungsdienst in der Gemeinde fortsetzen. Ich habe großes Vertrauen, auch künftig die richtigen Leute zu treffen und nächste Schritte zu gehen. Außerdem liebe ich die Spaziergänge um unseren See herum und werde – als frühere Leichtathletin – weiterhin die Woche mit einer Tennis-Trainerstunde montags um 8 Uhr beginnen. Das ist genau das Richtige.