Die Faszination der Orgel

Interview mit der Eifler Regionalkantorin Holle Goertz zum „Instrument des Jahres“

Regionalkantorin Holle Goertz an der Orgel der Nikolauskirche in Kall. (c) Andreas Drouve
Regionalkantorin Holle Goertz an der Orgel der Nikolauskirche in Kall.
Datum:
3. März 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 09/2021

Ihr Leben ist die Musik, ihr Reich für das Orgelspiel die Nikolauskirche in Kall. Dort übt sie, wann immer es geht. Die Rede ist von der Eifeler Regionalkantorin Holle Goertz (49). Im Interview spricht die studierte Kirchenmusikerin über das „Instrument des Jahres“, ihren eigenen Weg zur Musik und die Zukunft der Orgel.

Die Orgel gilt als „Königin der Instrumente“. Wie kann man Nichtkenner dafür begeistern?

Die Orgel ist das größte Instrument, das es gibt. Sie kann ein ganzes Orchester darstellen mit ganz vielen verschiedenen Stimmen und allen möglichen Tonhöhen. Die Orgel kann sehr viel Atmosphäre schaffen. Sie kann ganz leise spielen, kann viele Gefühle ausdrücken. Bis hin zum ganz Festlichen und Bombastischen ist das eine unglaubliche Bandbreite, die auf der Orgel von einer einzigen Person beim Spielen dargestellt werden kann.

 

…was eine koordinierte Hand-, Fuß- und Kopfarbeit erfordert.

Genau das ist für mich ein Teil der Faszination an der Orgel: dass man mit rechts und links und mit den Füßen unabhängig voneinander arbeitet und daraus tolle Musik entstehen lässt.

 

Was entgegnen Sie, wenn jemand sagt, die Orgel sei antiquiert und düster?

Am besten, ich zeige, was alles geht auf der Orgel. Es gibt Musik aller Stilrichtungen bis hin zum Jazz, zur Popmusik. Seit die Orgel im Kirchenbereich ist, gibt es immer weiter komponierte Orgelmusik aus allen Epochen bis heute. Insofern ist der Faden nie abgerissen und Orgelmusik nicht antiquiert.

 

Wie sind Sie selbst zur Orgel gekommen?

In meiner Familie wurde seit Generationen viel musiziert. Mit sechs Jahren habe ich mit Klavier angefangen und sang außerdem im Kinderchor unserer Kirchengemeinde. Irgendwann fragte mich der Chorleiter: ‚Möchtest du mal ein Klavierstück auf der Orgel spielen?‘ Ich spielte ein kleines Stück von Johann Sebastian Bach und fand das so toll, dass ich ab dem Zeitpunkt immer Orgel lernen wollte. Das dauerte noch ein paar Jahre. Mit 15 Jahren fing ich richtig an. Seitdem hat mich die Orgel nicht mehr losgelassen.

 

Wie begleitet Sie die Orgel heute durch den Alltag?

Zeitlich gesprochen: etwa zwei Stunden pro Tag. Wenn Gottesdienste sind, spiele ich natürlich und versuche, damit ganz viel zu gestalten, so dass die Liturgie die Menschen anspricht. Dann unterrichte ich Orgel hier in Kall, die C-Schüler. Und ich übe regelmäßig, frische Stücke auf, erarbeite neue.

 

Komponieren Sie selbst?

Eigentlich nicht. Ich improvisiere natürlich, das gehört zum Orgelspiel dazu. Beim Improvisieren ist es ja so, dass ein Stück quasi beim Tun entsteht.

 

Haben Sie eine Lieblingsepoche?

Die Orgelwerke von Bach haben mich seit jeher fasziniert und geprägt. Ich mag aber die Vielfalt und dass es so viele Epochen gibt. Ich versuche, aus allen Epochen 
Stücke zu finden, die mich begeistern. Die suche ich in Orgelnoten, man bekommt Hinweise von Verlagen. Dann bestelle ich mir Noten oder höre mir etwas auf Youtube an und denke: Das ist interessant, das möchte ich erarbeiten.

 

Gibt es noch Nachwuchs für das Orgelspiel?

Ja, aber die Tendenz ist eher fallend. Es gibt weniger junge Menschen, die die Orgel im Alltag oder am Wochenende in den Gottesdiensten erleben. Auch die Tendenz der Kirchenmusik-Studierenden in Deutschland ist fallend.

 

Muss man für die Zukunft der Orgel schwarz sehen?

Nein, die Orgel wird weiterhin eine Rolle in der Musik spielen, ob in der Kirche oder in Konzertsälen. Zudem entwickelt sich der Orgelbau weiter; seit einigen Jahren hat die Digitalisierung Einzug gehalten. Es werden immer Menschen Begeisterung für dieses Instrument finden und es spielen, auch wenn es vielleicht weniger sein werden.

 

Würden Sie sich als „orgelsüchtig“ bezeichnen?

Das nicht, aber natürlich ist das eine große Leidenschaft. In einer Kirche schaue ich immer zuerst auf die Orgel. Und wenn es möglich ist, probiere ich sie aus.

 

Das Gespräch führte Andreas Drouve.

 

 

 „Bunte Orgellandschaft“

„Welch ein Reichtum!“, schwärmt Regionalkantor Hans-Josef Loevenich von der Vielfalt der Orgeln in der Region Düren. Er stellt das Zusammenspiel zwischen neueren Orgeln wie in 
St. Anna Düren und in St. Martin Langerwehe und historischen Instrumenten heraus, die die Kriege überstanden haben. Besonders geschichtsträchtig sind die Orgeln in Spiel (1844), Hochkirchen (1856) und Müddersheim (1865).

„Die bunte Orgellandschaft lässt das Herz der Orgelfans höher schlagen“, sagt Loevenich. Das gilt auch für die Harmonie zwischen dem Kirchenraum und eher liturgiepraktischen, regelrecht schwebenden Instrumenten so wie in St. Michael Kelz und St. Johannes Baptist Nideggen.

Für die Eifel führt Regionalkantorin Holle Goertz als Highlights die historischen Orgeln in der Basilika Steinfeld und der Schlosskirche von Schleiden an. Nach Steinfeld seien schon Organisten aus der ganzen Welt gekommen, um dort zu konzertieren. Eine gute Ergänzung dazu gebe die modernere Orgel von 1998 in der Nikolauskirche von Kall.
In loser Folge werden sich an dieser Stelle Beiträge der KirchenZeitung dem Instrument des Jahres 2021, der Orgel, widmen.

Orgeln in den Regionen Düren und Eifel

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