In der Pfarrei St. Benedikt Mönchengladbach legen an den Fastensonntagen Menschen aus der Gemeinde ein Glaubensbekenntnis ab. Sie erzählen in kurzen Ansprachen davon, was ihnen der Glaube bedeutet und wann sie in ihrem Leben Gott gespürt haben. Den Anfang machte Bäcker- und Konditormeister Heinz-Peter Schiffer mit berührenden Worten.
Das Thema in diesem Gottesdienst am ersten Fastensonntag in Heilig Kreuz Mönchengladbach ist die Versuchung. Der erste Fall, dass Menschen der Versuchung erlegen sind, fand im Paradies statt. Adam und Eva aßen von dem Baum der Erkenntnis. „Sie sind der Versuchung verfallen, dass sie wie Gott sein könnten“, sagt Pfarrer Manfred Esmajor. „In der Geschichte von Adam und Eva erkennen wir die Versuchung und die Anmaßung der Menschen selbst.“
Die Versuchung: Sie ist auch im Leben von Heinz-Peter Schiffer allgegenwärtig. Wenn auch in einer anderen Bedeutung. Aber gerade in der Fastenzeit kostet es so manchen Kraft, ihr beim Eintritt in seinen Bäckerladen zu widerstehen. Denn hier gibt es nicht nur Brot und Brötchen, es locken auch Plätzchen, Kuchen, Torten und Hefegebäck. Ein Paradies für Liebhaber der süßen Verführungen. Bei diesem Hintergrund und beim Thema des Fastengottesdienstes scheint es klar, worüber der Bäcker- und Konditormeister zur Gemeinde sprechen wird.
Aber dann kommt es doch ganz anders. Schiffer lässt seine etwa 30 Zuhörer an einem Ereignis teilhaben, bei dem es einem nur bei der Vorstellung das Blut in den Adern gefrieren lässt. „Ich bin 67 Jahre alt und freue mich, dass ich hier stehe und lebe“, beginnt Schiffer seine gut siebenminütige Ansprache. „Ich könnte jeden Tag dieses Lebens sterben.“ Zum Beispiel am 16. Mai 2010, ein verregneter Sonntag. Schiffer erzählt, wie er mit seinem Sohn an diesem Tag im Auto auf der A1 über die Zingsheimer Brücke fuhr.
„Starkregen, Aquaplaning, wir fahren mit dem Auto vor und auf die Leitplanke, überschlagen uns drei Mal, der Wagen bleibt auf dem Kopf liegen“, sagt Schiffer. Über das hintere Fenster des Wagens haben sie sich befreien können und blieben nahezu unverletzt. „Jetzt ist die Frage: War es die Ingenieurskunst, die uns das Leben rettete, oder war es der, dem wir vertrauen?“, fragt Schiffer. „Ich tendiere zum zweiten.“ Seinen Glauben habe er von seinen Eltern, er sei gewollt und geliebt gewesen. „Sie haben mir von Gott erzählt“, sagt er. Auch das habe ihn seine Mutter gelehrt: Der Glaube verändert sich mit den Jahren. „Wenn der Glaube und die Liebe sich nicht verändern, sterben sie mit der Zeit.“ Am Glauben wie an der Liebe müsse man arbeiten.
Über seinen Glauben spricht Schiffer gern. „Gestern habe ich in Holt so eine Ansprache gehalten und irgendwie übertrieben“, sagt der 67-Jährige. Wobei Pfarrer Esmajor ihn ermuntert, weiter zu reden. So berichtet Schiffer über seine Verbundenheit mit dem Judentum. Bei einer Wallfahrt nach Kevelaer habe er von jemandem eine Kippa geschenkt bekommen. „Die trage ich zu besonderen Anlässen, weil ich dem jüdischen Volk verbunden bin“, sagt Schiffer. „Jesus war Jude, er glaubte an einen liebenden Gott. Aus dem Judentum ist unser Christentum entstanden.“ Nach gut sieben Minuten beendete er seine Rede mit einem „Amen“ und befolgte damit einen Rat, den er am Vortag bekommen hatte.