Der älteste Chor im Bistum

Sein 251-jähriges Bestehen feierte der Kirchenchor von St. Laurentius Odenkirchen mit einer Uraufführung

Mit geschlossenen Augen gibt sich Bischof Helmut Dieser ganz der Musik hin. (c) Garnet Manecke
Mit geschlossenen Augen gibt sich Bischof Helmut Dieser ganz der Musik hin.
Datum:
16. Nov. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 46/2021 | Garnet Manecke

Es hätte der 250. Jahrestag sein sollen, aber Corona hat dem Kirchenchor „Cäcilia“ St. Laurentius die Planung gründlich durcheinander gebracht. Die Sängerinnen und Sänger haben das Beste aus der Situation gemacht. Eineinhalb Jahre nach dem Jubiläum feierten sie das Vierteljahrtausend mit Bischof Helmut Dieser in einem Festhochamt. Mit einem extra komponierten Lied hat der Chor die Gemeinde beschenkt.

Stephanie Borkenfeld-Müllers hat die Uraufführung geleitet. Die hymnische Komposition wird einen festen Platz in der Liturgie erhalten. (c) Garnet Manecke
Stephanie Borkenfeld-Müllers hat die Uraufführung geleitet. Die hymnische Komposition wird einen festen Platz in der Liturgie erhalten.

Geschafft! Stephanie Borkenfeld-Müllers reckt vor Freude die Faust in den Himmel. Gerade ist der letzte Ton der Uraufführung „Ich sing dir mein Lied!“ verklungen. Der Applaus der Gemeinde erfüllt den Kirchenraum, die Chorleiterin winkt hinauf zur Orgelempore. Dort steht Klaus Wallrath und freut sich über den Erfolg. Der Düsseldorfer Kantor hat das Lied für den Kirchenchor „Cäcilia“ St. Laurentius komponiert. Eine Auftragskomposition, die sich der Chor selbst und der Gemeinde zum Jubiläum geschenkt hat. 250 Jahre, ein Vierteljahrtausend: Damit ist der Odenkirchener Chor der älteste Kirchenchor im Bistum Aachen. Auch Bischof Helmut Dieser ist gekommen, um mit den Chormitgliedern zu feiern.

Am 15. April 1770 wurde der Chor „Cäcilia“ gegründet. „Der anfang ist gemacht 1770 den 15 ten april auff die ander seit die benente Chorsänger“: Diese Worte leiten den Text der Gründungsurkunde ein. Fast 100 Jahre war der Chor ein reiner Männerchor. Erst seit 1964 singen auch Frauen mit. Geblieben aber ist das Leitwort „Gott zu loben, dem Mensch zur Freude“, dem sich die Sängerinnen und Sänger in jedem Gottesdienst verschrieben haben. Mit dem Jubiläumshochamt wird der Chor zweifellos einen festen Platz in der Gemeindechronik bekommen. Denn das 250. Jahr seines Bestehens wurde mit eineinhalb Jahren Verspätung gefeiert.

Der Sonntagmorgen fängt für Chorleiterin Stephanie Borkenfeld-Müllers mit gleich drei schlechten Nachrichten an. „Heute morgen gab es noch drei Absagen wegen Erkältung“, sagt sie kurz nach der Stimmprobe. „Hoffentlich klappt alles.“ Die Gemeinde hat viel getan, um das Festhochamt möglich zu machen: Jede Besucherin und jeder Besucher bekommt einen festen Platz zugewiesen und behält die Maske an. Die Abstände werden großzügiger als die empfohlenen 1,50 Meter eingehalten, und bis in den Gottesdienst hinein bleibt das Hauptportal geöffnet, um den Frischluftaustausch zu gewährleisten.

15 Männer waren es, die am 15. April 1770 die Gründungsurkunde aufsetzten. Acht Monate später kam in Bonn ein kleiner Junge zur Welt, der später als Komponist Ludwig van Beethoven berühmt werden sollte. 1770 war also ein gutes Jahr für die Musikwelt. Die Gründungsherren von „Cäcilia“ konzentrierten sich mit ihrem Repertoire auf den Kern ihres Gründungszwecks: Sie trugen den Choral im sonntäglichen Gottesdienst vor.

Draußen vor der Kirche ist ein langer Tisch aufgebaut, und Sektflaschen stehen für den Umtrunk nach dem Gottesdienst bereit. Die kalte Winterluft hält die Getränke kühl. Die meisten Gottesdienstbesucher sind angemeldet, vereinzelte kommen spontan vorbei. Dann nimmt einer der Ordner aus der Gemeinde sie in Empfang und schleust sie freundlich durch die Anmeldung, zur Handdesinfizierung und bringt sie zu einem der raren freien Plätze. Schon eine Stunde vor Beginn des Gottesdienstes ist die Kirche erfüllt von Musik. Die letzte Probe mit den vier Chören läuft. Der Kinder- und Jugendchor 
St. Laurentius, die „Schola gregoriana“ und der „Coro michaelis“ der benachbarten Gemeinde St. Michael sind zur Unterstützung gekommen. An die Orgel hat sich Klaus Wallrath gesetzt. Der Chor hatte den Kantor der Basilika St. Margareta in Düsseldorf-Gerresheim beauftragt, das Lied „Ich sing dir mein Lied!“ neu zu vertonen. „Der Text ist eine Übersetzung aus dem Brasilianischen“, berichtet Stephanie Borkenfeld-Müllers. Der Chor hat sich unter mehreren Übersetzungen für die Version von Fritz Baltruweit und Barbara Hustedt entschieden. 

220 Jahre nach der Gründung des Männerchors übernimmt eine junge Frau die Leitung. Im April 1990 wird Stephanie Borkenfeld-Müllers Kantorin an St. Laurentius Odenkirchen. Sie leitet 1997 den Aufbau der Rensch-Orgel, auf der heute regelmäßig bedeutende Musiker spielen. Auch das Chorleben hat die Kirchenmusikerin in Odenkirchen entwickelt. Neben dem Kirchenchor gibt es den Kinderchor, die „Schola gregoriana“ und den Projektchor, der jährlich neu gebildet wird und sich auf ein großes Konzertprojekt vorbereitet.

Klaus Wallrath hat das Stück „Ich sing dir mein Lied!“ komponiert. (c) Garnet Manecke
Klaus Wallrath hat das Stück „Ich sing dir mein Lied!“ komponiert.

„Die Tonart, den Takt hast du mir gegeben“, zitiert Stephanie Borkenfeld-Müllers bei ihrer kurzen Ansprache aus dem Stück. Der Moment der Uraufführung ist gekommen. „Es geht um die Freude des Lebens und um die Musik. Das ist wichtig: Mehr als Worte sagt ein Lied. Klaus Wallraths Komposition trifft ins Herz, und ich hoffe, sie trifft auch euch ins Herz.“ 

Das Stück wird Teil des festen Repertoires des Kirchenchores „Cäcilia“ St. Laurentius Odenkirchen und damit Teil seiner Geschichte. „Ich bin froh, dass es als Teil der Liturgie verstanden wird und nicht als Konzertstück. Wir haben vor, es so oft wie möglich zu spielen“, sagt Borkenfeld-Müllers. Klaus Wallrath hat es so komponiert, dass es auch nur mit Orgelbegleitung funktioniert. Ein Verlag wird die Komposition veröffentlichen, so dass sie auch anderen Gemeinden zur Verfügung steht. 

„Ich sing dir mein Lied, in ihm klingt mein Leben“: Von Freude und Wachstum singen die Sängerinnen und Sänger, aber auch von Schmerz und Trauer. Wallrath hat eine Hymne an das Leben und den Glauben komponiert. Die Bläser des „Ensembles International Brass“ klingen wie Fanfaren aus dem Himmel, unterbrochen von den Stimmen des Kinderchors, die ihren eigenen Part haben. Zum Ende gibt die Orgel noch einmal alles, die Chorsänger scheinen zu jubeln, der letzte Ton erhebt sich über das Kirchenschiff und legt sich sanft über die Köpfe der Gläubigen. Stehende Ovation bildet den Schlussakkord des Festhochamts. Der älteste Chor im Bistum Aachen ist 251 Jahre alt.