Der Weg zum Gnadenbild

Heimbacher Pietà ist seit 553 Jahren Ziel für Gläubige – 15 000 pilgernde Menschen werden 2023 erwartet

Die Wallfahrtsbeauftragte Alice Toporowsky und der Vorsitzende des Fördervereins Peter Cremer flankieren Pfarrer Kurt Josef Wecker. (c) Stefan Lieser
Die Wallfahrtsbeauftragte Alice Toporowsky und der Vorsitzende des Fördervereins Peter Cremer flankieren Pfarrer Kurt Josef Wecker.
Datum:
21. Juni 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 25/2023

Seit 553 Jahren pilgern Menschen zwischen Anfang Mai und Mitte September zur Heimbacher Pietà. Höhepunkt der Wallfahrt ist die Oktavwoche vom 1. bis 9. Juli. Zu einer der traditionsreichsten Wallfahrten in der Eifel werden in diesem Jahr wieder mehr als 15000 Gläubige erwartet.

Der wertvolle Antwerpener Schnitzaltar. (c) Peter Cremer
Der wertvolle Antwerpener Schnitzaltar.

In der Heimbacher Christus-Salvator-Kirche mit den imposanten Fenstern von Georg Meistermann ist es still. Nur das Gnadenbild im wertvollen Antwerpener Schnitzaltar ist von einem scheinbar unsichtbaren Lichtspot angestrahlt. Eine weihevolle Atmosphäre herrscht im schlichten großen Andachtsraum des 1981 an die Pfarrkirche St. Clemens angebauten Gotteshauses. Diese Stille sei aber gerade die Ausnahme, meinen Pfarrer Kurt Josef Wecker, Alice Toporowsky, Pastoralreferentin für die Wallfahrtsseelsorge, und Peter Cremer, Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer der Wallfahrt e.V., denn seit dem 5. Mai ist wieder Wallfahrtszeit in Heimbach. Sie findet ihren Höhepunkt während der Oktavtage vom 1. bis 9. Juli rund um das Fest Mariä Heimsuchung am 2. Juli. Dann wird der Großteil der erwarteten mehr als 15000 Pilger in Heimbach die Christus-Salvator-Kirche füllen. Es herrscht dann ein beständiges Kommen und Gehen, eine Mischung aus stiller Andacht und Hochamt.

Die Wallfahrt nach Heimbach sei einfach etwas Besonderes. Das hört man immer wieder, wenn man mit den Gläubigen spricht, die ihr Ziel erreicht haben. Auch wenn beim Pilgern eigentlich der Weg das Ziel ist. „Das gemeinsame Unterwegssein, das gegenseitige Helfen, den Glauben mit anderen zu erleben, aber auch die Möglichkeit, in sich hineinzuhören, ganz bei sich zu sein, das sind wichtige Gründe, sich auf den Weg zu machen“, sagt Pfarrer Kurt Josef Wecker. Dazu kommen meist die persönlichen Gebetsanliegen: Dank für die überwundene schwere Krankheit, ein Gelübde, weil das Dorf den Weltkrieg unzerstört überstanden hat, die Bitte um Glück und Gesundheit für sich selbst, die Familie, Verwandte oder Freunde. „Nimm mir ein Gebet mit“, heißt es bei gläubigen Christen oft, wenn sie davon hören, dass der Nachbar sich auf den Pilgerweg machen will. 

Schlichtheit von Vesperbild, sakralem Raum und volkstümlicher Frömmigkeit

Die Heimbach-Wallfahrt hat eine 553 Jahre alte Tradition. Hier Aachens Bischof Helmut Dieser bei einem Pilgergottesdienst während der Wallfahrtsoktav 2019. (c) Stefan Lieser
Die Heimbach-Wallfahrt hat eine 553 Jahre alte Tradition. Hier Aachens Bischof Helmut Dieser bei einem Pilgergottesdienst während der Wallfahrtsoktav 2019.

„15 000 immerhin, auch wenn es nicht mehr die 50- bis 60 000 früherer Jahre sind“, meint Peter Cremer. Das mache doch Mut. Pfarrer Wecker sieht das ähnlich: „Trotz allem, was den Menschen den Glauben in dieser Zeit schwer macht, setzen wir mit der Wallfahrtssaison in Heimbach eben etwas dagegen. Und wir bemühen uns, eine offene Tür zu sein.“ Doch was macht eine Wallfahrt nach Heimbach zu etwas Besonderem? Dazu Pfarrer Kurt Josef Wecker: „Keine Marienerscheinung oder Wunderheilungen lassen die Gläubigen nach Heimbach strömen. Es ist die Schlichtheit dieses Ortes, des sakralen Raumes, des Vesperbildes und auch der volkstümlichen Frömmigkeit seit Begründung der Wallfahrt vor mehr als 550 Jahren.“ 

Inge Wergen würde das mit der offenen Tür etwas genauer fassen, denn sie leitet das erfahrene Team des Pilgercafés unmittelbar neben der Wallfahrtskirche. Verstärkung könne sie gut gebrauchen,

 denn die Gastfreundschaft, das Sich-Sorgen um die Pilgernden, die entweder zu Fuß oder per Bus und Bahn nach Heimbach kommen, will organisiert sein.

Die Pilgersaison selbst begann allerdings schon am 5. Mai, dem „Heimbacher Schmerzensfreitag“, mit einem Hochamt. Danach wurde etwa die ebenfalls traditionelle Messe am ursprünglichen Ort des Gnadenbildes, einem Bildstock bei Mariawald, gefeiert. Am 17. Juni stand die Anbetung in der ehemaligen Abteikirche von Mariawald anlässlich des Jahrestags der Übertragung des Gnadenbildes nach Heimbach auf dem Programm. 

Teilweise jahrhundertelange Tradition 

Die Pilgergruppe der Heimbach-Bruderschaft aus Stolberg. (c) Heiner Scholl
Die Pilgergruppe der Heimbach-Bruderschaft aus Stolberg.

Seit Anfang Mai kommen auch erste Pilgergruppen nach Heimbach, wie sie es teilweise seit Jahrhunderten gewohnt sind. Am 9. Mai etwa die Kolpingsfamilie Düren mit ihrer Nachtwallfahrt. Die Tradition der Anreise mit der heutigen Rurtalbahn bis nach Blens, von dort eine Fußwallfahrt in die Mainacht hinein nach Heimbach begann 1933. Der damalige Präses der Kolpingsfamilie Fritz Keller hatte sie aus Protest gegen die Schikanen der Gesellenvereine durch die Nationalsozialisten gegründet. Wegen seiner Einstellung zum Regime wurde Fritz Keller später verhaftet. Er starb 1943 in „Schutz- haft“ im KZ Dachau. Gegen 23 Uhr in der Nacht zum 10. Mai kamen die Pilger in Heimbach an und feierten dort die heilige Messe, bevor sie wieder zu Fuß zurück nach Blens pilgerten und dort per Zug die Heimfahrt antraten.

Ähnliche Traditionen haben auch viele andere Pilgergruppen, die sich während der eigentlichen Wallfahrtsoktav Anfang Juli auf den Weg machen. Seit 1633 – in diesem Jahr damit im 390. Jahr – kommt eine Gruppe Wallfahrer aus dem 28 Kilometer von Heimbach entfernten Lohn – das Dorf wurde im Zuge des Braunkohletagebaus nach Eschweiler-Neu-Lohn umgesiedelt – nach Heimbach.

Seit 275 Jahren zieht eine Pilgergruppe aus Stolberg-Vicht zur Schmerzhaften Mutter von Heimbach, und ebenfalls seit vielen Jahren hat die Bruderschaft aus Lich-Steinstraß wieder für den 7. Juli eine Pilgerandacht bestellt. Pilgerprozessionen aus Baasem, Rescheid und Hergarten in der Nordeifel werden zum Abschlusshochamt der diesjährigen Wallfahrtszeit am 17.September erwartet. Aber auch neue Wallfahrergruppen wie erstmals Mitarbeitende des Päpstlichen Werks für geistliche Berufe aus Aachen oder die Priesteramtskandidaten der Diözese Freiburg werden erwartet. Einzelpilger und kleinere Gruppen nicht zu vergessen. 

Für Alice Toporowsky, das Team der Geistlichen und Organist Peter Mellentin ist das alles auch eine organisatorische Mammutaufgabe. Pfarrer Kurt Josef Wecker wird dabei vom ukrainischen Kaplan Roman Horodetzkyy, von Albert Gerhards aus Bonn, Pfarrer Lothar Tillmann, Pfarrer Günther Gerkowski, Gastpriestern aus Baden-Württemberg und der Schweiz und von Frauen der Bewegung „Servi della Sofferanza“ aus Rom unterstützt. Der Aachener Generalvikar Andreas Frick wird zudem Hauptzelebrant des Hochamtes zur Eröffnung der Wallfahrtsoktav am 1.Juli sein. Neue geistliche Angebote sind einen Tag später am 2. Juli mit einem meditativen Abendgottesdienst zum Thema „Maria im Spiegel der Musik und der Lyrik“ sowie am 8. Juli mit einer von Musik begleiteten Meditation geplant.

„In diesem Jahr wird es die erste Oktav ohne die coronabedingten Abstandsregelungen sein“, freut sich Pfarrer Wecker. Auf den Bänken wird das Team wieder die kleinen Gebets- und Liederbüchlein zu den Pilgermessen auslegen. Und Christus Salvator wird sich füllen wie immer. Ein Bienenstock des Glaubens.    eb

Informationen unter www.heimbach-wallfahrt.de

Info

Das Heimbacher Gnadenbild, die Pieta. (c) Peter Cremer
Das Heimbacher Gnadenbild, die Pieta.

Alles begann mit dem Heimbacher Strohdecker Heinrich Fluitter. Der tiefgläubige Mann hatte bei einem Besuch in Köln im Jahre 1470 eine spätgotische Pietà entdeckt, die ihn so beeindruckte, dass er sich das Geld lieh, um sie zu kaufen. Das Gnadenbild veränderte sein Leben. Fluitter stellte es im Kermeter, dem Waldgebiet zwischen Heimbach und Gemünd in der Rureifel auf, errichtete bald darauf eine kleine Kapelle und daneben eine Hütte, in der er als Einsiedler bis an sein Lebensende lebte.

Die Verehrung des Gnadenbildes fand schnell immer mehr Gläubige. Die Wallfahrt zur „Heimbacher Schmerzensmadonna“ war geboren. Mit dem von Zisterziensern gegründeten Kloster Mariawald und der Einweihung der Klosterkirche 1511 wurde das Gnadenbild des Heinrich Fluitter in einen wertvollen Schnitzaltar eingesetzt.

Der Bau von Kloster und Kirche erwies sich schon deshalb als notwendig, weil die Zahl der Pilger immer weiter anstieg. 1760 wurden 25000 gezählt. 1795 aber wurde das Kloster im Zuge der Säkularisation aufgegeben. Das Gnadenbild und der Altar wurden am 22. Juni 1804 in die Heimbacher Clemenskirche überführt. Diese war oft zu klein, als die Pilgerzahl Größenordnungen von bis zu 60000 im Jahr erreichte. Deshalb wurden Eröffnungs- und Schlussgottesdienste „Open-Air“ im Kurpark unterhalb der Burg gefeiert. 1981 erfolgte der großzügige Neubau der Christus Salvator Wallfahrtskirche als Anbau an die Heimbacher Pfarrkirche. Hier sind bis heute Gnadenbild und Altar zu finden.