„Der Verlust eines Kindes bleibt eine lebenslange Wunde“

Pfarrer Toni Straeten engagierte sich als Erster für die Beisetzungen von Früh- und Fehlgeburten

Auf den Friedhöfen gehören inzwischen nicht nur Kindergräber, sondern auch Gedenkstätten für Totgeburten zur Gedenkkultur. (c) Dorothée Schenk
Auf den Friedhöfen gehören inzwischen nicht nur Kindergräber, sondern auch Gedenkstätten für Totgeburten zur Gedenkkultur.
Datum:
16. Nov. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 46/2022

Die Beerdigungen von Früh- und Fehlgeburten haben in Düren vor 20 Jahren begonnen. Gemeinsam mit der Stadt ermöglichte der Verein Lebens- und Trauerhilfe auf dem Dürener Friedhof durch ein sogenanntes „Frühchenfeld“ erstmalig eine solche Grabstätte.

Toni straeten (c) Archiv/PuKBSuS
Toni straeten

Als langjähriger Seelsorger am Krankenhaus Düren, Mitbegründer der Hospizbewegung im Kreis Düren, des Vereins Lebens- und Trauerhilfe und ehemaliger Diözesanbeauftragter für die Trauerpastoral im Bistum Aachen hat Pfarrer Toni Straeten diese Entwicklung maßgeblich vorangetrieben.

Ausgangspunkt war die traurige Praxis, dass früher Früh- und Fehlgeburten unter 500 Gramm mit dem Klinikmüll entsorgt wurden. „Da habe ich gesagt: Das kann ja so nicht sein! Und so kamen wir zunächst auf das Mose-Körbchen, welches wir vom Verein gestaltet und finanziert und auf den Neugeborenen-Stationen und Kreißsälen verbreitet haben. In die mit Tüchern gepolsterten Körbchen konnten die kleinen Geschöpfe dann gebettet und in eine Wärme hineingelegt werden“, sagt Pfarrer Straeten. Zudem seien Gespräche mit Hebammen und Ärzten geführt worden, die den Kontakt zu betroffenen Eltern hielten, um eine Sensibilisierung für dieses Thema zu erreichen.

Seine Bilanz: „Es war ein Durchbruch, und viele waren beglückt darüber, dass ein erstes Aufgefangenwerden nach dieser schlimmen Erfahrung möglich werden konnte.“ Auch heute noch werden betroffene Eltern über die Krankenhausseelsorge zur Bestattung auf dem Dürener Friedhof eingeladen. Mal kommen viele, mal wenige Eltern. In der Ansprache ist es dem Seelsorger wichtig, mit ganz einfachen Worten an den Verlust zu erinnern, ihn mit den Angehörigen zu beklagen und ihnen als tröstendes Symbol Gottes Hand anzubieten: aus Gottes Hand – in Gottes Hand. Wenn die Eltern es wollten, werden sie in die Vorbereitungen mit einbezogen und können zum Beispiel etwas mit ins Grab legen. Manche bringen Luftballons mit und lassen sie steigen.

„Beeindruckend ist, dass auch viele, die ihr Kind nicht beerdigen konnten, weil es diese Art der Frühchen-Bestattung noch nicht gab, später zu der Grabstätte auf den Friedhof gegangen sind und nachträglich noch einmal ihr Kind betrauert haben.“
Eine Erweiterung der Grabstätte auf dem Dürener Friedhof ist zurzeit in Planung. Der Verein Lebens- und Trauerhilfe  möchte wieder die künstlerische Gestaltung übernehmen, damit betroffene Familien sich angesprochen fühlen.

Neben der Beisetzung hat auch die Begleitung trauernder Eltern eine größere Bedeutung bekommen. Wenn sich Betroffene im Büro der Lebens- und Trauerhilfe melden, wird ihnen schnellstmöglich ein erstes Gespräch angeboten. Denn es ist eine der schlimmsten und schmerzhaftesten Erfahrungen, wenn die Vorfreude werdender Eltern durch Fehlgeburt, Totgeburt oder den Tod des Kindes im frühen Säuglingsalter jäh zunichte gemacht wird.
Im Dürener Team gibt es eine Mutter, die selbst betroffen ist. Sie weiß um die Nöte, geht entsprechend einfühlsam ins Gespräch und klärt, was für das Elternpaar angemessen und richtig ist. Einige wünschen sich um der Intimität willen eine Einzelbegleitung. Andere suchen eine Selbsthilfegruppe, die beispielsweise beim Verein Verwaiste Eltern in Aachen zu finden ist.

Candle-Lighting-Gottesdienste

Jeden zweiten Sonntag im Dezember (in diesem Jahr am 11.12., Anm. d. Red.) werden alle Eltern, die ein Kind – egal welchen Alters – verloren haben, zu einem „Candle-Lighting-Gottesdienst“ in die Dürener Marienkirche eingeladen. „Es kommen um die 100 Betroffene, und die Feier ist immer sehr emotional, denn ein Kind zu verlieren ist etwas anderes, als einen Erwachsenen zu verlieren. Da ist noch einmal eine andere Verbundenheit der Eltern untereinander. Es tut ihnen sehr gut, in ihrer Trauer besonders angesprochen zu werden. Der Verlust eines Kindes ist eine lebenslange Wunde“, weiß Pfarrer Straeten.     iba