Der Trauer Raum geben

Zwei Projekte in Alsdorf helfen Kindern und Jugendlichen, mit ihren Gefühlen umgehen zu lernen

Kinder und Jugendliche trauern anders als  erwachsene Menschen. Das braucht Raum. (c) Kelly Sikkema/unsplash
Kinder und Jugendliche trauern anders als erwachsene Menschen. Das braucht Raum.
Datum:
7. Nov. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 45/2023 | Kathrin Albrecht

Wenn ein geliebter Mensch stirbt, ist das eine existenzielle Krise, die für erwachsene Menschen oft schwer zu verkraften ist. Wie schwer muss das dann für Kinder oder Jugendliche sein? Wie werden sie damit fertig, dass jemand, mit dem sie eng verbunden waren, nicht mehr da ist? In Alsdorf schauen zwei Trauerprojekte,„Libelle“ und „Phoenix“, gezielt darauf, was Kinder und Jugendliche in Trauer brauchen.

Corinna Zens mit ihrem Hund Aari. Er ist für die Kinder wichtig. (c) Kathrin Albrecht
Corinna Zens mit ihrem Hund Aari. Er ist für die Kinder wichtig.

2019 gingen die Projekte an den Start, geleitet werden sie von Gemeindereferentin Corinna Zens. Mit ihrer damaligen Kollegin Beatrix Hillermann hatte sie die Projekte aufgebaut, die Teil des Trauernetzwerkes Alsdorf, ein Zusammenschluss der Evangelischen Christusgemeinde Alsdorf, der GdG Alsdorf und des Ambulanten Hospizdienstes der Aachener Caritasdienste Region Aachen, sind. Unterstützt wird Zens aktuell von 18 ehrenamtlichen Begleiterinnen, alle zielgruppengerecht für die Begleitung qualifiziert. „Wir sind mit zwei Kindern gestartet und waren uns gar nicht sicher, wie hoch der Bedarf ist“, erzählt sie.

Seitdem sind die Gruppen stetig gewachsen – 17 sind es aktuell in der Kindergruppe, die ihrerseits noch einmal in zwei Gruppen unterteilt ist, und acht in der Gruppe der Jugendlichen. „Jeder Mensch trauert individuell, bei Kindern und Jugendlichen äußert sich das noch einmal anders“, erklärt Corinna Zens. Oft sind es Verhaltensänderungen, die Hinweise darauf geben können – Leistungsabfall in der Schule, die Entwicklung psychosomatischer Beschwerden oder Verlustängste. Oft sehen Angehörige oder Lehrkräfte, dass die Kinder Hilfe in ihrer Trauer brauchen. Vereinzelt nehmen Familien auch Kontakt auf, wenn die Angehörigen schwer krank sind. Bei den Jugendlichen ist es die eigene Entscheidung, Kontakt aufzunehmen. „Den Mut, den dieser Schritt braucht, kann man gar nicht genug hervorheben“, unterstreicht Corinna Zens.

Gruppen bieten geschützten Raum

Der Sternenbaum –  Wenn Kinder neu in die Gruppe kommen, basteln sie für verstorbene Angehörige einen Stern. (c) Kathrin Albrecht
Der Sternenbaum – Wenn Kinder neu in die Gruppe kommen, basteln sie für verstorbene Angehörige einen Stern.

Räumlich angesiedelt sind die beiden Projekte an der Gräberkirche St. Mariä Heimsuchung in Alsdorf-Schaufenberg. Alle 14 Tage bieten die Treffen jeweils 90 Minuten einen geschützten Raum, in dem die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen Zeit haben, zu sich selbst zu finden, kreativ zu sein, in den Austausch mit anderen zu gehen und herauszufinden, dass es andere gibt, denen es genauso geht. 
Jede Sitzung beginnt mit einem Sitzkreis, dabei geben die Kinder einen Stein weiter, auf dem verschiedene Symbole ihre Gefühle zeigen. Ein Herz ist dabei oder eine Gewitterwolke. Dabei dürfen sie erzählen, wie sie sich fühlen, wie es in der Schule war, ob es Streit mit Freunden gibt. Jedes Kind darf außerdem ein Teelicht für seinen verstorbenen Angehörigen anzünden.

„Die Kinder wissen voneinander, wer fehlt. Darüber entwickeln sich Gespräche untereinander, zum Beispiel beim gemeinsamen Basteln. So helfen sich die Kinder auch untereinander, ohne dass wir Erwachsenen da viel zutun müssen“, schildert Corinna Zens. Geschichten werden vorgelesen, in der Kreativzeit wird gebastelt –  zu Allerheiligen haben die Kinder Grablichter mit Glitter verziert. Es geht viel über die Gefühlsebene von Kindern, die Trauer wird dabei unterschwellig thematisiert. Ein weiterer Ankerpunkt ist Hund Aari. Er ist Eisbrecher, Ruhepol und auch Geheimniswahrer der Kinder. Zum Abschluss finden noch einmal alle zusammen, dann geht auch der Stein wieder herum, die Kinder berichten, was anders war.

Bei den Jugendlichen ist der Ablauf ähnlich, hier läuft viel über Gespräche. Oft stehen die Nachmittage auch unter einem Oberthema wie „Licht“ an Allerheiligen. Für alle Gruppen gilt: alles kann, nichts muss. Auch einfach nur dasein ist möglich – oft merken die Betreuerinnen in der Schlussreflexion, dass das schon viel mit den Kindern und Jugendlichen gemacht hat.

Auch Eltern erhalten Beratung


Parallel zu den Kinder- und Jugendgruppen finden auch die Eltern Beratung, wie sie mit ihrer eigenen Trauer und der Trauer des Kindes umgehen. 
Wie lange die Gruppen besucht werden, ist ebenso individuell unterschiedlich wie die Tauer selbst. Es kann Monate dauern oder auch Jahre. Für Teilnehmende, die die Gruppe verlassen, gibt es ein kleines Abschiedsritual. Einige ihrer ehemaligen Schützlinge trifft sie als Schulseelsorgerin an den weiterführenden Schulen in Alsdorf oft wieder – „dann sehe ich, dass es ihnen gut geht.“

Mehr Infos und Anmeldung: Team Libelle (4–12 Jahre), Team Phoenix (ab 12 Jahre), 
Tel. 01573/6 62 51 52, E-Mail: libelle.phoenix@trauernetzwerk-alsdorf.de

Weitere Angebote im Bistum aachen

Stadt Aachen
Die Pfarrei Franziska von Aachen bietet im Rahmen des Projektes „Diesseits“ verschiedene Angebote für Trauernde an. Für Kinder und Jugendliche gibt es eine offene Trauergruppe, bei der bis zu acht Kinder bis 12 Jahre jeden ersten Mittwoch im Monat teilnehmen können. Daneben gibt es auch das Angebot der tiergestützten Trauerarbeit. Für junge Erwachsene ab 20 Jahren gibt es das Angebot „20 plus“.  
Ansprechpartnerin für weitere Auskunft und Anmeldungen ist Maria Pirch, Tel. 01 76/20 61 45 30, E-Mail: pirch@franziska-aachen.de. 


Düren
Die „Düne Düren“ ist beim Katholischen Forum für Familien- und Erwachsenenbildung in Düren angesiedelt. „Düne Düren“ bietet Trauergruppen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene an. Die Gruppen werden von ehrenamtlich Mitarbeitenden begleitet. 
Ansprechpartnerin ist Anna Breuer-Wirges, Tel. 0 24 21/9 46 80, E-Mail: trauer@bildungsforum-dueren.de.

 

Kreis Heinsberg
„Die Schatzsucher“ sind ein Hilfsangebot für trauernde Kinder und Jugendliche im Kreis Heinsberg. Der ökumenische ambulante Hospizdienst Regenbogen e.V. ist Träger dieses Projekts. Räumlich angesiedelt ist das Projekt im Regenbogenhaus, Roermonder Str. 58, 41849 Wassenberg 
Aktuell gibt es vier Gruppen für die Altersstufen sechs bis neun Jahre, 10 bis 14 Jahre und 15 bis 18 Jahre sowie eine Gruppe für diejenigen, die älter als 18 Jahre sind. 
Kontakt zu den „Schatzsuchern“ im Regenbogenhaus ist möglich unter 
Tel. 0 24 32/8 93 95 50 oder 01 79/1 25 85 80 oder E-Mail: info@schatzsucher-trauerbegleitung.de.