Der Schatz von Simpelveld

Das gleichnamige Museum atmet bis heute den Geist der seligen Ordensgründerin Clara Fey

So könnte der Arbeitsplatz einer Wachsbildnerin ausgesehen haben. (c) Ruth Schlotterhose
So könnte der Arbeitsplatz einer Wachsbildnerin ausgesehen haben.
Datum:
29. Apr. 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 18/2019 | Ruth Schlotterhose
Wie haben die Schwestern das damals nur geschafft? Clara Fey und ihre Mitstreiterinnen kümmerten sich nicht nur um die Erziehung und Bildung von armen und Waisenkindern, sondern finanzierten darüber hinaus ihren eigenen Lebensunterhalt mit Paramentenstickerei und Wachsbildnerei.
Werkzeuge, mit deren Hilfe Fahnen und Standarten angefertigt wurden. (c) Ruth Schlotterhose
Werkzeuge, mit deren Hilfe Fahnen und Standarten angefertigt wurden.

Wer auf den Spuren Clara Feys unterwegs ist und im Haus Loreto die dort aufbewahrten handgefertigten Kostbarkeiten betrachtet, gerät unweigerlich ins Staunen.

Vor genau einem Jahr, am 5. Mai 2018, wurde Clara Fey in Aachen selig gesprochen. Gemeinsam mit gleichgesinnten Frauen gründete sie den Orden der Schwestern vom armen Kinde Jesus, der sich verwahrloster Kinder annahm. Lebten die Schwestern zu Beginn noch in Aachen, so mussten sie 1876 aufgrund des Kulturkampfes Deutschland verlassen. Die damals schon 60 Jahre alte Clara errichtete ein neues Kloster ganz in der Nähe von Aachen: in Simpelveld (NL). Hier wurden die Schwestern mit offenen Armen empfangen, gab es am Ort doch nur eine Schule für Jungen – Mädchen hatten bis dahin keine Möglichkeit, unterrichtet zu werden. Knapp 135 Jahre später zogen die Schwestern wieder zurück ins Mutterhaus nach Aachen – ihre Zahl hatte sich drastisch reduziert. Im ehemaligen Generalat zu Simpelveld aber wird die Erinnerung an Clara Fey und ihre Mitschwestern im Museum „De Schat van Simpelveld“ wachgehalten. Wer dem Rundweg durch die Räumlichkeiten folgt, gewinnt einen Einblick vom Klosterleben, wie es sich zwischen 1877 und 2012 hier abgespielt hat. Bescheiden war das Zimmer Clara Feys eingerichtet. Ihr Regal mit einer für damalige Verhältnisse großen Anzahl von Büchern war sozusagen die erste Bibliothek der Kongregation. An den Titeln lässt sich ablesen, woher die Selige ihre spirituellen Impulse nahm. Zum Greifen nah rückt Geschichte bei der Betrachtung des Ohrensessels, in dem Clara Fey starb. Die ehemalige Klosterkirche von Haus Loreto ist zu einem Auditorium umfunktioniert worden. In einem Teil des Gebäudetraktes wohnen zurzeit Menschen mit Behinderung; zukünftig soll hier eine Tagespflege eingerichtet werden. Erhalten geblieben ist der Klosterfriedhof, hier werden immer noch Schwestern aus der Niederlassung in Maastricht begraben.

 

Die Stickkunst der Schwestern vom armen Kinde Jesus war europaweit bekannt

Eine weitere Abteilung des Museums befasst sich mit der Herstellung von Paramenten. Die Stickateliers der Schwestern vom armen Kinde Jesus waren in allen Kirchengemeinden und Herrschaftshäusern Europas bekannt. Sie verarbeiteten nur das beste Material – feinste chinesische Seide, edle Stoffe aus Krefelder Tuchfabriken. Die bis heute erhaltenen Auftragsbücher verzeichnen akribisch jede Bestellung. Dazu zählten nicht nur Priestergewänder, sondern alles, was der Ausstattung von Altären und Kirchenmobiliar diente – oder auch mal ein Taufkleid für das österreichische Kaiserhaus. Die Motive entwickelten die Schwestern gemeinsam mit ihren künstlerischen und theologischen Beratern Franz Bock und Andreas Fey.

Im Lauf der Jahre brachten es die Schwestern in der Stickkunst zu höchster Vollendung. Davon kann sich der Museumsbesucher selbst überzeugen, wenn er zum Beispiel die in einer besonderen Nische aufgereihten Paramente betrachtet. Hier ist beispielsweise die gesamte Mariengeschichte anschaulich dargestellt, jede Szene einzeln auf dem Rücken eines Gewandes platziert. Anregungen für Entwürfe fanden die Schwestern zuhauf in der sakralen Kunst. Paradebeispiel ist das Stickbild, das dem Triptychon von Stephan Lochner nachempfunden ist. Ehrfürchtig staunend steht der Besucher vor diesem Meisterwerk, an dem die Schwestern 18 Jahre lang gestickt haben. Allein mit Hilfe der bereitgestellten Lupen lassen sich die feinen Stiche erkennen. Die Faszination der ausgestellten Kunstwerke ist so groß, dass sie auch bei einem erneuten Besuch des Museums nichts von ihrer beeindruckenden Wirkung verlieren. In jedem Raum liegen zudem gedruckte Informationsblätter aus, so dass Interessierte selbst ohne Vorkenntnisse die ausgestellten Stücke historisch einordnen können.

 

Krippen mit Wachsfiguren aus Simpelveld sind in ganz Deutschland zu finden

Selbstverständlich wird auch das Handwerkszeug zur Schau gestellt. Rahmen, unzählige Nadeln und Spulen, Fahnenhaken und eine schier unüberschaubare Palette von Garn in allerfeinsten Farbnuancen lassen ahnen, welche Ansprüche die Schwestern an ihre Produkte stellten. Alles wurde in Handarbeit erledigt. Ganz der Sache dienlich, wurden die Arbeitskräfte je nach Begabung für einfachere oder aufwendigere Stickereien einteilt. Manchmal arbeiteten mehrere Schwestern an einem Stoff, dann mussten sie Stickgeschwindigkeit und Länge der Stiche aufeinander abstimmen. Grundsätzlich wurde ein Zehntel des Erlöses verschenkt.

Das zweite Standbein, mit dem die Schwestern vom armen Kinde Jesus sich ihren Lebensunterhalt verdienten, war die Wachsbildnerei. Auch in diesem Bereich brachten sie es zu höchster Kunstfertigkeit. Welche Arbeitsschritte zur Erstellung der Figuren notwendig waren, zeigt der Nachbau eines Arbeitsplatzes einer Wachsbildnerin. Unweigerlich drängt sich dem Betrachter der Gedanke auf, dass das Tragen des Ordenskleides bestimmte Handgriffe sicherlich erschwerte. Höchst lebendig wirken die großen Krippenfiguren aus Wachs, die den Besucher gleich zu Beginn der Abteilung begrüßen. Hier scheint Madame Tussaud in die Lehre gegangen zu sein. Krippen mit Wachsfiguren der Schwestern vom armen Kinde Jesus zählen zu den bedeutendsten Kirchenkrippen in Deutschland. Nach dem Besuch des Museums in Simpelveld weiß man, warum. Sogar die drei Aachener Ordensgründerinnen Clara Fey, Apollonia Radermecher und Franziska Schervier sind in Wachs verewigt, wenn die Figuren auch nur auf einem Foto zu sehen sind.

Finanzieller Träger des Museums ist die „Stiftung Museum Clara Fey“. Dem Kuratorium gehören Deutsche und Niederländer, Kunsthistorikerin und Museumspädagogin und selbstverständlich auch Ordensschwestern an. Für Schulklassen wurden spezielle Bildungsprogramme mit einer Kombination aus Entdecken, Tun und Erleben entwickelt. Da in den Niederlanden Religionsunterricht nicht mehr in der Schule erteilt wird, bieten die angebotenen Aktivitäten eine begrüßenswerte Alternative. Und so findet das segensreiche Werk Clara Feys bis heute an diesem geschichtsträchtigen Ort seine Fortsetzung.

Das Museum „De Schat van Simpelveld“, Kloosterstraat 68, NL-6369 AE Simpelveld, Tel. 00 31/45/2 03 10 99, www.deschatvansimpelveld.nl, ist geöffnet dienstags bis freitags von 11 bis 17 Uhr und samstags und sonntags von 12 bis 17 Uhr. Es ist sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch mit dem Auto gut erreichbar.