Der Glaube: ein moralischer Kompass im Leben

Dr. Daniel Schacht bereitet sich mit 37 Jahren auf das Sakrament der Taufe vor. Die Geschichte einer Suche.

(c) unsplash.com/Nicholas Ng
Datum:
3. Apr. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe14/2024 | Stephan Johnen

Wenn Daniel Schacht das Sakrament der Taufe empfängt, wird er seine Tochter im Arm halten. Es wird eine Doppeltaufe, die nicht alltäglich ist. Dr. Daniel Schacht ist Kardiologe, Oberarzt am Marienhospital in Aachen. Seit Monaten schon bereitet sich der 37-Jährige auf die feierliche Aufnahme in die Gemeinschaft der Christen vor. Ursprünglich hätte er Ostern im Aachener Dom getauft werden können. Doch das Leben hatte andere Pläne, es kündigte sich Nachwuchs an. 

Gina Nowara und Dr. Daniel Schacht erwarten Nachwuchs. Die Taufe wird eine Doppeltaufe. (c) Stephan Johnen
Gina Nowara und Dr. Daniel Schacht erwarten Nachwuchs. Die Taufe wird eine Doppeltaufe.

„Eine Taufe an Ostern wäre ein schönes Symbol gewesen“, sagt Daniel Schacht. Doch auch das schönste Symbol verliert an Wert, wenn der besondere Augenblick nicht mit den Menschen geteilt werden kann, die man liebt. „Eine Doppeltaufe ist ein ebenso schönes Symbol“, sagt seine Partnerin Dr. Gina Nowara, die kurz vor der Niederkunft steht und die Taufe deswegen nur online hätte verfolgen können. Nach der Geburt also wird in aller Ruhe ein neues Datum gesucht und gefunden werden.

„Ich freue mich sehr, dass er sich für die Taufe entschieden hat“, erklärt Gina Nowara. „Wir möchten unser Kind im Glauben erziehen und kirchlich heiraten.“ Anders als ihr zukünftiger Ehemann wurde die Aachenerin sozusagen „klassisch katholisch“ sozialisiert. Nach der Geburt Taufe in St. Elisabeth, die Familie war stets aktiv in der Pfarrgemeinde, Gina wurde Messdienerin, die Mutter war Katechetin, später besuchte Gina das Pius-Gymnasium. „Der Glaube gibt mir eine ganz andere Dimension im Leben, viel Rückhalt und Kraft. Ich habe gefühlt immer einen eigenen Ansprechpartner, mit dem ich Gefühle und Probleme, aber auch positive Erlebnisse teilen kann“, beschreibt die 31-Jährige.

Daniel Schacht wuchs zwar ebenfalls in einer christlichen Familie auf, der Glaube war jedoch weniger Teil des Alltags. „Es hat biografische Gründe, warum ich nicht getauft wurde,“ sagt er. Ein Elternteil war katholisch, das andere evangelisch – Vater und Mutter überließen es dem Nachwuchs, selbst zu entscheiden, sobald er mündig ist. „Als Jugendlicher habe ich mich für evangelische Religion entschieden und bis zum Abitur evangelische Religion belegt“, erzählt Daniel Schacht. Zu Taufe oder gar Konfirmation entschloss er sich aber nie. „Ich hatte ehrlich gesagt den Eindruck, dass es oft wegen Geschenken passiert“, blickt er zurück.

Taufe: nein – Beschäftigung mit dem Glauben: ja. Das muss kein Widerspruch sein. Der Zufall wollte es, dass sich Daniel Schacht 2005 beim Weltjugendtag in Köln nach seinem Abitur stark ehrenamtlich engagierte. Er begleitete Projekte, gehörte zum Team, das in einer Bonner Schule Gäste beherbergte, darunter viele Ordensleute aus Südamerika. Auch auf dem Marienfeld hat er eine Nacht verbracht. „Das war schon eine Erfahrung. Ein Schulfreund, der Berührungspunkte zu einer katholischen Pfarrgemeinde in Bonn hat, hat mich integriert“, blickt Schacht zurück. Doch mit dem Beginn des Medizinstudiums verschoben sich die Prioritäten, für Freizeit oder eine Beschäftigung mit Glaubensfragen blieb wenig bis keine Zeit – bis er seine zukünftige Frau kennenlernte, die ebenfalls Medizinerin ist – und Themen wie Hochzeit und Taufe im Raum standen.

„Die Frage, was ich eigentlich mit meinem eigenen Glauben mache, war nie weg“, sagt er. Er hatte „keine Schubladen, keine Kategorien“ – und vielleicht auch keine richtigen Vorstellungen. Er setzte sich an den Computer und verfasste eine E-Mail an die damalige Pfarre – die unbeantwortet blieb. „Für mich war das ein Testlauf, auf den ich keine Antwort erhalten habe“, sagt er. Nicht zuletzt des freundlich-bestimmten Nachdrucks seiner Partnerin ist es aber zu verdanken, dass er eine zweite Mail schrieb – und von Klaus Szudra, dem Leiter der Fachstelle für Glaubensorientierung, eine Antwort erhielt. Seitdem stehen beide im Kontakt, tauschen sich aus, sprechen auch über Zweifel und Vorbehalte – denn auch dies gehört zum „Eintritt“ dazu.

Und Zweifel gab es einige. Beispiel Missbrauchsfälle. „Ich habe mich schon gefragt, was das für eine Kirche ist, in der so etwas passiert“, sagt Schacht. „Aber zur Kirche gehört auch, dass diese Themen wie im Bistum Aachen aufgearbeitet werden.“ Letztlich gebe es auch in der Kirche viele Strömungen und Entwicklungen, die sich mit Zweifeln auseinandersetzen.

„In meiner Vorstellung war die Vorbereitung sehr verschult“, ist der 37-Jährige positiv überrascht, dass es in den Gesprächen keine Lernzielkontrollen, Diktate und Tests gibt. Stattdessen werde der Glaube beleuchtet, Textstellen diskutiert, ein (philosophischer) Austausch kultiviert. „Für mich bedeutet Glaube auch, einen moralischen Kompass zu haben“, sagt Daniel Schacht. Die Kernbotschaft sei für ihn: Nächstenliebe, Respekt im Umgang miteinander. Die Gesellschaft verändere sich rasant – und verrohe an manchen Punkten auch. In diesen stürmischen Zeiten sei der Glaube eine Konstante, die über viele Jahrhunderte hinweg Bestand hatte. 

„Der Gottesdienstbesuch ist keine Pflicht. Er bietet mir einen Ruhepol in der Woche“, sagt Gina Nowara. Ein Empfinden, das Daniel Schacht teilt. Kirche – das bedeute auch Klänge und Gerüche, Gemeinschaft und Gemeinde. Austausch und Meditation. Predigt, Texte und Gesang böten genug Denkanstöße. Er fühle sich nach einem Gottesdienst sowohl erleichtert als auch erfüllt. Mit neuen Gedanken und Anstößen ausgestattet. 

Beratung und Begleitung auf dem persönlichen (Glaubens-)Weg

Die Taufe ist die feierliche Aufnahme in die Gemeinschaft der Christen und die Eingliederung in die Kirche. In ihr drückt sich aus, dass Gott jeden Menschen, unabhängig von Geschlecht, 
Nationalität, Alter und Lebenssituation, bedingungslos und unwiderruflich annimmt.
In der katholischen Kirche bezeichnet man erwachsene Taufbewerber als Katechumenen, die Zeit, in der sie sich auf den Empfang des Taufsakraments vorbereiten, als Katechumenat. Dies geschieht sehr individuell in Form einer persönlichen Gesprächsbegleitung oder durch den Austausch in kleinen Gruppen.

Erwachsene empfangen das Sakrament der Taufe gleichzeitig mit dem Sakrament der Firmung und der Erstkommunion im Rahmen einer Eucharistiefeier. Die Glaubensorientierung bietet Begleitung für Frauen und Männer an, die den Zugang zur Kirche suchen und sich auf Taufe, Firmung und Eucharistie vorbereiten wollen.
Ansprechpartner ist Klaus Szudra, Leiter der Glaubensorientierung 
Aachen (02 41/47 58 11 72, Klaus.Szudra@bistum-aachen.de).