Der Glaube an Hexen lebt

Ausstellung zum Thema bei Missio in Aachen. Jörg Nowak von Missio stellt die Geschichten dahinter vor.

Schwester Lorena (r.) mit Christina Pakuma, die als Hexe angeklagt wurde und entkommen konnte. (c) Missio/Bettina Flitner
Schwester Lorena (r.) mit Christina Pakuma, die als Hexe angeklagt wurde und entkommen konnte.
Datum:
12. März 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 11/2024 | Jörg Nowak

In internationalen Museen in der Schweiz, Liechtenstein und Deutschland war die Foto-Ausstellung bereits zu sehen. Jetzt präsentiert Missio in Aachen eine erweiterte Bildersammlung über den Kampf gegen Gewalt und Hexenwahn in Ländern wie Ghana, Benin und Papua-Neuguinea. Auffallend sind die Parallelen zur deutschen Geschichte und zum Hexenwahn in Aachen. 

Die Ordensfrauen in Nordghana helfen den Verstoßenen in den sogenannten „Hexendörfern“. (c) Missio/Bettina Flitner
Die Ordensfrauen in Nordghana helfen den Verstoßenen in den sogenannten „Hexendörfern“.

Das Wort „Hexenschuss“ geht den meisten Menschen leicht von den Lippen. Dabei gibt es im wörtlichen Sinn keinen Hexenschuss. „Lumbago“ lautet der medizinische Begriff, der im Englischen, Französischen, Spanischen und vielen anderen Sprachen für starke Rückenschmerzen im Lendenbereich verwendet wird. In Deutschland wird zumeist an dem Wort festgehalten, das mit Aberglauben und Scheiterhaufen verbunden ist. Es hält 
sich seit rund 500 Jahren im deutschen Sprachgebrauch und erinnert daran, dass Frauen vorgeworfen wurde, mit unsichtbarem Pfeil auf Menschen zu schießen und so für die Lumbago-Schmerzen verantwortlich zu sein. Zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert wurden in Deutschland so viele Menschen getötet wie in keinem anderen europäischen Land.

In der Ausstellung wird das greifbar durch ein Bildmotiv aus Aachen zum Thema Hexenwahn, das besonders hervorsticht und einen Justizmord ans Tageslicht bringt. Im Jahre 1649 wurde ein namenloses 13-jähriges Mädchen in der Kaiserstadt auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Durch künstliche Intelligenz wurde ein Bild geschaffen, welches erstmalig zeigt, wie dieses unschuldige Kind ausgesehen haben könnte.

Die Muster der Verfolgung von sogenannten Hexen in zahlreichen Ländern der Welt zeigen viele Parallelen. Krankheiten, Katastrophen und Kriege sind ein Nährboden für diesen Aberglauben. Die Suche nach Sündenböcken lässt Hass und Gewalt entstehen.  
In der Schweizer Heimat der katholischen Ordensfrau Lorena Jenal wird ebenfalls der alte Begriff Hexenschuss verwendet. Seit 1979 hat sie ihre Berufung in Papua-Neuguinea gefunden. Die 1950 geborene Ordensfrau stellt sich ganz in den Dienst der Nächstenliebe und hat in den Dörfern so viel Anerkennung gefunden, dass inzwischen rund 50 Mädchen auf den Namen Lorena getauft wurden. Doch seit mehreren Jahren vergiften Aberglaube und Hexenwahn das Leben im Hochland von Papua-Neuguinea. Wenn jemand schwer erkrankt oder stirbt, suchen abergläubische Menschen nach einem Sündenbock, weiß Schwester Lorena.

Der Hexenglaube wird auch aus Habgier benutzt. So hört die Schweizerin von einer jungen Frau, die von ihrem Vater ein Grundstück geschenkt bekommen hat. Die eigenen Brüder sind neidisch und hasserfüllt, weil sie doch nur eine Frau sei und gar kein Recht auf einen solchen Besitz habe. Sie verteufeln ihre Schwester und behaupten, sie wäre eine Hexe. Die junge Frau kann mit Hilfe von Schwester Lorena untertauchen, um einem Folterprozess zu entkommen. 

220 Frauen vor dem Foltertod gerettet

Dramatischer zeigte sich die Situation für Christina Pakuma im Hochland Papua-Neuguineas. Die Folterer fesselten sie auf dem Dorfplatz, rissen ihr die Kleider vom Leibe. Mit glühenden Eisen wurde die wehrlose Frau vergewaltigt. „Das ist Gewaltpornografie, was hier geschieht“, sagt Schwester Lorena. Mit einem Trick schaffte Christina es, vor den Tätern zu fliehen. Schwester Lorena brachte sie in Sicherheit und betreute sie psychologisch. Der Internationale Tag gegen Hexenwahn geht auf den 10. August 2012 zurück, als Christina die Flucht gelang.

Die Fotografin Bettina Flitner hat die Arbeit von Schwester Lorena auf einfühlsame Weise dokumentiert und konnte gemeinsam mit der Missio-Projektpartnerin eine Frau aus den Fängen der Folterer befreien. Erst diese Reportagen und Bilder machten die Menschenrechtsverletzungen öffentlich und machen es möglich, mit Spenden entsprechende Hilfsprojekte aufzubauen. Durch die Unterstützung von Missio in Aachen konnte Schwester Lorena ein Frauenschutzzentrum aufbauen und 220 Frauen vor dem Foltertod retten.

„Michel und Natacha sind keine Hexenkinder, das sind meine Engel“, sagt Yolande voller Stolz. (c) Missio/Bettina Flitner
„Michel und Natacha sind keine Hexenkinder, das sind meine Engel“, sagt Yolande voller Stolz.

Die Ausstellung führt weiter nach Ghana, wo abergläubische Menschen meinen, Hexen würden auf Besen durch die Lüfte fliegen. Das wäre nicht mehr als eine kuriose Parallele zum Aberglauben in Deutschland. Doch Hass und die Suche nach Sündenböcken sorgt für sogenannte Hexendörfer in dem westafrikanischen Land. Die engagierte Ordensschwester Ruphina nimmt das böse Wort nicht in den Mund. „Das ist hier das Dorf der alten Frauen“, sagt die Ordensfrau über die kleine Ansiedlung im Nordosten Ghanas. Hier kümmert sie sich gemeinsam mit weiteren Ordensfrauen um die Verstoßenen. Früher gab es eine hohe Sterberate in dem Dorf. Inzwischen gibt es einen Brunnen und viel Hilfe. Die seelsorgerische Betreuung hat dabei einen wichtigen Stellenwert für jene Frauen, die verachtet und vertrieben wurden.

Hoffnungsvolle Bilder der Ausstellung zeigen wie fruchtbar Hilfe und Solidarität in bedrohlichen Zeiten sind. Yolande Zecle wurde in Benin von ihrem Mann verlassen, weil sie keine Kinder bekamen. Danach entschied sie sich, Michel und Natacha zu adoptieren, die bei einer Rettungsaktion einer katholischen Initiative vor dem sicheren Tod bewahrt werden konnten. „Michel und Natacha sind keine Hexenkinder, das sind meine Engel“, sagt Yolande voller Stolz.

Mit den Kindern in Papua-Neuguinea und anderen betroffenen Ländern verknüpft Schwester Lorena all ihre Hoffnung. Wenn sie in die Dörfer und Schulen mit ihrem Aufklärungsprogramm geht und mit ihnen spricht, dann sieht sie eine Generation heranwachsen, für die der Hexenglaube nur noch ein böses Märchen aus vergangenen Zeiten sein wird.

Info

Ausstellung zum Thema Hexenwahn bei Missio in Aachen, Anton-Kurze-Allee 2, bis zum 30. April, montags bis freitags 9 bis 17 Uhr. Eintritt frei.   
www.missio-hilft.de/hexenwahn