Wir sollten Berührungsängste verlieren. Damals war Inklusion kein öffentlich diskutiertes Thema. Menschen mit Behinderungen und solche ohne waren in Schule und Beruf getrennt. Dass auch Frauen und Männer mit einer Behinderung eine Ausbildung machen könnten, war nicht vorgesehen. Erst viele Jahre später lernte ich, dass es auch anders geht: Der Sohn meines Chefs hatte Trisomie 21 – und ging mit einem Schüleraustausch ein Jahr in die USA. Inzwischen hat sich vieles geändert: Menschen mit Behinderungen haben unterschiedliche Talente. In Altenheimen haben die Bewohner in Einzelzimmern ihre Privatsphäre und können Freizeitangebote nutzen. Psychische Erkrankungen werden aus der Tabuzone geholt, weil mittlerweile das Bewusstsein, dass es jeden treffen kann, wächst. Menschen haben unterschiedliche Erfahrungen und Fähigkeiten, von denen sie gegenseitig profitieren können. Das gilt für Junge, Alte, Behinderte und Nicht-Behinderte, Frauen und Männer, Pfleger und Gepflegte. „Es bereichert uns“, sagt Josef Aretz, Leiter der Seniorenhilfe in Gangelt. Wer sich darauf einlässt, erweitert den eigenen Horizont, weil er lernt, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Wir alle werden alt, das ist sicher. Aber wir könnten auch eine Behinderung bekommen, durch Krankheit oder Unfall. Wir könnten dement werden. Wie möchten wir dann leben? Wie soll dann mit uns umgegangen werden? Die Antworten auf diese Fragen weisen den Weg.
Die Autorin ist freie Journalistin und Redakteurin der KirchenZeitung für das Bistum Aachen.