Einen Orden zu gründen, das hatte Apollonia Radermecher, obwohl tiefgläubig, eigentlich nie vorgehabt. Es kam anders. Auf Bitte des Stadtrates übernahm sie 1622 die Leitung des Gasthauses, des Armenspitals am Aachener Radermarkt, dem heutigen Münsterplatz. Da sie für den Dienst an den Kranken und Armen Ordensfrauen brauchte, gründete sie schließlich selbst eine Gemeinschaft, den Hospitalorden der Schwestern der heiligen Elisabeth.
400 Jahre ist das her, und die Gemeinschaft hat in dieser Zeit viele Höhen und Tiefen erlebt und überlebt, wie Sr. Johanna, Generalvikarin der Aachener Elisabethinnen, erzählt. Das Gasthaus gibt es schon lange nicht mehr. An seiner Stelle ist heute der Hauptsitz der Sparkasse. Ihr Mutterhaus haben die Elisabethinnen inzwischen am Stadtrand von Aachen.
Aber nicht nur hier gibt es Schwestern in der Tradition Mutter Apollonias. Schon bald nach der Gründung gab es die ersten Ausgründungen (zunächst in Düren, es folgten Jülich, Blankenheim und Luxemburg). Über die Jahrhunderte entstanden weitere. Heute gibt es noch Niederlassungen in Deutschland, Luxemburg, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Österreich sowie in Kanada. Die Spiritualität sei ähnlich, die Ordenskleider hätten sich nach dem 2. Vatikanum unterschiedlich entwickelt und sähen zum Teil etwas anders aus, berichtet Sr. Johanna.
1953 hätten sie die Kontakte aufgefrischt und seitdem die Gemeinschaften wieder stärker verknüpft, zum Beispiel durch Patenschaften während der Zeit des kalten Kriegs mit den Schwestern im Ostblock. Aus den anderen Niederlassungen werden auch Besucherinnen zum großen Jubiläum am 13. August erwartet. „Nur die Schwestern aus Polen versetzen uns“, sagt Sr. Johanna mit gespieltem Schmollen. Die hätten ihre eigene Feier geplant und kämen daher nicht.
Die Fürsorge für Arme, Alte und Kranke war Apollonia Radermecher ein Herzensanliegen, weshalb sie auch nicht zögerte, die Aufgabe der Gasthausmeisterin zu übernehmen. Doch was die Ordensgründung anging, rang sie hart mit sich und Gott, übernahm aber dann die Aufgabe, die Gott ihr anscheinend zugedacht hatte. Ihre Einkleidung 1626 gemeinsam mit zwei Gefährtinnen überlebte sie nur kurz. Sie starb an den Folgen der Pest, die Pilger zur Heiligtumsfahrt eingeschleppt hatten. Das Gasthaus war immer auch Pilger-Hospital. An ihren Gefährtinnen, Schwester Helene und Schwester Gertrud, hing der Fortbestand der jungen Gemeinschaft. Sie hielten durch, er- und überlebten den großen Aachener Stadtbrand und sahen den Orden wachsen.
All das und die Höhen und Tiefen, durch die die Elisabethschwestern in den nächsten 300 Jahren gingen – unter anderem die französische Besatzung durch Napoleon mit der Auflösung der Klöster und dem Verbot, Ordenstracht zu tragen und die ewigen Gelübde abzulegen, dokumentiert eine Chronik von 1922. Danach gab es nichts mehr. „Schwestern, die vor 1953 eingetreten sind und noch erzählen könnten, haben wir keine mehr“, sagt Sr. Johanna.
Um diese Lücke zu schließen, hat sich Autorin Angela Reinders, die den Elisabethinnen persönlich eng verbunden ist, auf Spurensuche begeben und zum Jubiläum eine Chronik der letzten 100 Jahre verfasst. Mit Unterstützung der aktuell noch 20 im Aachener Kloster lebenden Schwestern, aber auch deren Vorgängerinnen. „Apollonia hat aus ihrem persönlichen Schmuck eine Monstranz anfertigen lassen, die 1941 mit der Enteignung verloren gegangen und vor 25 Jahren wiedergefunden worden ist“, erzählt Schwester Johanna. Über die Anbetung des Allerheiligsten in der Monstranz erzählen die Schwestern dieser Zeit ihre Geschichte selbst. „Da klingt ganz viel zusammen, weil jede Chronistin eine eigene Stimme und Stil einbringt“, beschreibt Angela Reinders ihren Ansatz. So sei nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Persönlichkeit der Schwestern lebendig geworden.
Zwei Weltkriege und eine Wirtschaftskrise fallen in diese Zeit, aber auch der Bau des Mutterhauses am Aachener Preusweg, dessen Kirche am 11. Oktober 1937 geweiht wurde. Zwischen den Kriegen hatte der Orden zudem mit die größte Ausdehnung. Über 250 Jahre war die Zahl der Aachener Schwestern auf 14 begrenzt. Die Stadt hatte Sorge, die Klöster könnten überhandnehmen. Das machte auch den Bau eines eigenen Mutterhauses so besonders, da die Elisabethschwestern damit erstmals „was Eigenes“ hatten. Zumindest bis 1941. „Da wurde aus unserem Kloster eine Polizei-Kaserne für Waffen-SS und Gestapo“, erklärt Sr. Johanna. Nach dem Krieg wurde das Kloster von den Amerikanern als Auffanglager genutzt. Ihnen bei all den Nazi-Hinterlassenschaften klarzumachen, „das ist unser Mutterhaus“, war nicht einfach.
„Elisabethschwestern mussten schon immer zupackend sein und bereit, Verantwortung zu tragen“, berichtet Angela Reinders. Als engagierte Krankenpflegerinnen hätten für sie ihre Patienten stets an erster Stelle gestanden. So nahmen die Dürener Schwestern, als sie evakuiert wurden, die ihnen anvertrauten Kranken mit auf die Fahrt ins Ungewisse.
Auch in den Jahren nach dem Krieg blieb es lebendig in der Geschichte der Elisabethinnen, wie Begebenheiten aus den Aufzeichnungen der Schwestern zeigen. Dabei liegen Spirituelles und Weltliches nah beieinander, manchmal mit erstaunlicher Gewichtung, was die Persönlichkeiten der einzelnen Schwestern gut widerspiegelt. So hatte Sr. Fidelis die Ehre, am 1. November 1950 in Rom bei der Verkündigung des Dogmas der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel dabei zu sein. „Worüber sie jedoch nur einen Absatz verliert. Eine ihrer Mitschwestern schildert dagegen sehr ausführlich die Anschaffung einer modernen Küchenmaschine“, berichtet Sr. Johanna.
„Wir waren nie Orden und Kloster nur für uns – war so gedacht, hat aber nie funktioniert – sondern immer offen für die Welt und im Austausch mit Menschen“, sagt Sr. Johanna. Das gilt bis heute. Die Klosterpforte ist offen für Pilger oder Menschen, die hier Ruhe suchen, und für Bedürftige, die zum täglichen Mittagstisch herkommen. Vor allem aber, weil die Schwestern ihr Kloster geöffnet haben. „Wir sind ein Mehrgenerationenhaus mit Klosterfrau“, beschreibt es Sr. Johanna.
Im Kloster gibt es mehrere Wohnungen, die an Menschen – junge wie ältere – vermietet sind, die hier in enger nachbarschaftlicher Verbundenheit mit den Schwestern leben. „Wir kannten mal mehr Quantität, konnten mehr gestalten, aber in der Realität hat jede Zeit ihre Herausforderungen. Wir können nur vertrauen, dass Gott mitgeht und uns als Gemeinschaft trägt, auch dann, wenn es zum Heulen ist“, siniert Sr. Johanna. Sie selbst hat sich in die Gemeinschaft der Elisabethinnen verliebt, „weil sie fröhlich waren, überschaubar von der Größe, wie eine große Familie, die unterwegs ist, den Willen Gottes zu finden und zu tun“. Mutter Apollonia hätte bestimmt ihre Freude, zu sehen, was aus ihrer Gemeinschaft geworden ist.