Den Dom kennt er „aus der Lameng“

Helmut Maintz steht seit über 35 Jahren im Dienst der Kathedrale, die einst Kaiser Karl begründete. Sein letztes Arbeitsjahr ist angebrochen

(c) Berthold Strauch
Datum:
16. März 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 11/2022 | Berthold Strauch

Er hütet den ganzen Stolz der Kaiserstadt, ihr bedeutendstes Wahrzeichen, wie seinen Augapfel: Helmut Maintz kennt das bauliche Innenleben des „Hohen Doms zu Aachen“ wie wohl niemand sonst derzeit. Seit mehr als 35 Jahren ist er in führender Funktion für die Kathedrale tätig, deren Ursprünge auf Kaiser Karl zurückgehen.

Das Amt des Dombaumeisters hat der Diplom-Ingenieur bereits seit knapp einem Vierteljahrhundert inne, samt der „Lehrzeit“ bei seinem Vorgänger Dr. Hans-Karl Siebigs. Maintz übernahm dessen Position nach einer dreijährigen Vakanz offiziell im Juli 2000. In knapp einem Jahr geht diese großartige Ära zu Ende. Helmut Maintz, der kürzlich seinen 63. Geburtstag feierte, verabschiedet sich am 31. Januar 2023 von dem Münster in den Ruhestand. Mit Blick von ziemlich weit oben auf seinen Lieblingsplatz, die „Laterne“ auf der Spitze des Sechzehnecks über dem Oktogon mit ihrem atemberaubenden Ausblick, zog Helmut Maintz eine vorläufige Bilanz seines Wirkens: „Ich bin sehr zufrieden mit dem Erhaltungszustand des Doms.“

Ein Ergebnis, das sich natürlich insbesondere Dank seines hartnäckigen Engagements über diesen langen Zeitraum eingestellt hat. Unterm Strich sind es schon fast 36 Jahre. Denn dies ist Helmut Maintz‘ Maxime: „Man darf nie die Hände in den Schoß legen.“ Und so steht Helmut Maintz natürlich auch in den letzten zwölf Monaten seines Wirkens unter „Volldampf“. Es sprudelt nur so aus ihm heraus. Seine Fülle an Details und Fakten, die er – wie der Öcher sagt – „aus der Lameng“ parat hat, ist wirklich beeindruckend. Ihn bringt so schnell nichts in Verlegenheit, er bleibt keine Antwort schuldig. Man spürt seine ungebrochene Begeisterung für das Gotteshaus. Und dennoch will er loslassen, freiwillig, wie er sagt. Er hat diesen Schritt rechtzeitig angekündigt gegenüber dem zuständigen Gremium, dem Domkapitel mit Dompropst Rolf-Peter Cremer an der Spitze.

Maintz' Rückzug ist praktisch jetzt schon „durchgeplant“. Wenn Ende Januar 2023 zu Kaiser Karls Todestag das Karlsfest gefeiert wird, findet auch sein Wirken seinen Abschluss. Ein Pflichttermin für den dann scheidenden Dombaumeister wird auch das Treffen der Dombaukommission sein. Hier kommen die Denkmalschützer von Bund, Land, Stadt Aachen, des Regierungspräsidiums und des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege zusammen, um Bilanz zu ziehen und den Blick auf die kommenden Sanierungsprojekte zu lenken.

Eine halbe bis zu einer Million Euro werden jährlich in den Dom investiert, gelegentlich schon mal mehr wie im letzten Jahr, als auch die Fenster der angrenzenden Domsingschule ausgetauscht werden mussten. Spenden sind für Maintz überaus wichtig bei der Finanzierung der anstehenden großen Maßnahmen. Hier verweist er gerne auf die Aktion „Der Aachener Dom braucht Hilfe“: „Wir sind weiter darauf angewiesen.“ Beständig rührt auch der Dombaumeister dafür die Werbetrommel. Ebenso ist die fällige Jahreshauptversammlung des Karlsvereins/ Dombauvereins um diese Zeit für Helmut Maintz sehr wichtig. Der frühere Sparkassenchef Hubert Herpers ist dessen Vorsitzender. Es ist das Jubiläumsjahr, der Verein feiert seinen 175. Geburtstag. Für den Dom sind Herpers und seine nahezu 3000 Mitstreiter im wahrsten Sinne Gold wert. Denn der Verein steuert große Beträge zum jährlichen Unterhaltungsaufwand bei. Knapp 800000 Euro sind einkalkuliert, wenn in diesem Jahr die gesamte Elektrik ausgetauscht und eine neue Brandschutzanlage installiert werden sollen. „Wir haben alle noch die Katastrophe in Notre Dame in Paris vor Augen“, erinnert Maintz an das verheerende Feuer in dieser Kathedrale im April 2019.

Rauchdetektoren, welche die Bereiche mit Kerzen aussparen, und Kameras sind dabei in Bodennähe des Oktogons vorgesehen, gekoppelt an eine Alarmanlage mit direktem Draht zur Berufsfeuerwehr. Bislang ist entsprechender Feuerschutz sozusagen noch „analog“: Nach alter Tradition kümmern sich Brandwächter aus der katholischen studentischen Verbindung Franconia bei ihren Rundgängen nachts um die Brandwache im Dom.

Helmut Maintz gibt sein Wissen an  Bauingenieure und Denkmalpfleger weiter

Vier „Türme“ auf einmal, etwas „eingetrübt“ vom Regen: Die Laterne (rechts hinten) über dem Oktogon ist der Lieblingsort von Aachens Dombaumeister Helmut Maintz. (c) Berthold Strauch
Vier „Türme“ auf einmal, etwas „eingetrübt“ vom Regen: Die Laterne (rechts hinten) über dem Oktogon ist der Lieblingsort von Aachens Dombaumeister Helmut Maintz.

Die „pflegende Hand“ des Dombaumeisters hat sich Ende letzten Jahres der bunten Fenster in der Chorhalle angenommen, wobei Herpers’ Verein hier ebenfalls gerne unterstützt. Die Arbeiten sind im Moment voll im Gange. Davon zeugt die umfangreiche Plane, die die Halle zum Münsterplatz hin teils verhüllt. Vier Pfeiler sind eingerüstet. Hier müssen insbesondere undicht gewordene Fugen erneuert werden, bevor Schlagregen dort eindringen kann. „Wir müssen immer einen Schritt vor den Schäden sein“, beschreibt Maintz seine entscheidende Aufgabe, den Dom zu bewahren. Im Frühjahr ist die jetzt angepackte Seite fertig. Dann „wandert“ das Gerüst zur Nordseite Richtung Krämerstraße weiter. Und dann die Beleuchtung im Inneren des Doms: Auch hier hat der Zahn der Zeit genagt (KiZ, Ausgabe 1/2022). Es wird eine knifflige Arbeit, denn die neuen Kabel müssen so verlegt werden, dass sie optisch nicht auffallen. Und sensible Bereiche wie das sanierte Mosaik müssen natürlich völlig ausgespart werden. Dies wieder glänzend zu „polieren“ und auszubessern und von einer „schwarzen Soße“, wie er sagt, zu befreien, das war für Maintz „eine Herzensangelegenheit“. Er werde sie „in „schöner Erinnerung“ behalten.

Ob noch mehr erkennbar wird, das angepackt werden muss? „Vor Überraschungen sind wir nie gefeit“, weiß der Dombaumeister aus langer Erfahrung und denkt dabei zum Beispiel an die unschönen Entdeckungen, die in der Taufkapelle gemacht wurden: Als der Schiefer abgetragen war, wurde offenbar, dass die Dachsparren ziemlich angegriffen waren. In solchen Fällen muss schnell umgeplant und neu kalkuliert werden. Und ein großes Grundproblem: All die fälligen Arbeiten müssen „im laufenden Betrieb“ abgewickelt werden, betont Maintz. „Denn es ist in Aachen undenkbar, den Dom zu schließen.“ „Fertig“ wird der Dom wohl nie. Und so hinterlässt Maintz unter anderem die fällige Sanierung des Kreuzgangs. Dessen Schieferdach sei in einem schlechten Zustand. Feuchtigkeit drohe, ins Gebälk einzusickern.

Sein hochkarätiges Wissen um die baulichen Geheimnisse des Doms und seine Begeisterung für dieses Münster gibt Maintz gerne auch an junge Leute weiter. An der RWTH hat der Dombaumeister einen Lehrauftrag am Lehrstuhl für Denkmalpflege. Und auch seine Studienstätte, die Aachener Fachhochschule, setzt auf das fachliche Know-how des Bauingenieurs. Ebenfalls in internationalen Gremien war Maintz führend unterwegs, etwa 15 Jahre als Schatzmeister im Vorstand der Europäischen Dombaumeister. Dieses Gremium pflege den „kollegialen Austausch des Wissens“. 
Wird man ihn demnächst nach seinem Ausscheiden auch noch im Dom antreffen? „Eher nicht“, sagt Maintz. Zur „grauen Eminenz der Dombaukommission“ tauge er nicht. „Dann ist ein Abschnitt vorbei.“ Aber wenn er um Rat gefragt werde, stehe er natürlich gerne zur Verfügung. 

Info

Die Ausschreibung für die Nachfolge von Dombaumeister Helmut Maintz werde „in den kommenden Wochen bundesweit veröffentlicht“, bestätigt Dom-Pressesprecherin Daniela Lövenich. Es werde eine Auswahlkommission gebildet, in der auch ein auswärtiger Dombaumeister mitarbeiten solle. Der oder die Ausgewählte werde vom Dompropst als dem Vorgesetzten dem Domkapitel vorgeschlagen.