Was braucht es, um in einer Stadt zu leben? Wie funktionieren Stadtverwaltung, die Müllabfuhr oder die Suche nach einer Arbeit? All das konnten 87 Kinder zwischen acht und 12 Jahren eine Woche lang in der Kinderstadt Aachen ausprobieren.
Wer als Erwachsener die Kinderstadt Aachen betritt, benötigt erst einmal ein Visum. Denn hier, auf dem Gelände rund um die Kirche St. Andreas in der Aachener Soers, haben die Kinder für eine Woche das Ruder übernommen. In der Kinderstadt Aachen probieren sie, wie das geht: das Zusammenleben organisieren, Gesetze beschließen, arbeiten gehen und Geld verdienen oder auch die Freizeit zu gestalten. Und die Kinderstadt hat fast alles, was es in der Stadt der Großen auch gibt. Es gibt eine Bank, bei der die Kinder das Geld, das sie verdient haben, einzahlen und abheben können. In der Kinderstadt gibt es auch eine eigene Währung, den Karlstaler. Es gibt eine Bäckerei, eine Cafeteria, ein Pressezentrum und ein Arbeitsamt. Täglich können die Kinder den Arbeitsplatz wechseln.
Was es wohl so bei den Erwachsenen nicht geben würde, ist das Amt für Glück. Hier können die Bürgerinnen und Bürger der Kinderstadt kreativ werden oder gemeinsam basteln. Die 87 teilnehmenden Kinder teilen sich auf acht Stadtbezirke auf. Diese sind in zwei großen Zelten auf dem Gelände untergebracht. „Zum Teil haben die Kinder ihrem Bezirk auch eigene Namen gegeben“, erklärt Lena bei einer Führung durch die Kinderstadt, wie die „hobbylosen Hühner“.
Je zwei bis drei Kinder vertreten die Stadtbezirke im Stadtrat. Der vertritt die Interessen der Kinder, die in der Stadt leben, und versucht, auf Wünsche und Probleme einzugehen, die im Zusammenleben entstehen. „Dafür haben wir einen Briefkasten eingerichtet,“ erzählt Friederieke bei einer Pressekonferenz, die der Stadtrat extra für die erwachsenen Besucher einberufen hat. In der Bürgervollversammlung gibt das Presseteam einen Überblick über die Ereignisse vom Tag. Der Stadtrat stellt seine Ideen vor, die besprochen werden. Zum Beispiel ein großes Sportfest, an dem sich alle Bezirke beteiligen.
Doch die Kinder wissen auch: Ganz ohne Regeln funktioniert das Zusammenleben nicht. So gibt es ein eigenes Grundgesetz in der Kinderstadt. „Diese Regeln dürfen wir auch nicht ändern“, unterstreicht Hanna, die ebenfalls im Stadtrat ist. Eine lautet: Einander nicht wehtun, weder körperlich, noch mit Worten. Bei schwierigen Entscheidungen wird abgestimmt und die Entscheidung wird von allen akzeptiert, erzählen Friederieke und Hanna. Elias, der auch im Stadtrat ist, findet es gut, dass er in dieser Aufgabe anderen helfen kann.
Ganz allein sind die Kinder jedoch nicht. Betreut werden sie in dieser Woche von 30 Teamern. Benjamin Demel (16) ist einer von ihnen. Er kommt aus der freikirchlichen Christusgemeinde und ist Betriebsleiter in der Bäckerei: Er erklärt den Kindern, die hier arbeiten, die Abläufe und ist beeindruckt, „wie schnell die Kinder die Zusammenhänge verstehen.“
Auch hinter der Organisation der Kinderstadt steht eine Erwachsene: Christiane Schmelter hat das Projekt nach Aachen geholt und im Frühjahr mit der Organisation und Sponsorenakquise begonnen. „Mit der Kinderstadt wollen wir das Demokratieverständnis fördern und den Kindern die Komplexität der Stadt nahebringen“, erklärt sie die Idee.
Markus Schröder, Mitglied im Gemeinderat St. Andreas, ergänzt: „Unser Jahresthema in der Gemeinde lautet in diesem Jahr ‚Mutig sein – Glaube an Zukunft‘. Da passt es gut, etwas Neues auszuprobieren. Kinder sind unsere Zukunft und der Motor, es anders zu machen.“ Christiane Schmelter hofft, dass alle Kinder nach dieser Woche „Demokratie gelebt haben und erfahren haben, wie eine Gesellschaft funktioniert“. Benjamin Demel hofft, dass sie in der Woche „gelernt haben, gut mit Geld umzugehen“. Doch das Wichtigste, betonen alle, sei der Spaß, den die Kinder hier haben. Und das ist allen, die in der Kinderstadt leben, deutlich anzusehen.