Dem Tod das Leben zurückgeben

Trauer hat auch ihre hellen Momente, wenn man sich an die Verstorbenen erinnert

Pfarrer Achim Köhler bat Kinder, die Gräber und den Zaun zu segnen. (c) Wolfgang Habrich
Pfarrer Achim Köhler bat Kinder, die Gräber und den Zaun zu segnen.
Datum:
5. Nov. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 45/2024 | Garnet Manecke

Ein Kind zu verlieren, ist das größte Unglück für Eltern. Der Schmerz ist überwältigend, die Trauer kaum auszuhalten. Und doch kann es auch dann, wenn das denkbar Schlimmste passiert ist, helle Lichtblicke geben. Das zeigt die neue Gestaltung des Kindergrabfeldes auf dem Friedhof von St. Laurentius Odenkirchen.

Schwarz ist seit dem späten 19. Jahrhundert in Mitteleuropa die Trauerfarbe. Eine Farbe, die sich dunkel und schwer aufs Gemüt legt und kaum ein anderes Gefühl als Traurigkeit zulässt. Lange war es gesellschaftlich verpönt, im Trauerjahr eine andere Farbe zu tragen oder etwas zu unternehmen, was einen zum Lachen bringt.

Aber Trauer ist nicht nur dunkel und schwer. Die Erinnerung an einen geliebten Menschen hat auch gute Momente. Man erinnert sich an lustige Begebenheiten, an das Lachen der Verstorbenen, an ihre Fröhlichkeit oder eine Geste. Das gilt für die Trauer um Erwachsene, aber oft auch, wenn jemand um ein Kind trauert. Der neue bunte Zaun um das Gräberfeld für Kinder auf dem Friedhof von St. Laurentius Odenkirchen ist ein sichtbares Zeichen dafür.

Kinder aus verschiedenen Gruppen wie der „Zelt-Zeit“ in St. Michael, der Kindertagesstätte Nikolaushof, der Garten-Hüpfer-Gruppe von der Höhe, der Wölflinge, der katholischen Grundschule Bell und des evangelischen Familienzentrums Mülgaustraße hatten die Zaunelemente bemalt. Zu Allerheiligen wurde der neue Zaun nun gesegnet.
„Alle, die gekommen sind, sind schon ein Segen, und die bunten Zaunelemente ebenso“, sagte Pfarrer Achim Köhler. Er selbst schritt nicht zur Tat. Er bat zwei Kinder darum, Zäune und Kindergräber mit Weihwasser zu segnen, während er ein Segensgebet sprach.
Windräder und Schmetterlinge verwandeln die Gräber in bunte Flächen 
Auch die Gräber wurden geschmückt. Mehr als 20 Kinder und 50 Erwachsene verwandelten die Gräber mit Schmetterlingen und Windrädern in eine bunte Fläche, die der Trauer ihre Schwere nimmt und an die verstorbenen Kinder erinnert. An ihre Freude über das Leben, das nur kurz war. An das Glück, das ihre Eltern über ihr Dasein empfanden und auch in der Trauer noch empfinden.

Einige Familien, die ihr kleines Kind auf diesem Feld bestattet haben, nahmen an der Segnungsfeier zum Allerheiligentag teil. Sie waren froh und dankbar für die Gestaltung und die Feier, die sie als Trost- und Lebenszeichen empfanden.

 

Die Handabdrücke der Kinder in bunten Farben machen diese Bank zu einem besonderen Platz. (c) Wolfgang Habrich
Die Handabdrücke der Kinder in bunten Farben machen diese Bank zu einem besonderen Platz.

Auch die Bank direkt neben dem Apfelbaum an dem Gräberfeld bekam ein neues Outfit. Nun erinnern bunte Abdrücke von Kinderhänden an diese kleine Feier. Wer die Bank sieht, muss unwillkürlich lächeln, obwohl sie ein sichtbares Zeichen der menschlichen Tragödie ist, die mit jedem Grab verbunden ist.

Während Kindergräber wie auch die Bestattungen von Kindern schon lange nicht mehr in dunklen Farben gehalten sind, ist das bei Beisetzungen für erwachsene Verstorbene eine relativ neue Entwicklung. Aber auch hier verzichten die Hinterbliebenen immer öfter auf Trauerkleidung. Es geht ihnen darum, das Leben des Verstorbenen zu feiern – gerade dann, wenn sein Tod beweint wird.

Das führt auch dazu, dass über den Tod wieder mehr gesprochen wird. In einer Zeit, in der noch nicht jeder Zugang zu medizinischer Versorgung hatte, gehörte er zum Alltag. Mit dem Fortschritt in der Medizin ist er zunehmend verdrängt worden. In den vergangenen Wahlen warb eine Partei gar mit dem Spruch „Altern ist heilbar“, was letztlich den Tod aus dem Leben ausschließt. Ihn wieder in die Mitte aufzunehmen, gehört zur Trauerarbeit.